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Uneingeschränkte Solidarität mit dem eigenen Team: Die Briten freuen sich über Heimspiele. Leider verlieren sie sie aber meistens.

© AFP

Olympia-Kolumne: Gekauftes Nischengold

Die blinde Unterstützung des eigenen Teams ist der Heimvorteil der Briten, meint Roger Boyes. Allerdings scheint er den Sportlern nichts zu bringen, denn die Medaillen gewinnen am Ende doch die anderen. Woran liegt das?

Bill und ich hatten kurz Augenkontakt, auf der Linie nach Stratford. Die U-Bahn war voll mit Ausländern. Das ließ sich einfach feststellen, weil die Menschen redeten. Der Brite schweigt in der U-Bahn. Einige der Touristen glaubten, sie seien auf der Reise zur Geburtsstätte von William Shakespeare (die befindet sich tatsächlich in einem anderen Stratford, aber es erschien nicht fair, den Menschen das zu erklären). Die meisten wussten ohnehin, dass sie auf dem Wege zu den Olympischen Spielen waren. Bill trug eine britische Fahne auf seinem T-Shirt und hatte eine echte Fahne um seine Schultern drapiert. Ich nahm an, dass er kein Nordkoreaner war.

„Ich habe Tickets für das Reitsport- Event“, sagte er. „Willst du ein paar Karten kaufen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich kann dich verstehen“, sagte er. „Ich hasse Pferde auch. Aber man muss seinen Beitrag leisten und das britische Team anfeuern.“

Diese blinde Unterstützung ist unser Heimvorteil. In diesem Fall unterstützte Bill andere jubelnde britische Bürger inklusive William und Kate, Prinzessin Anne, Camilla, die Gräfin von etwas oder anderem. Sie alle waren auf den Tribünen, um die pferdeverrückte Enkelin der Queen, Zara Phillips, zu unterstützen. Wenn eine Bombe heruntergegangen wäre auf diese Ecke von Stratford, dann wäre Pinkelprinz Ernst August in der britischen Thronfolge entscheidend aufgerückt. Aber das passierte zum Glück nicht. Dafür gewannen die Deutschen zweimal Gold, wir nur einmal Silber.

Sehnt sich Roger Boyes etwa nach Deutschland zurück?
Sehnt sich Roger Boyes etwa nach Deutschland zurück?

© Doris Spiekermann-Klaas

Wie kommt es, dass der Heimvorteil nichts bringt? Vielleicht, weil er nur die Erwartungen hochschraubt und die Sportler nervös macht? Wir schlagen uns, sehen wir den Tatsachen ins Auge, nicht gut bei unseren Heimspielen. Manche geben David Cameron die Schuld dafür. Wann immer er bei einer Sportveranstaltung auftaucht, verlieren wir. Er war schon in Wimbledon, als der Schotte Andy Murray gegen Roger Federer verlor. Aber der wahre Grund ist natürlich, dass wir nicht so gut sind, wie wir dachten. In Peking gewannen wir einige Kilo Gold, weil wir viel Lotto-Geld in Nischensportarten investiert hatten. Nun machen das alle anderen auch und wir sehen ziemlich mittelmäßig aus.

„Es waren die Pferde“, sagte Bill, als ich ihm später noch mal über den Weg lief. „Sie waren ausländisch.“

In unserer Kolumne wechseln sich die Korrespondenten Friedhard Teuffel und Frank Bachner mit dem britischen Autor Roger Boyes und der deutschen Hockeyspielerin Natascha Keller ab.

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