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Spiele und Meer. Beschauliches Bummeln an der Strandpromenade.

© dpa

Olympia in Sotschi: Stadt ohne Spiele

Die Winterspiele von Russland finden offiziell in Sotschi statt – dabei wird in der Stadt am Schwarzen Meer kein einziger Wettbewerb ausgetragen. Sotschi könnte aber von Olympia nach den Spielen mehr profitieren als die Orte mit den Sportstätten.

Der Himmel ist ein wenig verhangen von gräulichen Wolken. Die vielen Palmen müssen heute keinen Schatten spenden. Aber das Klima ist angenehm mild, die Luft leicht feucht und salzig. An der Promenade in der kleinen Großstadt am Schwarzen Meer sind die Kellner in Bewegung, auch die Cafés vor den schmucken Neubauten in der Innenstadt sind proppenvoll. Ein normaler Sonntagnachmittag in der Olympiastadt Sotschi, sagt Imbissbudenbesitzer Alexander. Er verkauft Pizza, die Geschäfte gehen gut. „Olympia hat uns den Aufschwung gebracht“, sagt der stämmige Endfünfziger und lächelt. „Die Stadt ist nicht mehr wiederzuerkennen.“

Sotschi – der Name der 350 000-Einwohner-Stadt an der russischen Schwarzmeerküste steht dieser Tage synonym als Austragungsort der Olympischen Winterspiele. Außer in Sotschi selbst. Denn in der Metropole der Region Krasnodar findet kein einziger Wettkampf statt. Die Eishallen stehen im Olympiapark in Adler. Der Flughafenort gehört zwar administrativ zum Stadtgebiet Sotschi, liegt aber 30 Kilometer südlich. Und die Skiwettbewerbe werden oberhalb von Krasnaja Poljana ausgetragen, das olympische Bergdorf ist anderthalb Stunden Zugfahrt weit von Sotschi weg.

Sotschi und Wintersport - das kommt schwer zusammen

Sotschi wird häufig als die Riviera des Schwarzen Meeres bezeichnet, es ist der nördlichste Ort auf dem Planeten mit subtropischem Klima und liegt auf einem Breitengrad mit Nizza. Doch Sotschi und Wintersport, das kommt schwer zusammen beim Blick auf das dunkle Meer und Palmen und bunten Sträuchern. Das olympische Flair in der Innenstadt wirkt aufgesetzt. Überall prangen Banner mit den dem Olympiaslogan: „Hot. Cool. Yours.“ In einem Park steht die große Uhr, die jahrelang die Zeit bis Olympia herunterzählte und das nun den Countdown bis zum Ende der Spiele anzeigt. Gleich am Meer befindet sich eine olympische Zone, die Besucher nur mit Akkreditierung und Sicherheitskontrolle betreten können.

Leere beim Public Viewing in Sotschi, dabei läuft doch Eishockey.
Leere beim Public Viewing in Sotschi, dabei läuft doch Eishockey.

© Claus Vetter

Auf dem Areal mit Rummelplatzambiente stehen Bierbänke und eine große Bühne, auf der den ganzen Tag über russische Sanges- und Tanzformationen versuchen, die olympischen Fans zu unterhalten. Daneben stehen zwei Riesenleinwände für das Public Viewing. Am Sonntag schauen wenige Menschen vor der Riesentafel beim Eishockeyspiel Österreich gegen Norwegen mehr weg als hin. Richtig voll ist es nur vor dem „Accreditation Office“ nebenan, dort gibt es Tickets und die damit obligatorischen Registrierungen für olympische Zuschauer. Vor dem Gebäude mit der Spiegelwand schlängeln sich die Menschen hundert Meter weit.

