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© dpa

Olympische Momente: Wie Angerer Biathlon beliebt machte

Die Verhältnisse sind miserabel. Jede Menge Neuschnee, schlechte Sicht und dann auch noch Wind – nichts für einen Biathleten also. Peter Angerer lässt sich davon nicht beeindrucken - und begeistert mit seinem Sieg eine ganze Nation.

Von Katrin Schulze

Die Verhältnisse sind miserabel. Jede Menge Neuschnee, schlechte Sicht und dann auch noch Wind – nichts für einen Biathleten also. Doch der Wettkampf über die 20-Kilometer-Einzeldistanz findet an diesem 11. Februar 1984 statt, nachdem er wegen des schlechten Wetters zuvor schon um einen Tag verlegt wurde.

Mit der Startnummer 59 geht Peter Angerer aus der Bundesrepublik auf die Olympiastrecke in Veliko Polje, dem Austragungsort der Biathlonwettbewerbe bei den Winterspielen von Sarajevo. Er müsste eigentlich zu den Favoriten gehören, schließlich hat der Bayer als erster Biathlet aus der Bundesrepublik 1983 den Gesamtweltcup gewonnen. Dass trotzdem irgendwie keiner so richtig mit ihm rechnet, liegt an der olympischen Bilanz. Viel haben die Deutschen bei Winterspielen bislang nicht zustande gebracht; vor allem nicht im Biathlon. Da sind die Skandinavier und die Osteuropäer dominierend. Und natürlich die Sportler aus der DDR. Frank-Peter Roetsch zum Beispiel, der vor Angerer auf die 20-Kilometer-Distanz geht.

Peter Angerer kommt es entgegen, dass er in der letzten Gruppe ins Rennen startet: Die Konkurrenten hat er im Blick; die Bestzeiten sind bekannt. Das erste Schießen absolviert der 24-Jährige fehlerfrei, beim zweiten und dritten geht jeweils ein Schuss daneben. Als er zum letzten Stehendschießen die Matten am Stand anvisiert, überquert Frank-Peter Roetsch die Ziellinie – drei Strafminuten hat er sich eingehandelt, übernimmt jedoch in 1:13:21,4 Stunden die Führung. Keiner der Starter kommt ohne Schießfehler durch diese widrigen Bedingungen in Veliko Polje – zu stark weht der Wind, zu stark ist der Schneefall. Die meisten schießen mehr als dreimal daneben.

Peter Angerer aber bleibt beim vierten Mal fehlerfrei. Angefeuert von Trainern und Betreuern am Rand der Strecke fährt er dem Sieg bis ins Stadion entgegen, wo die Zuschauer ihn erst anfeuern – und dann plötzlich entsetzt sind. Was ist passiert? Aus Versehen biegt Angerer in die falsche Spur ein. Gerade noch rechtzeitig bemerkt er seinen Fehler und springt zurück auf die Bahn Richtung Ziel. 1:11:52,7 Stunden braucht der Deutsche inklusive der beiden Strafminuten: Das reicht für Gold! Das erste bundesdeutsche Gold im Biathlon.

Sogar in der Tagesschau wird Angerers Erfolg im Einzel übertragen, was zu dieser Zeit eine Rarität ist. Biathlon ist in der Bundesrepublik auf einmal in. Auch weil Angerer nach seiner Goldmedaille über 20 Kilometer noch Silber im Sprint und Bronze mit der Staffel holt – und einen regelrechten Hype auslöst. Zeitungen und Fernsehstationen berichten in einem bisher nicht dagewesenen Umfang über die deutschen Biathleten, die nach den Spielen euphorisch in Deutschland empfangen werden. Von den vier bundesdeutschen Medaillen in Sarajevo holen die Biathleten um Peter Angerer drei. Es ist der Beginn des Aufstiegs vom Biathlon in Deutschland – auch wenn sich im Nachhinein ein Schatten auf den Erfolg legt.

Zwei Jahre nach seinem Olympiasieg wird Peter Angerer infolge eines positiven Dopingtests für ein Jahr gesperrt. Als er 1988 in Calgary noch einmal bei Olympischen Spielen antritt, gewinnt er mit der Staffel Silber. Für eine Einzelmedaille reicht es nicht mehr. Katrin Schulze

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