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Sport: Olympia 2012: Achtung, fertig, los!

Leipzig hat acht große Konkurrenten für seine olympische Bewerbung – aber auch die anderen Städte haben so ihre Probleme: ein Überblick

Kurz vor Weihnachten hat die deutsche Bewerbung aus Leipzig für Olympia 2012 zumindest wieder die Hoheit über die positiven Nachrichten erlangt. Bund und Länder stehen hinter Leipzig, der Kanzler hat die Bewerbung zur nationalen Angelegenheit erklärt. Trotzdem sind die peinlichen Skandale nicht vergessen, und man wird sehen, ob sie bei der ersten Ausscheidung im kommenden Jahr eine Rolle spielen. Aber auch die anderen acht Bewerberstädte haben so ihre Probleme. Unsere Korrespondenten haben den aktuellen Zustand der anderen Bewerbungen für uns beschrieben.

„Hätten sie nicht einen Briten finden können?“, soll einer im IOC gemeckert haben, als eine Amerikanerin zur Chefin der Londoner Olympiabewerbung gemacht wurde. Dann flog IOC-Präsident Jacques Rogge persönlich zu Tony Blair und mahnte: „Mit Substanz gewinnt man eine Olympiabewerbung, nicht mit Glamour und schönem Schein.“ Die Amerikanerin Barbara Cassani, ehemals Chefin der Billigfluglinie Go, war damals gerade dabei, David und Posh Beckham zu Botschaftern der britischen Olympiahoffnungen zu machen. Nun hat Goldmedaillengewinner Sebastian Coe den Job gekriegt.

Das IOC hat wohl gemerkt, wie zögerlich das britische Kabinett dem Londoner Bürgermeister Ken Livingston grünes Licht für Olympia gab. In Genf verglich man das mit Präsident Chirac, der ganz Frankreich in Olympiabegeisterung versetzte. Wahrscheinlich wollen die Londoner die Spiele nur, um sie nicht Paris zu überlassen. Einen besseren Ansporn könnte es nicht geben, als die Gerüchte, dass Paris in der Gunst des IOC vorne liege. Doch nun will man mit dem größten Stadtentwicklungsprogramm seit Königin Victoria supermoderne Olympische Spiele der kurzen Wege. 14 der 35 Wettkampfstätten sollen brandneu auf einem Gebiet von nur sechs Quadratkilometern im Lower Lee Valley in Ostlondon entstehen. Das größte Londoner Problem sind allerdings die chronisch verstopften Verkehrsverbindungen. Die seit zehn Jahren diskutierte „Crosslink“-Bahnverbindung von Paddington zur Liverpool Station müsste her – aber schafft das London bis 2012?

Erstaunte bis ratlose Antworten erhält man heute, neun Jahre vor dem Ereignis, wenn man Pariser auf die Olympia-Bewerbung der französischen Hauptstadt für 2012 anspricht. „Erst ist doch einmal Athen, dann Peking, oder nicht?“, entschuldigen sich die meisten, von denen viele nicht einmal wissen, dass sich ihre Stadt für das sportliche Spitzenereignis bewerben will. In den Medien keine Zeile über Vorbereitungen des Bewerber-Komitees, das zudem erst vor einem Monat zu seiner ersten Sitzung unter Leitung des Pariser Bürgermeisters Bertrand Delanoe zusammentrat. Über die Konferenz, an der Anfang November rund 100 Persönlichkeiten aus Politik, Sport und Wirtschaft teilnahmen, wurde in der Presse lediglich mit einer kleinen Agentur-Meldung berichtet. Olympia 2012 in Paris, so scheint es, interessiert derzeit keinen Franzosen. Selbst die zuständige Pressestelle im Rathaus reagiert hilflos, wenn man wissen will, ob die Stadt zu ihren Gunsten besondere Trümpfe einsetzt, um bei der Vorentscheidung 2005 in Singapur wenigstens in die endgültige Bewerberrunde aufgenommen zu werden. Bekannt ist nur, dass sich bislang nicht mehr als drei Prominente, nämlich die Modemacher Kenzo und Jean-Paul Gauthier sowie der Fußballstar Zinedine Zidane, für Paris stark machen wollen. Konkret erfährt man lediglich, dass der Etat für die Spiele bei 24 Millionen Euro liegen soll, sechs Millionen weniger als das geplante Budget von Leipzig. Sabine Heimgärtner

