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© dapd

Olympia-Helfer in London: Das Opferfest

Sie nahmen sich extra frei, zahlten die Fahrkarten: 120 000 ehrenamtliche Helfer bildeten das Rückgrat der Spiele. Sie sind das nachhaltigste Erbe von Olympia 2012.

Ohne Kiara, 18 Jahre alt, wäre Olympia nicht möglich gewesen. Sie hat keine Medaille gewonnen oder Rekorde gebrochen. Aber sie war immer da, in ihrer Uniform aus magentarot und aubergineblau hat sie per Megafon den Besuchern den Weg von der U-Bahn-Station West Ham zum Olympiastadion gewiesen: „Willkommen zu den Olympischen Spielen 2012 in London. Bis zum Stadion sind es noch zehn Minuten Fußweg. Wir wünschen allen einen spannenden Tag. Bitte halten Sie sich auf der rechten Seite“. Selbstverständlich, freundlich und gekonnt, so als hätte sie nie etwas anderes gemacht.

120 000 ehrenamtliche Helfer wie Kiara haben sich während der Sommerspiele um die Athleten und Besucher gekümmert und für gute Stimmung gesorgt: Einer verteilte in der dicht gefüllten U-Bahn Lollipops – „damit ihr Trip angenehmer wird“. Ein anderer gab am chaotischen Bahnhof Stratford einem amerikanischen Touristenpaar, das keine Tickets für den Olympiapark hatte, einen Tipp: „Gehen sie ins Kaufhaus John Lewis. Im zweiten Stock haben sie die beste Aussicht auf das Olympiagelände“.

Als das „Freiwilligen-Programm“ für London 2012 im Herbst 2010 gestartet wurde, bewarben sich 240 000 Menschen. Junge Menschen wie Kiara und Rentner wie Gerry Sheridan mit seiner Frau Joan. Er nahm als 15-jähriger an den Spielen 1948 teil. „Damals war ich stolz, ein Londoner zu sein, weil wir es nur drei Jahre nach dem Krieg schafften, Spiele zu organisieren“. Jetzt will der 79-jährige ehemalige Taxifahrer anderen seine Stadt vorführen. „Ich weiß, was für eine tolle Stadt London ist. Ich will es denen zeigen, die es noch nicht wissen“.

Kiara gehört zu den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die aus den Bezirken rund um das Olympiagelände ausgewählt wurden, um ihnen eine Chance zu geben und sie zu fördern. „Ich bereue keine Minute, dass ich mich gemeldet habe“. Als sie sich bewarb, war sie noch Schülerin, nun möchte sie Sozialarbeiterin werden. Sie habe Leute getroffen, die sie sonst nie kennen gelernt hätte, sagt sie. „Für mich ist das die beste Möglichkeit, Teil von Olympia zu sein. Das gibt es nur einmal im Leben“.

Ganz nach dem olympischen Motto „Dabei sein ist alles“ wurde London 2012 zu einem Fest der Freiwilligen. Mitunter zu einem Opferfest: Sie nahmen sich extra frei, sogar die Fahrkarten zu den Spielen zahlten sie aus eigener Tasche. Viele schliefen auf Zeltplätzen, weil sie außer einem warmen Essen nichts für ihre Leistungen bekamen. Sie begleiteten Athleten zu den Blutproben, fuhren Journalisten mit Buggys durch den Greenwich Park, überwachten in fensterlosen Büros den Funkverkehr. Auch die sensationell erfolgreiche Eröffnungsfeier gehörte den freiwilligen Enthusiasten. 10 000 Darsteller übten Monate lang. Auch Stars wie Paul McCartney und Rowan Atkinson bekamen nur 1 Pfund Gage – eine Formsache, damit man Verträge abschließen konnte. Louise Perrin, Informationsbeamtin der Grafschaft Buckinghamshire, nahm sich zwei Wochen Urlaub, um an den letzten Proben teilnehmen zu können – sie spielte eine „Raverin“ und musste zu Musik von Prodigy tanzen. Damit erfüllte sie sich nicht nur ihren Jugendtraum, Tänzerin zu werden – wie viele Teilnehmer fand sie als Freiwillige „Freunde fürs Leben“. Die Party nach der Aufführung ging dann bis acht Uhr morgens.

Olympiaorganisator Sebastian Coe hält die Freiwilligen für das wichtigste Element erfolgreicher Spiele. „40 Prozent arbeiten zum ersten Mal als Ehrenamtliche und für viele wird es eine lebenslange Gewohnheit bleiben“. Vibeka Mair, Journalistin der Fachpublikation „Civil Society“ und selbst Olympia-Helferin, glaubt, dass der Aufschwung für die Freiwilligen-Bewegung das nachhaltigste Erbe der Olympischen Spiele sein könnte – wenn man die richtigen Lehren zieht: „Die Spiele zeigen, dass ehrenamtliche Mitarbeit nicht umsonst zu haben ist. Wir bekamen die richtige Unterstützung. Regelmäßige Emails und SMS, Briefe, Ausbildung, die Uniform. Das hat uns Vertrauen gegeben, unser Engagement gestärkt und uns wirklich zu einem Teil der Spiele gemacht.“

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