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Sport: Olympia-Bewerbung: Eine ganze Generation überspringen

Einen schönen Blick hat der Ministerpräsident von seinem Büro in der Staatskanzlei - auf den in weiten Schleifen mäandernden Rhein und die Landeshauptstadt. Nur ein paar Kräne stören das Postkartenbild, doch sie beweisen auch, dass sich etwas tut in Düsseldorf.

Einen schönen Blick hat der Ministerpräsident von seinem Büro in der Staatskanzlei - auf den in weiten Schleifen mäandernden Rhein und die Landeshauptstadt. Nur ein paar Kräne stören das Postkartenbild, doch sie beweisen auch, dass sich etwas tut in Düsseldorf. Hier oben ist der richtige Ort für hochfliegende Pläne, und man kann sich gut vorstellen, wie Wolfgang Clement mit seinem Sportminister Michael Vesper und Oberbürgermeistern aus der Region vor den Panoramafenstern steht. Und wie dann vor ihrem geistigen Auge ein nagelneues Multifunktionsstadion auftaucht - dort also, wo heute noch die Schafe auf den Rheinwiesen grasen.

Knapp acht Jahre nach der gescheiterten Olympia-Bewerbung Berlins wagt Düsseldorf einen neuen Anlauf: Mit neun weiteren Städten aus der Region will die Stadt die Sommerspiele 2012 nach Deutschland holen. Für Oberbürgermeister Joachim Erwin ist es keine Frage, dass künftige Generationen seine 570 000-Einwohner-Stadt in einem Atemzug mit anderen Austragungsorten nennen werden. Barcelona, Atlanta, Sydney, Athen, Düsseldorf.

Sein Selbstbewusstsein zieht der CDU-Politiker aus drei Machbarkeitsstudien, die die Olympiatauglichkeit der Städte an Rhein und Ruhr belegen sollen: eine Untersuchung der Internationalen Vereinigung Sport- und Freizeiteinrichtungen (IAKS) zu den vorhandenen Sportstätten, eine Infrastrukturstudie der Unternehmensberatung Roland Berger und eine Erhebung der Landeshauptstadt. Stolz verweist Erwin auf die Ergebnisse: "Wir haben die besten Chancen, auch tatsächlich Ausrichter zu werden."

35 von 59 Sportstätten in der Region haben bereits mehr oder weniger die Olympiareife, und auch die 42 000 Hotelzimmer, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) verlangt, lassen sich irgendwie aufbringen. Noch gibt es zu wenige Fußballarenen und Schwimmhallen. Anlagen für Randsportarten wie Baseball oder Kanuslalom und ein Olympiastadion mit 80 000 Sitzplätzen fehlen. 1,2 bis 1,25 Milliarden Mark werde man in die Sportstätten noch investieren, glaubt der Düsseldorfer Oberbürgermeister. "Solche Summen schrecken uns nicht im Geringsten." Denn Olympia ist ein lohnendes Geschäft. Dem Austragungsort steht die Hälfte der Einnahmen aus dem Vermarktungsprogramm zu, Sydney kassierte 1,8 Milliarden US-Dollar.

Stuttgart ist schon weiter

"Dieses Geld sollte man den Bürgern nicht vorenthalten", sagt auch der Leiter des Olympiabüros in Stuttgart, Gunter Fahrion. "Deshalb sind so viele Städte scharf auf eine Bewerbung." Außerdem buhlen das Rhein-Main-Gebiet mit Frankfurt und Leipzig-Dresden-Chemnitz-Riesa um die Gunst des IOC. Die Frankfurter wollen aber erst nach einer Regionalkonferenz am 11. Mai entscheiden, ob sie sich eine Bewerbung zutrauen, und auch Leipzig wartet das Ergebnis einer 160 000 Mark teuren Machbarkeitsstudie ab, das Ende Juni vorliegen soll.

Da ist Stuttgart weiter. Mehr als eine Million Mark können die drei Mitarbeiter des Olympiabüros in diesem und im nächsten Jahr ausgeben. Und Gunter Fahrion ist sicher, dass sich diese Investition lohnt. "Seit 1984 hat kein Austragungsort mehr ein Minus gemacht", sagt er. Beim Thema Olympia fallen Fahrion allerdings nicht in erster Linie Nils Schumann, Marion Jones oder andere Medaillenhoffnungen ein. Er denkt an Namen wie Stuttgart 21 oder B 70. Das sportliche Großereignis, so hofft er, wird auch dem ehrgeizigen Bahnhofsprojekt oder dem Straßenbau neuen Schub verleihen. Eine Olympiastadt überspringe beim Infrastrukturausbau eine ganze Generation, sagt der Organisationschef: "Barcelona sah nach den Spielen von 1992 ganz anders aus als vorher."

Ein Schub für Leipzig

Auch die ostdeutschen Kandidaten, die mit dem Slogan "Olympia in Sachsen - eine Chance für Deutschland" werben, hoffen auf kräftige Finanzspritzen. "Wir brauchen in der Infrastruktur noch einen enormen Schub, um vergleichbare Verhältnisse wie in Westdeutschland zu erreichen", betont Leipzigs Pressesprecherin Kerstin Kirmes. Doch Roland-Berger-Berater Norbert Stoeck, der für die Rhein-Ruhr-Region die Infrastrukturstudie geleitet hat, ist skeptisch: "Städte, die glauben, mit den IOC-Einnahmen großzügig bauen zu können, machen alle den gleichen Denkfehler." Das Geld werde für die Ausrichtung der Spiele benötigt, die Infrastruktur müsse weitgehend vorhanden sein.

Auf jeden Fall brauchen alle Städte, die mit Olympiaeinnahmen kalkulieren wollen, einen langen Atem. Die Chancen, gleich bei der ersten Bewerbung den Zuschlag zu erhalten, seien minimal, sagt Manfred Seeger vom Nationalen Olympischen Komitee (NOK). Im November entscheidet das Gremium, ob Deutschland sich um die Sommerspiele 2012 bemüht. 2003 wird dann der deutsche Bewerber gekürt und erst 2005 bestimmt das IOC den Austragungsort.

Salomonischer Bundeskanzler

Die Bundesregierung steht hinter einer neuen deutschen Bewerbung. Das versicherte Kanzler Schröder gestern bei einem Treffen mit dem NOK. Nur welchen Bewerber unterstützt der Kanzler? Im Gegensatz zur Fußball-Bundesliga ("Cottbus muss drin bleiben!") fühlt sich Schröder zur Neutralität verpflichtet: "Der Kanzler steht hinter einer Bewerbung, aber er hat keine persönliche Präferenz", sagte Innen-Staatssekretärin Brigitte Zypries.

Frank Specht

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