Man kann nicht direkt behaupten, dass die Olympia-Bewerbung von Madrid die Spanier elektrisieren würde. In Barcelona – dem Austragungsort der Spiele von 1992 – herrscht ohnehin die Überzeugung vor, bereits unüberbietbare Maßstäbe gesetzt zu haben. Und in Sevilla, wo man auf dem Expo-Gelände von 1992 als Nächstes eine olympische Fiesta ausrichten wollte, kann man sich schwer damit abfinden, dass der Hauptstadt der Vortritt gelassen werden musste – in erster Linie aus politischen Gründen. Denn Andalusien ist politisch traditionell links – doch der Staat und die Stadt Madrid werden derzeit von den politischen Erben Francos regiert. Tatsächlich ist es so, dass die aktuelle Bewerbung Madrids von zweifelhaften Geschäften und Vetternwirtschaft geprägt ist. Mit dem Argument, man müsse sich für Olympia rüsten, bleibt kein Stein, wo er bislang war.

So konnte auch Real Madrid seine gigantischen Schulden durch einen Immobiliendeal abtragen, der mit den politischen Machthabern unter dem Vorwand ausgemauschelt wurde, der Bewerbung dienlich zu sein. Ob die Protagonisten des wildwüchsigen Baubooms tatsächlich daran glauben, dass die Spiele nach Madrid geholt werden können, darf bezweifelt werden. Doch eines ist sicher: Bis die Entscheidung gefallen ist, werden sich viele rekordverdächtig bereichert haben. Allein schon aus diesem Grund findet die Idee, Olympische Spiele zu veranstalten, bei immer mehr Madrilenen immer weniger Anklang. Harald Irnberger

Moskau hat seine Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele 2012 fristgemäß abgegeben, die dafür fällige Summe – eine halbe Million Dollar – bezahlt und lehnt sich nun entspannt zurück. Das Thema spielt momentan aber ansonsten keine Rolle, obwohl jüngste Umfragen eine große Unterstützung aus der Bevölkerung ergab. Dass kaum über Olympia geredet wird, liegt auch an den ungeklärten Machtverhältnissen in Moskau. Oberbürgermeister Jurij Luschkow, der gerade mit großer Mehrheit wiedergewählt wurde, darf kein weiteres Mal antreten. Wer ihn beerben könnte, steht in den Sternen und damit auch, wer die Finanzströme dirigiert und verteilt, die dann fließen werden. Denn zu tun gibt es mehr als genug. Momentan nämlich ist die Zehn-Millionen-Metropole, mit real wohl eher um die 14 Millionen Einwohnern, für ein Ereignis dieser Größenordnung in keiner Weise gerüstet.

Die Wettkampfstätten, gebaut für die Sommerspiele 1980, die der Westen wegen der sowjetischen Intervention in Afghanistan boykottierte, sind hoffnungslos veraltet. Die Stadien waren, weil es in der kommunistischen Mangelwirtschaft ohnehin nichts zu kaufen gab, bei der Städteplanung glatt unter den Tisch gefallen.

Auch die übrige Infrastruktur und der Umweltschutz lassen doch sehr zu wünschen übrig und entsprechen nicht den internationalen Standards. Stadtteile mit mehreren hunderttausend Einwohnern, wie Mitino, warten seit zehn Jahren, dass die Metro bis zu ihnen kommt, im Zentrum herrscht trotz sechsspuriger Fahrbahnen Dauerstau, die Abgas-Belastung der Luft liegt häufig nahe an der Notstandsgrenze. Zwar hat Moskau inzwischen einige der teuersten Hotels weltweit, es gibt jedoch kaum Herbergen der Mittelklasse. Und der 1980 mit einem neuen Terminal ausgestattete internationale Flughafen Scheremetjewo wurde wegen der hochnotpeinlichen Grenzkontrollen schon damals nicht einmal mit dem eher begrenzten Besucher-Ansturm fertig. Schlange stehen von über einer Stunde ist weiterhin eher die frustrierende Regel.

