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Sport: Olympia 2000: Grandios und gigantisch und teuer

Am Donnerstag, 24 Stunden vor Eröffnung der Olympischen Spiele, erreichte die Sydneysider eine außergewöhnliche Botschaft der örtlichen Polizeibehörde. Wer denn nun, so ließen Organisatoren und Beamte per Morgenzeitungen verbreiten, unbedingt nicht bei den vorolympischen Feierlichkeiten dabei sein wolle, der möge doch bitteschön bis 16 Uhr 30 die Stadt verlassen.

Am Donnerstag, 24 Stunden vor Eröffnung der Olympischen Spiele, erreichte die Sydneysider eine außergewöhnliche Botschaft der örtlichen Polizeibehörde. Wer denn nun, so ließen Organisatoren und Beamte per Morgenzeitungen verbreiten, unbedingt nicht bei den vorolympischen Feierlichkeiten dabei sein wolle, der möge doch bitteschön bis 16 Uhr 30 die Stadt verlassen. Andernfalls könne ihm passieren, dass er von der Masse mitgerissen werde. Eine realistische, allerdings überflüssige Warnung. 800 000 Menschen, vielleicht waren es auch 900 000, verstopften Sydneys Downtown, Stunden bevor die olympische Flamme auf ihrer vorletzten Etappe von betagten australischen Sportstars durch die Straßen getragen wurde. Keine Maus wäre mehr rausgekommen, geschweige denn ein hartnäckiger Olympiaverweigerer.

Aber gibt es die? Gibt es Sydneysider, gibt es Australier, die nicht im Rausch des großen Ereignisses taumeln? 99 Tage ist die Flamme nun auf australischem Boden unterwegs, getragen von 11 000 Auserwählten über 27 000 Kilometer kreuz und quer durch dieses riesige Land, und am Barrier Reef auch unters Wasser. Grandios. Wie alles, was die Sydneysider im Namen Olympias auf die Beine gestellt haben. Billig war es allerdings nicht. Fünf Milliarden Mark haben die neuen Stadien, darunter das 110 000 Menschen fassende Stadium Australia, das Olympiastadion, der Straßenbau, die 4500 Busfahrer, die im ganzen Land angeheuert wurden und nun die 20 000 angemeldeten Journalisten kreuz und quer kutschieren, die Peilsender, die Marathonläufer, Triathleten und Geher tragen müssen, damit sie notfalls mit einem Satelliten-Navigations-System geortet werden können, die Stadiontechnik, die Logistik undundund gekostet. Billig war auch nicht, draußen in Homebush, etwa zehn Kilometer vor der Stadt, den Platz zu bereiten für den 760 Hektar großen Olympiapark, der eine Giftmülldeponie war und erst einmal dekontaminiert werden musste. Nun bietet er Platz für pro Tag erwartete 500 000 Zuschauer. Und die, die nicht kommen, werden von 2000 TV-Kameras unterrichtet, was die 10 300 Athleten alles so treiben. Dass die mit einer Tagesration von drei Kondomen ausgestattet wurden, ist bekannt. Offensichtlich wird auch diesbezüglich olympische Ausdauer erwartet.

Nein, es ist bislang noch nicht viel zu sehen und hören von Gegnern dieser Gigantomanie. Sydney feiert. Am Donnerstag etwa an fünf verschiedenen Plätzen in der Stadt, Yothu Yindi, Folk-rockende Aborigines, sangen, die in Australien schwer angesagte Vanessa Amarosi ebenfalls wie auch eine Band mit dem unschönen Namen Killing Heidi. Und wer am Donnerstag zum falschen Zeitpunkt am Olympiastadion vorbeiging, der wurde plötzlich von einer Menschenmasse fast erdrückt. Rund 50 000 Menschen, vielleicht ein paar mehr, vielleicht ein paar weniger, strömten plötzlich aus den Toren auf den Vorplatz. Dort stand ein deutscher Reporter, fühlte sich auf einmal wie ein Hering in der Dose und überlegte sich, was zum Teufel da drin passiert ist. Ein Wettkampf, das wusste er, hatte nicht stattgefunden. Wie auch? Die Spiele sind ja noch gar nicht eröffnet. Also, was sonst? Ein Überraschungskonzert der Rolling Stones? Ein Gottesdienst mit einem US-Fernsehprediger, der amerikanische Touristen angelockt hatte? Banaler, viel banaler. Kunstturnerinnen hatten öffentlich trainiert, das war los im Stadion. Die nicht benoteten Verrenkungen lockten 50 000 Menschen an. So ist Sydney.

Aber es gibt die Gegner. Draußen in Bondi Beach, wo für Beachvolleyball eigens ein Stadion an den Strand gebaut wurde, protestierten Umweltschützer und ließen sich in den Sand einbuddeln. Für die Wettkämpfe haben sie angekündigt, mit 2000 Spiegeln die Fernsehübertragungen stören zu wollen. Und über die Harbour Bridge, neben der Oper, Sydneys berühmtestes Wahrzeichen, marschierten auch schon Aborigines. Keine Massendemonstration, aber erste Zeichen, dass die Ureinwohner die Zeit nutzen werden, um auf ihre wenig fröhliche Situation aufmerksam zu machen. Und weil einer ihrer Führer auch schon mal angekündigt (und inzwischen dementiert) hat, Sydney werde brennen, hat die Stadt aufgerüstet. 12 000 Sicherheitskräfte, darunter 4900 Polizisten und 600 Anti-Terror-Spezialisten der Armee, sollen verhindern, dass wie vor vier Jahren in Atlanta ein Anschlag die Fete stört. Und anders als in Atlanta, wo sich jedermann ungeprüft als Security Guard anstellen lassen konnte, sind Sydneys Sicherheitskräfte allesamt Fachleute. Seit Anfang der Woche in Melbourne gewalttätig gegen den Weltwirtschaftsgipfel protestiert wurde und auf Internetseiten Pläne aufgetaucht sind, die Proteste auch auf Olympia auszuweiten, wurden an den Einlassstellen zu den Stadien und dem Pressezentrum die Kontrollen verschärft. Was allerdings nichts über die Effizienz aussagt. Mit größerem Andrang wuchs in den vergangenen Tagen vor den Spielen auch die Laxheit der Kontrollen.

Am späten Mittwoch aber wurden 75 000 Menschen gründlich durchleuchtet. Alle waren geladen, um der Kostüm- und Generalprobe für die Eröffnungszeremonie beizuwohnen. Nebenan im Pressezentrum saßen Tausende Journalisten. Und die konnten schon mal vorab erleben, wie Sydney gedenkt, die Spiele abzuhalten. Gigantisch. So gigantisch, dass manch altgedienter Journalist sich beim Probefeuerwerk zu Boden warf und den Kopf mit den Armen schützte. Sie dachten, der Lärm käme von einem Luftangriff.

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