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Auf dem Sprung. Beim dritten Versuch will Pyeongchang mit seiner Bewerbung endlich im Ziel landen.

© AFP

Olympische Konkurrenz: Doppelt gegen München 2018

Die deutsche Bewerbung um die Winterspiele 2018 hat starke Konkurrenz. Das südkoreanische Pyeongchang gilt als Favorit – Annecy in Frankreich hingegen als Außenseiter.

Als einer der ersten Politiker ist Lee Myung-bak mit großem Gefolge in Durban angekommen. Schon seit Samstag weilt Südkoreas Präsident in Südafrika, was ihm vor Ort maximale Zeit gibt, letzten Einfluss auf die dort tagenden Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zu nehmen. Sein frühes Eintreffen zeigt auch, was die Bewerbung Pyeongchangs um die Winterspiele 2018 für das asiatische Land ist: eine nationale Angelegenheit höchster Priorität. Von Münchens Kandidatur kann man das wohl nur bedingt sagen.

Südkoreas Siegeswille zeigt sich in der Hartnäckigkeit, mit der sich der 45 000- Einwohner-Ort in der nordöstlichen Provinz Gangwon um Winterspiele beworben hat. Am Mittwoch unternimmt Pyeongchang bereits den dritten Anlauf, bei der Bewerbung für die Spiele 2010 und 2014 war man nur knapp an Vancouver und Sotschi gescheitert. Doch die südkoreanischen Planer haben aus den erfolglosen Versuchen gelernt. Ursprünglich sollten einige Eislauf-Wettbewerbe im 100 Kilometer entfernten Seoul stattfinden, nun tritt Pyeongchang mit dem kompaktesten Konzept aller Bewerber an. Es gibt nur zwei Olympische Dörfer, 80 Prozent der Sportler wären innerhalb von zehn Minuten am Start. Weil auch die südkoreanische Bevölkerung die Bewerbung mit 92 Prozent Zustimmung im Kreis Pyeongchang unterstützt, erhielten die Südkoreaner von der Evaluierungskommission die besten Noten. Damit gilt Pyeongchang am Mittwoch als Favorit – knapp vor München. Zumal es noch weitere Vorteile für die Südkoreaner gibt.

Vor allem, weil der südkoreanische Konzern Samsung auf die 96 IOC-Mitglieder, die am Mittwoch die Spiele vergeben werden, großen Einfluss ausüben kann. Der südkoreanische Elektronikkonzern ist Hauptsponsor der Olympischen Bewegung, sogar der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wird mit seinem Geld unterstützt. Samsung-Chef Lee Kun-hee sitzt praktischerweise als Mitglied des IOC in Durban mitten unter den Stimmberechtigten. Auch Pyeongchangs Bewerbungschef Cho Yangho hat als Firmenchef von Korean Air einen potenten Geldgeber im Hintergrund. Dass die beiden Firmen alles andere als untätig sind, zeigt die Verwarnung, die Pyeongchang im Winter von der IOC-Ethikkommission kassiert hatte. Weil Samsung und Korean Air unerlaubterweise Sponsorenverträge mit dem Weltverband der Ruderer und der Eisläufer geschlossen hatten.

Die Winterspiele von Pyeongchang wären kurioserweise die ersten, bei denen in jenem Ort, die den Spielen den Namen geben, keine Wettkämpfe stattfinden würden. Die Ski-Wettbewerbe würden in zwei Retortenorten namens Alpensia und Yongpyong ausgetragen, die Eislauf-Wettbewerbe in der Küstenstadt Gangneung am Meer. Wintersport hat in Südkorea nur eine kurze Tradition, die 14 Medaillen bei den Olympischen Spielen von Vancouver holte das Land allesamt in den Eishallen beim Eiskunst- und Eisschnelllaufen sowie Short Track.

Doch Pyeongchang wirbt nicht mit dem Blick zurück, sondern richtet die Aufmerksamkeit in die Zukunft. „Neue Horizonte“ lautet der Slogan, denn die Spiele in Pyeongchang würden dem Wintersport die Märkte in Asien eröffnen. Eine Milliarde Menschen wohne nur zwei Flugstunden entfernt, argumentieren sie. Auch das zweite Hauptargument für Pyeongchang ist ein geographisches: Es sei an der Zeit, die Winterspiele wieder nach Asien zu vergeben, nur zwei von 21 Winterspielen fanden bislang hier statt. Beide Male in Japan.