Eine Problematik, die die Moskauer kaum beeinflussen können, ist die Angst vor Terroranschlägen. Ein gewichtiges Argument für das IOC und gegen Moskau und seine Bewerbung. Elke Windisch

New York hat wirklich andere Dinge im Kopf. An der Wall Street nahmen sie neulich wieder ein paar Händler wegen zweifelhafter Geschäftspraktiken fest, der Wettbewerb um das Denkmal am Ground Zero bestimmt das Stadt-Gespräch, und das Loch, das im Haushalt klafft, ist bodenlos. Vor kurzem war Bundeskanzler Gerhard Schröder in Manhattan, und Bürgermeister Michael Bloomberg nahm sich gerade zehn Minuten, um eine Baukasten-Rede zu halten – und eiligst wieder zu verschwinden. Wer denkt bei so viel Geschäft jetzt schon an Olympia 2012? Natürlich, New York gehört weiterhin zu den Bewerbern, die sich im Juli 2005 der Entscheidung des IOC stellen. Aber nach der erfolgreichen nationalen Ausscheidung im November des vergangenen Jahres ist es ziemlich ruhig um die Bewerbung geworden.

Die mittlerweile auf 46 Angestellte angewachsene Gesellschaft NYC 2012 werkelt derzeit von der Öffentlichkeit unbeachtet vor sich hin. Bei bedeutenderen Veranstaltungen wie dem New-York-Marathon oder der Ringer-Weltmeisterschaft tritt sie mit großen Plakaten und als Sponsor in Erscheinung, das letzte Mal in den Schlagzeilen war sie aber im Februar. Da stellten sich die New Yorker die Frage, ob ihre Anstrengungen überhaupt noch Sinn machen, nachdem das IOC die Winterspiele 2010 ins kanadische Vancouver vergab. Natürlich verbreiteten die Olympia-Beauftragten an der Ostküste Optimismus, aber gestiegen sind die Chancen der Metropole am Hudson River sicherlich nicht.

Dass in einem solchen Klima die positiven Nachrichten optimal gestreut werden, dafür sorgt Vize-Bürgermeister Daniel Doctoroff. Er ist in der Verwaltung für die Wirtschaft und die Stadtentwicklung verantwortlich und gilt als der Gründungsvater der Bewerbung. Im Augenblick arbeitet er mit Hochdruck daran, ein 1,5 Milliarden Dollar teures Stadion auf die Beine zu stellen. Das Bauwerk in Midtown soll einmal die Football-Spieler der New York Jets beherbergen und wäre auch das Herzstück der Olympischen Spiele in der City. Im Augenblick streiten sich der Klub und die Stadt darum, wer welche Kosten übernimmt. Nach einem Bericht der „New York Times“ stehen beide Seiten kurz vor der Einigung. Doctoroff sagt: „Es werden praktisch an allen Fronten Fortschritte gemacht. Doch es ist ein unglaublich kompliziertes Puzzle, und wir wollen sicherstellen, dass alle Teile am richtigen Platz liegen.“ Außerdem wäre es in seinen Augen noch zu früh, mit der Olympia-Bewerbung wieder Fahrt aufzunehmen. Matthias B. Krause

Rio de Janeiro kann nicht mit denselben Millionen für die PR-Kampagnen rechnen wie finanzkräftigere Konkurrenten wie London oder Paris. Trotzdem werden Rio de Janeiro gute Chancen eingeräumt. Neben einer begeisterten Unterstützung von Bevölkerung und Regierung wiegt vor allem die Tatsache schwer, dass die Olympischen Spiele noch nie in Südamerika stattfanden, meinte der Vize-Präsident des IOC, Thomas Bach, bei einem Brasilien-Besuch Anfang des Jahres. Rio hat zudem den Zuschlag für die Ausrichtung der Panamerikanischen Spiele 2007 bekommen und baut deshalb bereits für 300 Millionen Dollar Stadien und andere Sporteinrichtungen. Für die Olympischen Spiele müssten daher nur wenige zusätzliche Bauten errichtet werden. Ein Minuspunkt ist allerdings die extrem hohe Kriminalitätsrate, die die Regierung nicht in den Griff bekommt. Bürgermeister Cesar Maia spielt das Thema herunter und sagt, das geplante olympische Dorf nahe dem Neureichen-Stadtteil Barra da Tijuca könne wegen seiner wenigen Zufahrtsstraßen mit zwei Helikoptern und 300 Polizisten kontrolliert werden. Die Stadt hat außerdem bereits Erfahrung beim Organisieren von internationalen Kongressen und Großveranstaltungen wie dem Karneval, zu dem alljährlich Hunderttausende von Touristen strömen. Ein weiteres Problem ist aber die starke Verschmutzung von Rios Gewässern, wie der Guanabara-Bucht, in der Wassersportwettbewerbe stattfinden sollen. Der Bundesstaat Rio verspricht, das Umweltproblem in den nächsten Jahren zu beheben. Ähnliche Versprechen wurden in der Vergangenheit sehr oft auch nicht eingehalten. Bernd Radowitz

