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Beginn einer bemerkenswerten Aufholjagd. Zlatan Ibrahimovic (r.) trifft zum 1:4-Anschlusstreffer für seine Schweden. Es sollten noch drei weitere Tore seiner Teamkollegen folgen – und Deutschland sollte nach der deutlichen Führung doch nur ein Punkt bleiben. Foto: dpa

© dpa

Sport: Ohnmachtsanfall im Olympiastadion

Deutschland führt nach einer Stunde 4:0 gegen Schweden – und spielt sensationell doch nur 4:4.

Berlin - Eine gute Stunde vor Mitternacht setzte sich gestern im Olympiastadion die Erkenntnis durch, das ein Fußballspiel aus zwei Halbzeiten besteht. Zur Pause des WM-Qualifikationsspiels zwischen der deutschen Fußballnationalmannschaft und Schweden stand es nach wunderschön heraus gespielten Toren 3:0 für die Gastgeber, nach einer Stunde 4:0 und am Ende 4:4. Die deutschen Spieler standen fassungslos auf dem Rasen. Wie konnte das bloß passieren? Sie hatten vor 72 369 Zuschauern die vielleicht beste Halbzeit ihres Länderspieljahres absolviert und dann dieser Ohnmachtsanfall, eine fahrige halbe Stunde lang.

Für die Mannschaft von Joachim Löw fand damit eine Woche ihr betrübliches Ende, die mit einem 6:1-Sieg auf Irland begonnen hatte. Wenigstens bleibt Deutschland nach zehn Punkten in vier Qualifikationsspielen in diesem Jahr an der Tabellenspitze.

„Wir haben nach dem 4:0 abgeschaltet“, sagte Kapitän Philipp Lahm. „Nach den Toren bricht alles zusammen, das darf einer Spitzenmannschaft nicht passieren.“ Unerklärlich fand es auch Bastian Schweinsteiger, „jeder hat sich zu sicher gefühlt und einen Schritt zu wenig gemacht“, bemängelte er.

Joachim Löw musste gestern die beiden angeschlagenen Spieler Sami Khedira und auch Marcel Schmelzer ersetzen. Für den Mittelfeldspieler von Real Madrid spielte Toni Kroos an der Seite von Schweinsteiger und für Schmelzer durfte Jerome Boateng in der Aufstellung verbleiben, der Berliner spielte auf der rechten Abwehrseite. Bei seiner Rückkehr nach abgegoltener Sperre rückte Lahm auf die linke Seite, was Löw eigentlich nicht mehr wollte.

Seiner Mannschaft gelang ein fantastischer Start. Nach zwei Minuten traf Thomas Müller den Pfosten, nur fünf Minuten später erzielte Miroslav Klose nach einem tollen Querpass von Marco Reus das 1:0. Die Schweden wirkten in der Anfangszeit völlig überfordert vom flüssigen und sicherem Kombinationsfußball der deutschen Mannschaft, die in Mesut Özil und Toni Kross ihr kreatives Herzstück hatten.

Nach gerade einmal einer Viertelstunde war das Spiel quasi entscheiden. Erneut hatte Reus Klose bedient, dieses Mal benötigte der ewige Miro ein Nachschuss, seinen ersten Schuss hatte Schwedens Torhüter Isaksson noch abwehren können. Joachim Löw ballte einmal kurz die Faust am Spielfeldrand, nahm dann aber gleich wieder beruhigt Platz.

Seine Mannschaft machte eine Halbzeit lang auch gegen den vermeintlich stärksten Rivalen der Gruppe da weiter, wo sie vergangenen Freitag in Dublin aufgehört hatte. Sie spielte konzentriert, wachsam und bei jeder sich bietenden Möglichkeit wurde das vertikale Spiel in die Spitze gesucht. Und wenn dann mal ein Pass nicht ankam, waren alle äußerst eifrig bei der Balleroberung.

Nachdem dann Marco Reus aus guter Position am schwedischen Torhüter gescheitert war, erzielte kurz vor der Pause Per Mertesacker das 3:0. Für den hünenhaften Innenverteidiger vom FC Arsenal war es das zweite Tor im 84. Länderspiel. Das will schon was heißen.

Den zweiten Abschnitt ließ die deutsche Mannschaft sachter angehen, ohne zunächst die Kontrolle über das Geschehen zu verlieren. Ein Distanzschuss Schweinsteigers pfiff knapp am Pfosten vorbei, doch kurz darauf traf Özil zum 4:0.

Scheinbar fühlte sich die deutsche Mannschaft zu sicher in ihrem Tun, so leicht wie ihr bis hierher das Toreschießen fiel. Nachlässigkeiten schlichen sich in ihr Spiel, vor allem die Organisation in der Defensive stimmte nicht mehr. Und so kamen die Schweden innerhalb von wenigen Minuten nach Toren von Zlatan Ibrahimovic und Mikael Lustig plötzlich auf 2:4 heran. Eine Stunde war da gespielt, Löw warf seinen Spielern ein paar Worte zu und brachte Mario Götze für Müller. Doch auch diese Maßnahmen brachten nicht den gewünschten Erfolg. Im Gegenteil. Löws Mannschaft hatte plötzlich erhebliche Mühe, Struktur und Sicherheit ins eigene Spiel zu bringen. Eine Viertelstunde vor Schluss stand es plötzlich nur noch 3:4. Johan Elmander hatte getroffen.

Und so entwickelte sich in der Schlussphase ein unterhaltsames Duell mit inzwischen bissigen Schweden, aber eine Unterhaltsamkeit, auf die nicht nur Löw liebend gern verzichtet hätte. Und so kam, was kommen musste: In der Nachspielzeit traf Rasmus Elm zum 4:4 und die deutschen Spieler schlichen konsterniert vom Feld. „Ich finde keine Erklärung“, sagte Löw. „Wir haben alles vermissen lassen. Aber das wird uns nicht aus der Bahn werfen.“

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