Die Kandidatur des französischen Annecy wurde schnell zur Farce. Selbst im eigenen Land glaubt niemand mehr an einen Erfolg – doch die deutschen Chancen könnte Annecy mindern.

Trübe Aussichten. Annecy fehlt vor allem eine Infrastruktur oder andersherum: Es ist noch nicht so verbaut.
Trübe Aussichten. Annecy fehlt vor allem eine Infrastruktur oder andersherum: Es ist noch nicht so verbaut.

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Dabeisein ist für Nicolas Sarkozy offenbar nicht alles. Seine Berater sollen dem französischen Staatschef davon abgeraten haben, wie seine Amtskollegen aus Deutschland und Südkorea nach Durban zu fliegen. Auch Sarkozy scheint nicht mehr ernsthaft an die Chancen von Annecy zu glauben, 2018 die Olympischen Winterspiele auszurichten. Und mit der absehbaren Niederlage bei der Vergabe durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) will der Präsident wohl ungern in Verbindung gebracht werden. Also schickte er nur einen Werbebrief für Annecy an die IOC-Mitglieder – und Chantal Jouanno nach Südafrika. Der Sportministerin ist es vorbehalten, der chaotischen Kandidatur Annecys den politischen Segen zu geben.

Vieles ging schief während der nur schleppend angelaufenen Bewerbung Annecys. Noch mehr als bei vielen anderen Bewerbern für Olympische Spiele fehlt der Alpenstadt und ihrer Umgebung die passende Infrastruktur. Allen voran an Sportanlagen und Hotels mangelt es, und an einer eventuellen dauerhaften Nutzung nach den Spielen sowieso. Wie bei der Münchner Kandidatur formierte sich Widerstand gegen starke Eingriffe in die Natur und gegen die Enteignungen von Bauern. Bürger gründeten ein „Anti-Olympisches Komitee“, das gekonnt den Blick auf die Schwachstellen der Bewerbung richtete. So widersprachen sie der Behauptung der Sportministerin, der Großteil der Sportanlagen entspreche bereits den olympischen Normen. Und im Mai übergaben sie dem IOC in Lausanne 18<TH>000 Unterschriften gegen Winterspiele in Annecy.

Gerade als die Bewerbung auf einem besseren Weg schien und Meinungsumfragen eine breite Unterstützung der Bevölkerung beweisen sollten, geriet die Kandidatur im vergangenen Dezember kräftig ins Schlingern. Ausgerechnet zwei französische IOC-Mitglieder distanzierten sich öffentlich von der Bewerbung. „Wir haben zu spät begonnen“, räumte Guy Drut ein, und Jean-Claude Killy warnte: „Wir steuern auf einen Untergang zu.“ Wenige Tage später trat der Chef des Bewerbungskomitees zurück. Edgar Grospiron, 1992 Ski-Olympiasieger auf der Buckelpiste, hatte eine deutliche Erhöhung seines Budgets von 18 auf 30 Millionen Euro gefordert. Stattdessen wurden es nur 20 Millionen Euro – zu wenig, um mit München und Pyeongchang zu konkurrieren, befand Grospiron. Die Suche nach einem Nachfolger wurde zur Farce. Reihenweise sagten die Kandidaten ab, auch Ex-Umweltminister Jean-Louis Borloo. Schließlich wurde überraschend der Geschäftsmann Charles Beigbeder neuer Chef der Bewerbung. Sein Problem: Beigbeder ist zwar in der Wirtschaft gut vernetzt – nicht aber in der Welt des Sports.

All dies trägt dazu bei, dass auch in Frankreich niemand mehr an einen Erfolg Annecys glaubt. In diesem Fall werde es eben Paris noch mal mit Sommerspielen versuchen, sagte Sportministerin Jouanno im Mai in einer Fernsehsendung. Der Stachel der gescheiterten Bewerbungen der Hauptstadt für die Spiele 2008 und 2012 sitzt in Frankreich noch tief. Besonders 2012 war das Land von einem Sieg fest überzeugt, doch dann gewann London. Diesmal ist das Scheitern quasi programmiert. Ein paar wichtige Stimmen für München im ersten Wahlgang könnte der europäische Konkurrent Annecy trotzdem kosten – und damit Südkorea zum vorzeitigen Sieg verhelfen.

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