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Olympia 2012: Die Krise des deutschen Mannschaftssports

Olympia lebt auch vom Mannschaftssport, doch deutsche Teams werden in London kaum vertreten sein. So wenige deutsche Athleten wie bei dieses Mal gab es seit der Wende nicht. Eine Krise, die Folgen haben könnte.

Von Katrin Schulze

Gemeinsame Erlebnisse sind meistens die emotionalsten. Weil es sich zusammen einfach besser feiert, und weil sich auch Niederlagen im Team oft leichter ertragen lassen. Was im Allgemeinen zählt, gilt bei dem größten Sportereignis der Welt ganz besonders. Wenn in sechs Monaten die Olympischen Spiele in London beginnen, wird es aus deutscher Sicht allerdings nur wenig Kollektivsinn geben. Lediglich die Hockeymannschaften der Frauen und der Männer haben sich bereits für das olympische Turnier qualifiziert. Gut möglich, dass sie am Ende die einzigen deutschen Repräsentanten der Ballsportarten bleiben.

Sieben von zwölf deutschen Mannschaften sind bereits an dem Versuch gescheitert, sich nach London zu spielen. Die Fußballerinnen, nachdem sie bei der Heim-WM bereits im Viertelfinale rausflogen, und die Wasserballerinnen in Folge einer verkorksten EM. Hinzu kommen die Männer des U-21-Fußball-Nationalteams, die Handballerinnen und die Männer- und Frauen-Mannschaften im Basketball. Zuletzt katapultierte sich dann auch noch die Handball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Serbien aus dem Olympia-Rennen – ein Novum. „Das Aus tut sehr weh, aber ich bin überzeugt, wir werden in London trotzdem eine starke deutsche Olympia-Mannschaft haben mit herausragenden Athleten“, ließ Thomas Bach dazu wissen.

Auch die Handballer verpassten durch das Zwischenrunden-Aus bei der EM in Serbien die Olympia-Qualifikation.
Auch die Handballer verpassten durch das Zwischenrunden-Aus bei der EM in Serbien die Olympia-Qualifikation.

© dpa

Bach muss schon qua Position Optimismus verbreiten, er ist der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), verschleiern aber kann er die Krise in Ballsportarten in Deutschland aber auch mit herausragenden Einzelsportlern nur bedingt. Zwar haben deutsche Ballsportler mit Ausnahme der Hockeyteams die olympischen Turniere nie wirklich beherrscht, dennoch sind sie es, die das Publikum und auch andere Sportler bewegen. „Die Ballsportarten tragen eine Mannschaft über das gesamte Turnier“, sagt Thomas Weikert, Vorsitzender der AG Spielsport im DOSB. „Wenn Handballer oder Basketballer am Ende immer noch dabei sind, ist das für alle sehr identifikationsfördernd.“

Olympia lebt von den Teams. Und die Teams leben von Olympia. Denn so viel Präsenz und Aufmerksamkeit wie alle vier Jahre rund um das Großereignis bekommen die meisten Sportarten sonst nicht. Da braucht man nur die deutsche Wasserbal-Nationalmannschaft zu fragen. Für sie wäre die Teilnahme „ungemein wichtig, denn nur damit können wir das Interesse von Leute außerhalb des Wasserportbereichs wecken“, sagt Teammanager Michael Zellmer. Immerhin haben die deutschen Wasserballer genauso wie beide Nationalteams der Volleyballer noch die Chance auf London. Die vier letzten olympischen Plätze werden bei den Wasserballern Anfang April in einem Qualifikationsturnier ausgespielt.

Den Volleyballern kann der Sprung nach London gelingen, wenn sie bei den Wettkämpfen im Mai in Bulgarien (Männer) und der Türkei (Frauen) gewinnen oder die dann wirklich letzte Gelegenheit bei einem Vierländerturnier im Juni nutzen. Die Chance der Männer schätzt der Sportdirektor des Deutschen Volleyball-Verbands, Günter Hamel, dabei etwas besser ein als die der Frauen – allein schon, weil der letzte vorolympische Ausscheid in Berlin stattfinde.

Doch selbst im eher unwahrscheinlichen Fall, dass es alle drei Mannschaften noch nach London schaffen, werden so wenig deutsche Athleten wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr zu Olympischen Spielen reisen – kaum mehr als 400 werden es wegen der fehlenden Mannschaftssportler sein. In Peking 2008 nahmen noch acht Ballsportteams aus Deutschland teil, genauso wie 1996 in Atlanta. 2004 waren es sechs, und 1992 sowie 2000 fünf.

Die jüngste Tendenz besorgt da nicht nur den Sportdirektor des Volleyball-Verbands. „Es ist ein Phänomen, dass sich deutsche Mannschaften international schwer tun, sich zu behaupten“, sagt Günter Hamel und fordert deshalb, dass der Spielsport finanziell mehr unterstützt wird. Problematisch sei es, „dass sich die Mittel auf diejenigen beschränken, die die meisten Medaillen holen – und das sind nun mal sowieso nicht die Spielsportarten, bei denen es ja nur eine Medaille zu gewinnen gibt.“

Die Wasserballer können das Ticket für London noch bei einem Qualifikationsturnier im April lösen.
Die Wasserballer können das Ticket für London noch bei einem Qualifikationsturnier im April lösen.

© dpa

Sportförderung funktioniert in Deutschland jedoch immer noch nach dem Erfolgsprinzip, und wer sich nicht für die Olympischen Spiele qualifiziert, dem drohen Mittel gestrichen zu werden. Mannschaftssportarten trifft das ganz besonders, da sie anders als Individualsportler kaum von Sponsoren unterstützt werden. Und so ist die Olympia-Qualifikation für Wasserball-Teammanager Michael Zellmer nicht nur eine Frage des Prestiges, sondern auch „der Weg in eine finanziell gesicherte Zukunft“.

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