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Der Medaillenspiegel - ein Muster mit wenig Wert?

© dpa

Olympia und Zahlen: Medaillenspiegel? Gibt es nicht!

Gold als Parameter oder doch das Fibonacci-System? Eine offizielle olympische Medaillenwertung existiert nicht, dafür aber viele verschiedene Zählweisen und Missverständnisse.

Der Vorschlag von Willi Lemke erschien ja edel. Der UN-Sonderbotschafter Sport sprach sich für eine Abschaffung des Medaillenspiegels bei den Olympischen Spielen aus. "Warum und wofür wird der geführt? Damit am Ende Länder ihre Macht demonstrieren können", sprach Lehrer Lemke. Doch was als diskutable Idee erschien, war an sich Unsinn. Denn: Wie soll die Menschheit etwas abschaffen, das es nicht gibt? Zumindest nicht offiziell: Der Medaillenspiegel ist kein verbindliches Tableau, sondern eine Idee, die jeder so umsetzt, wie er/sie möchte. Einfacher gesagt: Den Medaillenspiegel gibt es nicht.

Es gibt nicht mal einen Streit der verschiedenen Medaillenspiegel-Schulen, da ist eher friedliche Koexistenz angesagt. Die zwei besonders populären Zählmethoden spiegeln in manchem Land sogar so nebeneinander. Eine davon veröffentlichen wir täglich im Tagesspiegel: Da ist Anzahl der gewonnenen Goldmedaillen entscheidend für die Platzierung in der Nationenwertung, erst bei Gleichstand kommen Silber und Bronze ins Spiel. Diese Methode wird auch vom IOC und vielen anderen Medien bemüht – aber „offiziell“ ist sie genauso wenig, wie die in den USA meist bemühte Zählweise: Dort werden einfach alle von einer Nation gewonnenen Medaillen addiert. Während Deutschland etwa in der „deutschen“ Wertung aufgrund der acht Goldmedaillen am Dienstagmorgen auf Rang sechs lag, reichte es in der US-Wertung beim TV-Sender NBC nur zu Rang neun für das das deutsche Olympia-Team in Rio de Janeiro.

Allerdings ist es so, dass die Nation mit den meisten Goldmedaillen meist auch die US-Wertung in der Endabrechnung anführt. Nur 1896, 1912 und 1964 war das bei den Sommerspielen nicht so, da hatten die USA die meisten goldenen. aber nicht die meisten Medaillen gewonnen. Auf der offiziellen Homepage der Spiele von Rio lassen sich  übrigens Wertung beider Zählmethoden angeboten.

Der Bayern-Fan zum BVB-Anhänger: „Wir führen mit drei Punkten“, der Dortmunder: „Wir liegen vorne, denn wir haben einen Sieg mehr als ihr“

Ein kleiner Irrsinn - übersetzt auf die Fußball-Bundesliga und alle anderen Sporttabellen. Sagt der Bayern-München-Fan zum BVB-Anhänger: „Wir führen schon mit drei Punkten vor euch“. Der Dortmunder: „Wir liegen vorne, denn wir haben einen Sieg mehr als ihr.“ Nicht denkbar.      

Die Medaillenwertung ist allein deshalb schon fragwürdig, weil einige Sportarten dort unverhältnismäßig starken Einfluss haben. Beim Schwimmen kann ein Sportler bei einer Olympiateilnahme 8 Medaillen gewinnen. […] 18 Fußballer oder 8 Ruderer können zusammen maximal eine Medaille holen.

schreibt NutzerIn robert_rostock

Doch damit nicht genug, natürlich wabern auch noch andere Medaillenzählmethoden durch die olympische Welt. Eine sinnvoll erscheinende, in der Medaillen nach Punkten bewertet werden (Gold drei, Silber zwei Punkte, Bronze ein Punkt), nach dem „Fibonacci-System“. Es gibt aber auch das exponentielle Wertungsschema, hier werden Goldmedaillen mit vier Punkten bewertet, Silber nur mit zwei und Bronze mit einem Punkt. Die “London 1908”-Zählweise bewertet hingen die Medaillen mit fünf – drei – eins.  Es gibt noch weitere Punktsysteme und dann auch noch eine etwas abwegige Zählweise aus den USA: Da werden einfach alle Athleten zusammengezählt, die gewonnen haben: Tennis-Doppel gibt als zwei Medaillen und der Achter im Rudern ist bei dieser Methode schon die halbe Miete im Medaillenspiegel.

An sich könnte Willi Lemke doch zufrieden sein, dass es keine offiziellen Medaillenspiegel gibt. Und vielleicht tröstet es den Sportfunktionär, mit dem neuen Wissen könnte er seinen Fußballklub Werder Bremen im Nachhinein mit einer anderen als in der Liga üblichen Wertung noch zu der ein oder anderen Meisterschaft mehr hochrechnen.

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