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Olympia 2012 - ein Alp(en)traum(a): Touristen, Torte und Wolfgang Petry

Während Deutschland überlegt, wie es das CSU-Plansoll von 86 Medaillen erfüllen kann, hat Österreich nur ein Ziel – eine Medaille. Auch wenn es damit nichts mehr werden sollte, in einer Disziplin sind unsere Nachbarn Weltklasse.

In Deutschland will die CSU die Planwirtschaft wieder einführen: Sport- und Innenminister Hans-Peter Friedrich forderte 86 Medaillen von den deutschen Athleten in London, 28 davon gefälligst in Gold. Bei einem verbleibenden Wettkampftag ist das schier unmöglich. Während Deutschland bis zur Abschlussfeier am Sonntag noch rund 40 Medaillen holen muss, haben unsere Nachbarn nur ein Problem: Bisher haben die Österreicher keine einzige Medaille in London gewonnen. Vor acht Jahren in Athen waren es noch sieben auf einen Streich. Doch zurzeit erinnern sie sich vor allem an die Sommerspiele von 1964 in Tokio. Damals gingen Österreichs Olympioniken komplett leer aus.

"Heimat großer Töchter und Söhne,/ Volk, begnadet für das Schöne", heißt es in der ersten Strophe der österreichischen Bundeshymne. Und wenn das Schöne auch nur fürs Scheitern gilt. Denn anstatt sich, wie hierzulande, über erfolglose Schwimmer oder größenwahnsinnige Politiker aufzuregen, versuchen von Bregenz bis Wien alle, die Pleite zumindest unterhaltsam zu gestalten: Die Funktionäre bieten Slapstick vom Feinsten; Sportminister Norbert Darabos bezeichnete seine Athleten als "Olympia-Touristen", woraufhin Karl Stoss, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (ÖOC), sie gegen die übermächtige Konkurrenz verteidigte: "Die anderen schlafen auch nicht."

Die Medien ziehen gleich mit: Der ORF wollte den "Herminator", Skifahrer Hermann Maier, am Donnerstag spontan ins kalte Wasser schmeißen, damit beim Freiwasserschwimmen über zehn Kilometer noch eine Medaille herausspringt. Das Boulevardblatt "Kronenzeitung" ärgert sich in bester Stammtischmanier über die "rot-weiß-rote Pleite". Und "der Standard" spekuliert, ob Usain Bolts Mutter mal eine Sachertorte gegessen hat – Hauptsache irgendein Erfolg. Ansonsten gibt sich die Wiener Tageszeitung lakonisch: "17. in Peking, 18. in London", steht unter dem Bild von Turnhoffnung Caroline Weber. Daneben die Werbung einer Fluglinie: „London: Günstig hin & retour“. Wer wäre nicht gerne Olympia-Tourist?

Da lassen sich auch die Leser nicht lumpen: "Österreich ist der moralische Olympiasieger! Daran gibt es nichts zu rütteln. Der olympische Gedanke in Reinkultur, in die Welt getragen von unseren tapferen Helden des Verzichts und der Bescheidenheit. Danke und Bravo!", kommentiert ein User auf standard.at. "Was haben Liechtenstein und Österreich gemeinsam? Keine Medaille", schreibt ein anderer und ein weiterer schlägt vor, die Schweiz darum zu bitten, eine Medaille abzugeben.

Ein Wettkampftag bleibt Österreich noch, um Kuwait, Tadschikistan und Co. einzuholen. Die haben immerhin einmal Bronze gewonnen. Geschafft hat Österreich das schon einmal: 1908 in London. Dort dudelt in diesem Jahr zu jeder Siegerehrung das elegische „Chariots of fire“ von Vangelis, doch zum olympischen Geist und zur Selbstironie Österreichs passt eher ein Schlagerhit von Wolfgang Petry: "Bronze, Silber und Gold hab’ ich nie gewollt."

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