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Sport: Opfer der Quote

Die ARD verzichtet auf die Übertragung der German Open

Berlin. Jochen Sprentzel neigt ja eigentlich nicht zur Dramatik. Aber in diesem Fall muss sie einfach sein. „Die Quoten waren eine Katastrophe“, sagt der Fernsehmann Sprentzel, Hauptabteilungsleiter Sport beim Sender Freies Berlin. Nur 3,8 Prozent Marktanteil am Finaltag der German Open 2002 in Berlin, dem größten Damen-Tennisturnier in Deutschland. Deshalb hat die ARD in diesem Jahr dankend abgewunken. „Wir übetragen die German Open 2003 definitiv nicht live“, sagt Sprentzel. „Nur im SFB-Regionalprogramm, im Sportpalast und in der Abendschau, werden Ausschnitte kommen.“ Kurzbeiträge, mehr nicht. 2002 hatte die ARD noch stundenlang live gesendet. Bundesweit. Aber das hat ein Ende. „Wir übertragen höchstens noch in den Dritten Programmen solches Tennis“, sagt ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf.

Der ARD-Beschluss wird nun zum Riesenproblem. Für den Turnierstandort Berlin, vor allem aber für den Deutschen Tennisbund (DTB), der die German Open veranstaltet. Es spricht viel dafür, dass ab 2004 in Berlin Stars wie Jennifer Capriati höchstens noch auf Erinnerungsfotos zu sehen sind. Und viel spricht dafür, dass das Turnier ab 2004 nicht mal mehr in Deutschland stattfindet. „Ohne die ARD ist das Turnier nicht zu finanzieren“, sagt Christian Pirzer, der Geschäftsführer Deutschland des German-Open-Vermarkters IMG. Die Rechnung ist ganz einfach. Ohne garantierte Fernsehzeiten braucht IMG mit großen Forderungen bei Sponsoren erst gar nicht anzuklopfen. Und die Garantie muss selbstverständlich für einen großen Sender gelten. „Eurosport kann die ARD nicht ersetzen“, sagt Barbara Settler vom German-Open-Sponsor Eurocard.

Die German Open 2003 werden stattfinden, das steht fest. Aber ohne die ARD wird der Wettbewerb zum finanziellen Desaster. „Wir rechnen mit einem Defizit von rund 250 000 Euro“, sagt Turnierdirektor Eberhard Wensky. Die TV-Rechte sind 2002 ausgelaufen, die ARD hat nicht verlängert, damit fehlen 1,1 Millionen Euro TV-Einnahmen. Gleichzeitig aber steigt der Etat von 3,8 Millionen Euro (2002) auf 4,0 Millionen. Die Welt-Frauentennisvereinigung fordert für 2003 40 000 Dollar mehr Preisgeld als für 2002. Der DTB benötigt also noch mehr Sponsoreneinnahmen als bisher. Stattdessen aber werden große Sponsoren durch die ARD-Abwesenheit massiv abgeschreckt.

DTB-Chef Georg von Waldenfels gibt schon mal Vorwarnung. „Wenn sich das Turnier nicht rechnet, muss man sich fragen, ob man es noch ausrichten kann.“ Gleich nach dem Turnier 2003 will er Bilanz ziehen. Sieht die grausam aus, „könnte es sein, dass wir in eine Stadt gehen, in der ein Drittes Fernsehprogramm eine Sendegarantie gibt. Oder, schlimmster Fall, wir verkaufen das Turnier an einen ausländischen Interessenten.“ Alternativen? In Deutschland? Leipzig hat Interesse. Frankfurt am Main auch. Aber dazu müssen erst mal die regionalen ARD-Sender mitspielen. Ja, und dann? Dann bleibt es Regionalprogramm! „Wir brauchen schon nationale Präsenz“, sagt Barbara Settler von Eurocard. Sein Frauenturnier in Hamburg hat der DTB jedenfalls schon an Philadelphia verkauft.

Von Waldenfels versucht jetzt über politische Kontakte, die German Open wenigstens in den SFB zu hieven. Bürgermeister Wowereit soll Sender-Verantwortliche auf die Bedeutung der Spiele hinweisen. Die Zeit freilich drängt. Der Vertrag mit Eurocard endet 2003 und wird ohne Sendegarantie für 2004 kaum verlängert. Außerdem: „Mit Eurocard allein können wir das Turnier nicht finanzieren“, sagt der DTB-Chef.

Und, sagt IMG-Experte Pirzer: „Es muss schon 2003 klar sein, dass die ARD 2004 wieder einsteigt, sonst wird es extrem schwer, das Turnier zu halten.“ Doch in der ARD denkt man gar nicht daran. ARD-Tennis-Experte Hans-Jürgen Pohmann : „Es gibt im Moment keine Bestrebungen, das Turnier 2004 zu übertragen.“

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