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Sport: Oscar Freire Gomez narrt in Verona alle Favoriten und wird Straßenweltmeister

Jan Ullrich in der Spitzengruppe wird nur AchterHartmut Scherzer So ist Radrennen. Vor allem bei der Weltmeisterschaft: "Es gewinnt nicht immer der Beste, sondern manchmal der Glücklichere", sagte Jan Ullrich, als er nach einem großen Rennen ohne den verdienten Lohn vom Rad stieg.

Jan Ullrich in der Spitzengruppe wird nur AchterHartmut Scherzer

So ist Radrennen. Vor allem bei der Weltmeisterschaft: "Es gewinnt nicht immer der Beste, sondern manchmal der Glücklichere", sagte Jan Ullrich, als er nach einem großen Rennen ohne den verdienten Lohn vom Rad stieg. Der Beste war Jan Ullrich, der Glücklichste Oscar Freire Gomez. Der kaum bekannte Spanier, 23 Jahre alt, bisher ohne bedeutenden Sieg, als Nummer 304 der Weltrangliste nur als Ersatzmann ins Team gerutscht, wurde in Verona überraschend Straßenweltmeister. Im Endspurt einer neun Fahrer starken Spitzengrupe überrumpelte der Nobody 300 Meter vor dem Ziel an der alten römischen Arena aus dem Hinterhalt die sich belauernden Favoriten. Der Schweizer Marcus Zberg wurde im Sprint Zweiter, der Franzose Jean-Cyril Robin Dritter eines packenden Ausscheidungsrennen über 260 Kilometer. Jan Ullrich rollte nach sechs Stunden und zwanzig Minuten Sattel als Achter über die Ziellinie, nachdem er beim Finale der stärkste Fahrer war.

"Ich habe versucht die Gruppe mit meinen Attacken zu sprengen. Aber das ist mir nicht gelungen", sagte Ullrich und beteuerte, auch wenn er nicht so aussah: "Ich bin nicht enttäuscht. Ich bin sehr gut gefahren und habe das Rennen mitbestimmt." Nach seinem wundersamen Comeback mit dem Sieg bei der Vuelta und dem WM-Titel im Zeitfahren demonstrierte Jan Ullrich auch in der Königsdisziplin seine große Klasse. Einer wie Oscar Freire Gomez oder der Amerikaner Bill McRae (Fünfter) fuhren im Windschatten der Großen, profitierten nur von Ullrich und der Konkurrenz der Asse. Die italienische Hoffnung Francesco Casagrande kam auf Rang vier, Titelverteidiger Oscar Camenzind (Schweiz) auf Rang sechs und der Favorit Frank Vandenbroucke (Belgien) auf Platz sieben. "Jan war der beste Mann im Finale", sagte Telekom-Teamchef Walter Godefroot, "aber wenn alle Favoriten zusammen sind, hängt man sie nicht ab." Ullrich bedankte sich bei der Mannschaft: "Sie hat mich lange aus dem Wind gehalten. So konnte ich Kräfte für das Finale sparen."

Zum Rennen. Erste Aufregung auf der sechsten der 16 Runden nach gut zwei Stunden: Auf der Ponte Risorgimento lag der Fünf-Sterne-Favorit ("Gazzetta dello Sport") Vandenbroucke plötzlich auf der Straße. Auf der siebenten Runde die erste Ausreißergruppe: Sechs Fahrer setzten sich beim Anstieg zum Torricelle ab. Ein kurzes Abenteuer. Das Tempo wurde schärfer. Auf Runde zehn zog der Deutsche Andreas Klöden wie eine Lokomotive das Feld den Berg hinauf und teilte das Peloton in zwei Haufen. Schlickau war einsamer Nachzügler und gab nach 162 km wie auch Schweda auf, Grabsch, Baldinger und Voigt ebenso.

Andrea Tafi eröffnete auf der elften Runde die italienischen Attacken und griff immer wieder an. Das eigentliche Rennen begann, die Hauptgruppe schrumpfte von Runde (16,25 km) zu Runde. Vom deutschen Team stiegen auch Hondo, Jaksche, Klier und Niemann vom Rad. Einer der beiden italienischen Kapitäne, Rebellin, stürzte und gab auf. Ruhig und abwartend trat Ullrich vorne im Feld seinen Rhythmus, hatte alles unter Kontrolle. Der großartige Klöden, zusammen mit Aldag letzter Helfer des deutschen Kapitäns, beendete als Tempobolzer an der Spitze den dritten Fluchtversuch des unermüdlichen Tafi. Ein Sextett, die Schweizer Zülle und Titelverteidiger Camenzind, (Italien), Robin (Frankreich), Celestino (Italien), Den Bakker (Holland) und Martin (Spanien) beendeten die 14. Runde 32 Sekunden vor der nur noch kleinen Favoritengruppe mit Ullrich und Vandenbroucke. Eine Vorentscheidung 32 Kilometer vor Schluss?

Mitnichten. Ullrich nahm die Verfolgung beim vorletzten Anstieg selbst in die Beine, Casagrande, Vandenbroucke und Boogard dahinter. Die Sechs wurden eingeholt. Elf Mann an der Spitze traten zur letzten Runde in die Pedale. Ullrich forcierte das Tempo den Berg hinauf. Doch nur Boogard und Celestino konnte er abschütteln. Ullrich führte die Spitzengruppe auch zurück in die Altstadt und auf die Zielgerade. Dann überrumpelte Freire Gomez auf dem Corso Porta Palio die Stars. Ein Oscar für Frechheit. © 1999

Hartmut Scherzer

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