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Sport: Olympische Spiele 2008: Höher, schneller, breiter

Frankreichs Hauptstadt sieht sich als heimlichen Gewinner des Wettstreits um die Olympischen Spiele 2008. Das meint der drahtige Kellner im Bistrot Eiffel im 15.

Frankreichs Hauptstadt sieht sich als heimlichen Gewinner des Wettstreits um die Olympischen Spiele 2008. Das meint der drahtige Kellner im Bistrot Eiffel im 15. Arrondissement ebenso wie der Kapitalbeteiligungs-Finanzier an der feinen Avenue Montaigne. Dem stimmt der Ladenbesitzer im Touristenviertel am Montparnasse zu und auch der Taxifahrer, der plötzlich die Uhr abstellt, zwei Ehrenrunden dreht und dem Fahrgast dabei sein sportliches Credo verkündet. Zwar lebt der Mann im verkommenen und von der Gewalt der Straße gezeichneten Nordosten von Paris, wo die Olympialobby "Oui Paris 2008" ein Olympisches Dorf und Sportstätten aus Industriebrachen stampfen will. Er wird sich Olympia wohl nur vor dem Fernseher leisten können. Es sei denn, sein Sohn schafft es bis dahin in Frankreichs Basketballnationalteam. Daran glaubt der Taxi fahrende Immigrant aus Kamerun ganz fest. Schon deshalb hofft er, dass Paris am Freitag bei der Session des Internationalen Olympischen Komitees in Moskau zum Austragungsort 2008 ausgerufen wird.

Gegner des Projektes gibt es kaum. Vielmehr legen sich Frankreichs Unternehmen mächtig ins Zeug. Von 1,3 Milliarden Euro (2,54 Milliarden Mark) Baukosten und knapp zwei Milliarden Euro Kosten für die Organisation der Spiele will die Privatwirtschaft gut eine halbe Milliarde Euro beisteuern, die öffentliche Hand ist mit Garantien von 780 Millionen Euro dabei. Acht Großkonzerne unterstützen die Kandidatur als Sponsoren: der Pharmakonzern Aventis, der Versicherer Axa, die Genossenschaftsbank Crédit Agricole, die Bau- und Telekommunikationsgruppe Bouygues, die Supermarktkette Carrefour, der Luxuskonzern LVMH, der Autohersteller Renault sowie McDonalds. Mehr als acht Sponsoren, "das wäre wohl zu kompliziert geworden", meint Axa-Gründer und -Aufsichtsratsvorsitzender Claude Bébéar, der dem inneren Zirkel des Olympia-Arbeitskreises präsidiert. Er ist Botschafter seines Landes in Sachen "Oui Paris 2008". Noch vor wenigen Monaten hatte der passionierte Großwildjäger nach eigenen Worten überhaupt keine Kontakte zu Olympia-Kreisen - jedenfalls nicht zu denen des Auslands.

Frankreichs Hauptstadt hätte mit dem Besucherstrom jedenfalls kein Problem. "Paris hat weltweit die meisten Touristen", betont Bébéar. "Besucher wie Athleten werden selten mehr als eine Viertelstunde brauchen, um von einem Ort zum anderen zu kommen - ein riesiger Vorteil. Außerdem liegt Paris nach Zeitzonen günstig." Das ist wichtig für weltweite Fernsehübertragungen. Auch spricht die bauliche und technische Ausgangslage für Paris. Die Stadt war 1924 letztmals Veranstalter der Spiele, doch an Stadien und Hallen mangelt es nicht. Für mehr als die Hälfte der Wettbewerbe will der Olympia-Arbeitskreis auf Anlagen zurückgreifen, die zum Teil nicht einmal mehr modernisiert werden müssen. Hier hat unter anderem die Fußball-WM Vorarbeit geleistet.

Über 250 Millionen Euro, so schätzen die Paris-Werber, werden für Neubauten fällig, je 45 Millionen davon für eine Radrennbahn in Aubervilliers und ein zentrales Schwimmstadion, das olympischen Ansprüchen gerecht wird. Dazu kommen Renovierungskosten für ältere Anlagen in Höhe von rund 150 Millionen Euro. Für den Großteil dieser Aufwendungen gibt es Garantien der Stadt Paris oder der umliegenden Départements. Schwerpunkt der Neubaupläne ist der Nordosten, für den zwölf Stararchitekten Pläne entwickeln. An der Stadtgrenze ist in jüngster Zeit eine ganze Industrie-Infrastruktur überflüssig geworden. Damit gibt es Platz für Neues - eine Seltenheit im engen Paris und seinem verwinkelten Umland.

Die Sicherheitsbedenken, die manche gegen den Pariser Norden geltend machen, teilt Paris-2008-Aktivist Noël de Saint Pulgent nicht. "Bei der Fußball-WM hat es keine einzige Störung gegeben, und für die Spiele wird die Zone völlig umgekrempelt", sagt der Generaldirektor des Arbeitskreises. Ebenso wenig würden Anwohner vertrieben. Dort wohne ohnehin kaum jemand, sagt Saint Pulgent. Nach den Spielen werde sich aus dem Olympischen Dorf ein "ausgeglichener Stadtteil" entwickeln. Dort solle sich später Medien- und Elektronikindustrie ansiedeln. Gegen Paris spricht, dass die Spiele 2004 in Athen und damit auch schon in Europa stattfinden. Das ist ein Vorteil für Mitbewerber Peking. Guy Drut, Mitglied des Arbeitskreises, Goldmedaillengewinner über 110 Meter Hürden in Montreal und kurz Sportminister seines Landes, sagt, "Peking ist unser härtester Gegner, mit dem Potenzial Chinas und ganz Asiens". Bébéar hält auch die anderen Kandidaten für aussichtsreich. "Jeder nennt Peking, aus geostrategischen Gründen", sagt er. "Aber man darf im Wettkampf nie glauben, dass es schlechte Konkurrenten gibt: Manchmal wird jemand Erster, von dem man es am wenigsten erwartet."

Bis Freitag stellen wir die fünf Bewerber um Olympia 2008 vor. Nach Istanbul, Osaka, Toronto und Paris folgt zum Abschluss Peking.

Andreas Bohne

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