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Sport: Opfer des Systems

In Hollands Team ist kein Platz für Patrick Kluivert

Patrick Kluivert redet im Moment nicht gerne über seine Zukunft. Genauer gesagt, redet er überhaupt nicht darüber. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Als Kluivert gestern in der Pressekonferenz der holländischen Fußball-Nationalmannschaft von einem englischen Journalisten auf einen möglichen Wechsel nach England angesprochen wurde, schritt umgehend der Pressesprecher des niederländischen Fußball-Verbandes ein und erklärte die Fragerunde für beendet. Der Fairness halber muss man erwähnen, dass es ohnehin die letzte Antwort Kluiverts hätte sein sollen. Erkundungen zu Vereinswechseln sind bei den Holländern zurzeit offiziell verboten. Vermutlich, weil man sonst nicht mehr dazu käme, die wichtigen Dinge zu behandeln.

Kluiverts Vertrag beim FC Barcelona läuft sogar noch ein Jahr, aber er hat selbst gesagt, dass er ab dem Sommer wohl nicht mehr für den katalanischen Klub spielen werde. Für eine festgeschriebene Ablösesumme von 1,8 Millionen Euro könnte er den Verein wechseln. Kluivert möchte gern nach England, der FC Middlesbrough soll sein Interesse bekundet haben. Doch das ist nicht die Kategorie, die sich jemand wie Kluivert vorstellt.

Überhaupt läuft für ihn im Moment nur wenig nach Plan. Ein freudloses Jahr liegt hinter dem Stürmer, mit Verletzungen und dem Verlust seines Stammplatzes in Barcelona. Und wenn die holländische Nationalmannschaft am Dienstag gegen Deutschland ihr erstes EM-Spiel bestreitet, wird Kluivert nur auf der Bank sitzen. Eingewechselt zu werden, „das ist nicht meine Spezialität“, sagt er.

Der 27-Jährige ist das prominenteste Opfer, das die Systemumstellung von Coach Dick Advocaat fordert. Durch die Rückkehr zu einer Grundordnung mit zwei Flügelstürmern bleibt nur noch eine freie Stelle im Angriffszentrum, und die erhält Ruud van Nistelrooy. Dass Roy Makaay nicht spielt, mag in Deutschland ein Thema sein. In den Niederlanden geht es vor allem um Kluivert, den Rekordtorschützen der Holländer, der in 79 Einsätzen 40 Tore erzielt hat. Von allen 368 für die EM nominierten Spielern hat keiner mehr Tore geschossen. „Schön“, sagt Kluivert.

Vielleicht empfindet er seine eigene Vergangenheit inzwischen als erdrückend. Kluivert war 18, als er mit Ajax Amsterdam durch ein 1:0 gegen den AC Mailand die Champions League gewann. Das Tor erzielte Kluivert. Als die Mannschaft am nächsten Tag auf dem Flughafen Schiphol in Amsterdam landete, stand seine Mutter an der Gangway und weinte.

Andere Spieler arbeiten ihr gesamtes Berufsleben auf einen solchen Erfolg hin, Kluivert hat den Höhepunkt seiner Karriere noch als Teenager erlebt. Die Erwartungen aber, die Kluivert und das junge Ajax-Team damals geweckt haben, hat er nie erfüllen können. Nicht beim AC Mailand, nicht in Barcelona und vor allem nicht in der Nationalmannschaft. Jetzt, im eigentlich besten Alter für einen Stürmer, scheint es, als verliere er seinen Platz endgültig an van Nistelrooy. Es ist eine nette Pointe, dass die beiden Ausnahmestürmer am selben Tag, am 1. Juli 1976, geboren sind. Andere Gemeinsamkeiten gibt es zwischen dem Lebemann Kluivert und dem ernsthaften van Nistelrooy so gut wie keine. Der Versuch, beide gemeinsam im Sturm spielen zu lassen, ist regelmäßig gescheitert. Warum, weiß niemand.

Im Quartier der holländischen Nationalmannschaft erfährt Kluivert in diesen Tagen, dass er in der Hierarchie des Teams immer weiter nach hinten rutscht. Als Bondscoach Advocaat vor einer Woche seine Führungsspieler zusammenrief, um mit ihnen über das leidige Taktikthema zu debattieren, gehörte Kluivert nicht dem inneren Zirkel an. „Ich wäre gerne dabei gewesen“, sagt er. Zumal er bis heute nicht über die Ergebnisse der Aussprache informiert worden sei. Advocaat sagt: „Das liegt mehr an Patrick als an mir.“

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