zum Hauptinhalt
Zuschauerrolle. Uwe Gensheimer und Hendrik Pekeler mussten den jubelnden Franzosen den Finaleinzug überlassen.

© dpa/Schulze

Olympisches Handballturnier: Deutschland will jetzt erst Recht eine Medaille

Nach der dramatischen Halbfinalniederlage wollen die deutschen Handballer am Sonntag im kleinen Finale gegen Polen die Bronzemedaille holen. Unser Leben geht weiter, das hier ist keine Endstation", sagt Bundestrainer Sigurdsson.

Von Christian Hönicke

Aus der Kabine der Franzosen drangen laute Jubelschreie. Als Claude Onesta herauskam, war sein Hemdausschnitt bis unter die Brust aufgerissen. „Das waren die Mädchen“, entschuldigte sich der Trainer nicht ganz ernst gemeint mit einem verschmitzten Lächeln. Es war offensichtlich etwas heftiger zugegangen – und wer wollte es den französischen Handballern verdenken nach diesem Spiel vom Freitagabend?

In der Kabine der deutschen Nationalmannschaft war es ein wenig leiser. Viele Spieler schluchzten nach der dramatischen 28:29 (13:16)-Halbfinalniederlage gegen Frankreich. Nur Dagur Sigurdsson hatte seine Fassung nach Spielschluss schon bald wiedergefunden. „Ich habe ihnen gesagt, dass wir das schnell abhaken müssen“, erzählte der Bundestrainer. „Wir dürfen kein Drama daraus machen, wir müssen nach vorn schauen und uns bestens vorbereiten.“

Der Traum vom olympischen Gold mag vorbei sein, doch der Traum von der ersten Medaille der deutschen Handballer seit 2004 ist es noch nicht, damals gewannen sie Silber. Am Sonntag spielt Frankreich im Finale gegen Dänemark (Beginn 19 Uhr), direkt davor kämpft Deutschland gegen Polen um Bronze (15.30 Uhr). „Wir haben eine hungrige Truppe, man hat gegen Frankreich ihren Willen gesehen, den werden wir auch Sonntag sehen“, sagte Sigurdsson.

Das in letzter Sekunde verlorene Herzschlaghalbfinale gegen den zweimaligen Olympiasieger um Nikola Karabatic war bei aller Enttäuschung ein wichtiger Meilenstein für die jungen Europameister. „Das Spiel zeigt, welch große Perspektive diese Mannschaft hat“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. „Es durfte für die Franzosen keine Minute länger dauern, sonst wäre es gekippt.“

"Dieses Spiel wird uns am Ende sicher helfen"

40 Minuten lang hatte der Favorit dominiert und bereits 22:15 geführt. Die Deutschen wirkten überfordert und nervös und gewannen in der Abwehr gegen die erfahrenen Weltstars wie Daniel Narcisse kaum einen Zweikampf. „Wir haben gemerkt, dass der Gegner bärenstark ist, das ist dann schwer für eine junge Mannschaft“, sagte Sigurdsson. „Wenn die ersten zwei, drei Würfe nicht sitzen, wenn die Torhüter bei den ersten Würfen nicht wenigstens dran sind, dann kann das schwierig für den Kopf werden.“ Doch seine Spieler gaben sich auch nach dem Sieben-Tore-Rückstand nicht auf und hatten die Franzosen beim 28:28 in der 59. Minute vor der ersten Niederlage in einem olympischen K.-o.-Spiel seit 2004.

Den entscheidenden Unterschied machte diesmal noch der große Erfahrungsschatz des Gegners. „Leute wie Omeyer, Karabatic und Narcisse waren in diesem Spiel Schlüsselspieler“, sagte Sigurdsson. Narcisse war es auch, der drei Sekunden vor Schluss den Ball zum 29:28 im Tor von Silvio Heinevetter versenkte. „Um solche Spiele zu überstehen, braucht man erfahrene Spieler, genau für solche Situationen sind sie hier“, sagte Claude Onesta. Dennoch war Frankreichs Trainer beeindruckt vom Gegner: „Man hat gesehen, wie stark das deutsche Team ist, sie hätten uns fast geschlagen.“

Vielleicht haben die „Bad Boys“ schon in naher Zukunft genügend Erfahrungen gesammelt, um selbst zu gestandenen Handballern heranzureifen. Diese Hoffnung hegt bei aller Enttäuschung auch Bob Hanning. „Wenn du etwas Großes erreichen willst, brauchst du solche Spiele“, sagte er. „Und dieses Spiel hat uns sicher noch etwas stärker gemacht. Es wird uns am Ende helfen.“

Das nächste große Spiel steht bereits am Sonntag an. Die Polen verloren ihr Halbfinale ebenfalls denkbar knapp nach Verlängerung gegen Dänemark, obwohl sie als klarer Außenseiter ins Spiel gegangen waren. Die Erinnerungen an die letzte Begegnung mit dem Team von Talant Duschebajew sind noch frisch, in der Vorrunde gewannen die Deutschen 32:29. Sigurdsson mochte daraus keinen Vorteil für das kleine Finale ablesen. „Wenn man in der K.-o.-Runde noch einmal auf eine Mannschaft trifft, ist das ein völlig anderes Spiel, eine ganz andere Situation“, sagte der Isländer. „Aber alle bei uns wollen aufs Podium, da bin ich nicht der einzige.“ Mit der Bronzemedaille kann sein Team die überragende Saison zu einem feierlichen Ende führen. Sigurdsson ist zuversichtlich, dass die große Enttäuschung bis zum Anwurf aus den Köpfen gewichen ist. „Wir haben uns nach Niederlagen immer zurückgekämpft“, sagte er: „Unser Leben geht weiter, das hier ist keine Endstation.“

Zur Startseite