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Bitte lächeln. Die deutschen Radrennfahrer Emanuel Buchmann, Tony Martin and Simon Geschke (von links).

© dpa

Olympia in Rio: Deutschlands Radrennfahrer: Hoffen auf die Fluchtgruppe

Das olympische Straßenrennen der Männer ist so schwer wie eine Bergetappe bei der Tour. Die deutschen Fahrer müssen auf die richtige Fluchtgruppe hoffen.

Beim Olympischen Straßenrennen reagiert aus deutscher Sicht das Prinzip Hoffnung. Emanuel Buchmann und Simon Geschke müssen zunächst versuchen, die richtige Fluchtgruppe zu erwischen und dann auch vorne anzukommen. Favoriten auf dem bergigen Kurs sind andere, an erster Stelle Tour-de- France-Sieger Chris Froome, kurz dahinter der so kletterstarke wie antrittsschnelle Alejandro Valverde. Der Spanier könnte gleich für den ersten Stimmungskiller bei den Spielen sorgen. Ebenso wie sein Olympiasiegervorgänger Alexander Winokurow war er zuvor wegen Dopings gesperrt.

Knackige Anstiege von bis zu 8,5 Kilometer Länge und bis zu 15 Prozent Steigung, die auch noch mehrfach bezwungen werden müssen, machen das Olympische Straßenrennen zu einer Bergetappe wie bei der Tour de France. Insgesamt summieren sich die Anstiege der zwei verschiedenen Rundkurse, die den Parcours ausmachen, auf rund 4000 Höhenmeter. Das sind Werte wie bei einer Königsetappe der Tour. Erschwerend kommen die Länge über 256,4 Kilometer sowie einige Kopfsteinpflasterabschnitte hinzu. Elemente von Bergetappen und Frühjahrsklassikern sind hier also vereint. Wer durchhält, wird immerhin mit dem Finale an der Copacabana belohnt.

Beim vierköpfigen deutschen Ensemble ist vor dem Start bereits klar, dass mindestens der Hälfte das Copacabana-Erlebnis nicht vorbehalten sein wird. Der immer noch etwas lädierte Zeitfahrspezialist Tony Martin kündigte bereits an, nur einen Kurzeinsatz mit Trainingsfokus anzustreben. Noch kurioser wird es bei Maximilian Levy. Der gebürtige Berliner ist Spezialist für die ganz explosiven Wettbewerbe auf der Bahn wie Sprint und Keirin. Weil dort die Konkurrenz aber sehr groß war und Levy echte Medaillenchancen hat, wurde ein Straßenplatz für ihn geopfert. „Mal sehen, wie weit ich komme“, sagte Levy vorab – und meinte damit nicht die Endplatzierung, sondern den Kilometerstand, an dem er aussteigen wird. Das ist eine ganz besondere Interpretation des olympischen Gedankens, des „Dabeisein ist alles“.

Die Hoffnungen in Rio ruhen auf einem kletterstarken Allrounder wie Simon Geschke

Die Personalie Levy macht allerdings auch deutlich, wie schwach besetzt der deutsche Radsport ist, wenn es in die Berge geht. Die Hoffnungen in Rio ruhen auf einem kletterstarken Allrounder wie Simon Geschke und dem Talent Emanuel Buchmann. Von Geschke, immerhin Bergetappensieger bei der Tour de France 2015, wird man nicht allzu viel erwarten können. Zu schwankend war seine Form bei der Tour in diesem Jahr. Wenn allerdings alles passt, also den Berliner am Start eine ganz prächtige Form beglückt, er dann auch noch erfolgreich zockt und genau die richtige Ausreißergruppe erwischt, dann hat er die Chance, mit seinen Fluchtkollegen um eine Medaille mitzufahren.

Genau den gleichen Plan haben etwa 100 andere Starter; das zeigt die Schwierigkeit des olympischen Straßenrennens.

Bei Emanuel Buchmann stimmt zumindest schon einmal die Form. Der stille Bursche vom Bodensee hielt bei den Bergetappen der Tour ordentlich mit. Er war stabil, hatte keinen richtigen Ausfalltag und wurde Gesamt-21. Der 23-Jährige kam aber auch niemals richtig weg. Er konnte in keiner Ausreißergruppe dauerhaft vor dem Feld fahren. Und auf die Favoritengruppe büßte er am letzten Anstieg regelmäßig ein, zwei oder sogar mehr Minuten ein. Gut, die Anstiege in Rio sind auch nicht 20 oder 25 Kilometer lang, sondern eben nur maximal 8,5. Ob Buchmann dann bei der erhöhten Beschleunigung auf diesen eher kurzen Bergen aber dranbleiben kann, ist für ihn selbst fraglich. „Wenn das Finale losgeht, kann ich mit den Besten nicht mithalten“, lautet seine Erfahrung aus dieser Saison. Also bleibt auch für ihn eigentlich nur der Basisplan Fluchtgruppe. Für leicht erhöhte deutsche Chancen sollten es er und Geschke es abwechselnd versuchen.

Es ist ein explosives Rennen zu erwarten - mit einer Außreißergruppe

Dass eine Gruppe durchkommt, ist im Unterschied zur Tour de France gar nicht so unwahrscheinlich. Denn die Mannschaften sind bei Olympia maximal fünf Mann stark, nicht neun wie bei der Tour. Das bedeutet, dass auch Topfavorit Chris Froome nur vier Männer zum Lücken schließen hat. Und von denen hat mindestens einer, der Tour-Etappensieger Steve Cummings, ganz eigene Ambitionen. Es ist also ein explosives Rennen zu erwarten, mit einer Gruppe vorn, die ums Überleben kämpft, und einem Favoritenfeld, das ein Ausscheidungsfahren anstrebt, um mit möglichst wenig Rivalen vorn anzukommen und das über die dabei erreichte Geschwindigkeit automatisch alle Ausreißer einzufangen hofft.

Wenn dann Chris Froome gewinnt, ist es ganz wie bei der Tour de France. Gewänne Valverde – der Kapitän eines bärenstarken spanischen Teams – gäbe es die London-Fortsetzung mit einem zweifelhaften Sieger. Und dann stellt sich einmal mehr die Frage, was frühere Dopingsünder bei Olympia verloren haben.

Auch deshalb ist das Straßenrennen von Rio tatsächlich ein echtes Stimmungsbarometer für Olympia.

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