„Wir halten mit Optimismus an unserer Kandidatur fest“, sagt Armando Ferrer, der Vertreter des kubanischen Sports in Mexiko. Ferrer weiß zwar, wie schwierig es für Havanna wird, sich gegen die anderen acht Bewerberstädte durchzusetzen. Doch er verweist auf die Erfahrung und die Fähigkeit, die Kuba im Organisieren sportlicher Großereignisse hat. Als Beweis führt Ferrer die Panamerikanischen Spiele von 1991 an. Einen Beweis neueren Datums hat Havanna nicht zu bieten, im Gegenteil: Die Fecht-Weltmeisterschaften vom Oktober dieses Jahres waren laut der Nachrichtenagentur dpa „keine Empfehlung für Kubas Olympia-Ambitionen“. Kuba stellt in seiner Olympia-Kandidatur drei Faktoren in den Vordergrund: Die sportlichen Verdienste und Erfolge der Karibikinsel, das Argument, dass endlich ein armes Land der Dritten Welt den Zuschlag erhalten sollte (Lateinamerika wurde mit Mexiko 1968 erst einmal berücksichtigt, Afrika noch nie) sowie das Bekenntnis, bescheidene, aber würdevolle Spiele ohne großen Luxus organisieren zu wollen.

An Infrastruktur ist in Havanna zwar einiges vorhanden, unter anderem ein Stadion mit 40 000 Plätzen, Schwimmhallen und Tennisplätze, doch viele Einrichtungen sind veraltet. Ein Finanzierungskonzept liegt bisher nicht vor. Klar ist hingegen, dass in Havanna keine „pharaonischen Bauten“ erstellt würden. Der Vorsitzende des kubanischen Olympischen Komitees, Jose Ramon Fernandez, möchte auf der Ehrentribüne die Gesichter der Sportler mit bloßem Auge erkennen können - nicht wie in Sydney nur mit dem Fernglas. Martin Jordan

Die türkische Metropole Istanbul bewirbt sich schon seit Jahren ebenso hartnäckig wie erfolglos um die Ausrichtung der Olympischen Spiele. Die letzte Bewerbung wurde vor zwei Jahren abgeschmettert. Doch das kann die Istanbuler Olympia-Anhänger nicht abschrecken. Stolz meldete sich die Zwölf-Millionen-Stadt zum vierten Mal hintereinander an. Die letzte Kandidatur endete in der Endrunde der Bewerbungen 2001. Ein Inspektionskomitee des IOC erklärte diese türkische Bewerbung unter anderem wegen der damals gerade ausgebrochenen Wirtschaftskrise für chancenlos. „Unsicherheiten“ bei der Finanzierung der Istanbuler Spiele und die Verkehrsprobleme in der Stadt waren weitere Argumente.

Damals hatte das IOC die Türken ohnehin nur aus Mitgefühl in die Endausscheidung für die 2008er-Spiele aufgenommen, weil Istanbul zuvor schon zwei Mal gescheitert war. Die Endrunde hatte Istanbul schon im Wettbewerb um die 2000er-Spiele erreicht; in der Endabstimmung flogen die Türken allerdings im hohen Bogen raus – mit einem noch schlechteren Ergebnis als der vernichtenden Niederlage für Berlin. Beim Anlauf für 2004 schaffte Istanbul es gar nicht erst in die Endrunde. Die Organisatoren im türkischen Olympia-Komitee ließen den Mut nicht sinken. Aus den Fehlschlägen machten sie vielmehr eine Tugend: Keine andere Stadt habe so viel Erfahrung mit den olympischen Anforderungen, wie Istanbul sie durch die wiederholten Bewerbungen gesammelt habe, betonte das türkische Komitee. Außerdem beweise die Ausdauer der Stadt bei der Bewerbung, wie ernst es ihr mit dem Wunsch nach Ausrichtung der Spiele sei.

Tatsächlich machen die Türken hier keine halben Sachen: Statt jede Bewerbung neu zu organisieren, hat das türkische Parlament per Gesetz ein ständiges Vorbereitungskomitee geschaffen, das laufend an der Bewerbung für die jeweils nächsten Spiele arbeitet – bis es endlich einmal klappt. Der langjährige Komitee-Vorsitzende Sinan Erdem starb allerdings im Sommer im Alter von 76 Jahren, ohne sein großes Lebensziel erreicht zu haben. Susanne Güsten

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