Das Zentrum der Stadt ist unbestritten attraktiv

„Abends ist mehr los auf dem olympischen Platz“, sagt Imbissbudenbesitzer Alexander. 13 Jahre hat er in Neumarkt in der Oberpfalz gewohnt. In der bayrischen Kleinstadt hat es ihm gefallen. „Ich liebe Deutschland, zwei meiner Kinder sind dort geboren.“ Aber die Liebe zur Heimat hat gewonnen. Und schließlich gehe es in Sotschi aufwärts. Der Schnellgastronom ist überzeugt davon, dass die Touristen auch kommen, wenn der olympische Tross verschwunden ist. „Denn es ist ja so schön hier.“

Schlange stehen für Olympia-Tickets.
Schlange stehen für Olympia-Tickets.

© Claus Vetter

Am Rande von Sotschi gibt es Plattenbauten und Baurelikte aus der Sowjetzeit. Das kann man mögen oder auch nicht, aber das Zentrum der Stadt ist unbestritten attraktiv. In dem beliebten Kurort mit den vielen Sanatorien ging es vor Olympia ruhiger zu. Zurzeit pulsiert es in der Stadt wie in einem mallorquinischen Mittelmeerort im Hochsommer. Menschen strömen, überall läuft Musik, und die Touristen fotografieren sich die Finger wund. Motive gibt es inflationär. Die kleine Altstadt, den riesigen Freizeitpark „Riviera“ und natürlich den Hafen. Dort ankern viele Jachten und größere Schiffe, in der Ferne lässt sich auch ein Schiff der russischen Marine erspähen. „Das ist aber gar nichts“, sagt Olga. Die kleine Frau ist um die 50, wohnt seit 33 Jahren in Mannheim. Sie stammt aus Sotschi und besucht ihre Eltern. Sie sagt: „Wenn Wladimir Putin hier zu Besuch ist, dann kreuzen da etliche Militärschiffe auf dem Meer.“ Aber das störe sie nicht, Putin stehe für den Aufschwung. „Die Stadt ist so sicher geworden wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.“

Die Menschen in Sotschi sind stolz auf die Spiele

Beschwerden über die politischen Nebenerscheinungen der Spiele? Die, die hätten protestieren wollen, sind bisher nicht aufgetaucht in Sotschi. Wäre auch nicht erlaubt in der Stadt. Denn die sogenannte olympische Demonstrationszone ist im kleinen Ort Chutor, rund 18 Kilometer vom Hauptbahnhof Sotschi entfernt. Und Demonstrationen gäbe es, wenn überhaupt, eher in Moskau und St. Petersburg, sagt Olga. In Chutor würde es keiner mitbekommen. Es ist auch nicht so einfach, eine Erlaubnis für eine Demonstration zu bekommen. Auch das hat Wladimir Putin gut hinbekommen: Er muss nicht mit politisch motivierten Aufläufen gegen die Spiele im Großraum Sotschi rechnen.

Die Menschen in Sotschi seien stolz auf ihre Spiele und könnten wenig mit der westlichen Kritik an Russland und Putin anfangen, sagt Olga. Die Kinder hätten sogar drei Wochen schulfrei bekommen für die olympische Zeit. Besonders gut findet sie, dass die Menschen in Sotschi so einfach an Tickets kommen könnten – allerdings zu happigen Preisen. Tatsächlich entsteht der Eindruck, dass viele Besucher der Veranstaltungen in Adler und Krasnaja Poljana aus der Stadt Sotschi kommen. Am Sonntag laufen vor dem Spiel der russischen Mannschaft ein paar Dutzend Eishockeyfans zum Bahnhof, andere schleppen ihre Fahnen zum Eisschnelllaufen, wie sie sagen.

Der Weg zum Örtchen Adler ist ja noch überschaubar. Wer aber von Sotschi zum Biathlon fahren will, sollte schon bis zu drei Stunden Reisezeit einplanen. Olympia ist weit weg von Sotschi, einer Stadt ohne große Sportstätten und ohne Sporttradition. Das hat aber auch einen Vorteil für die hübsche, sich am Schwarzen Meer entlang schlängelnde Stadt. Während in Adler und Krasnaja Poljana nach Olympia und Paralympics vieles ab- oder zurückgebaut wird, bleibt in der Innenstadt von Sotschi alles stehen nach Winterspielen, die dort nie stattgefunden haben.

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