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Ostdeutsche Klubs: Im Tal der Titellosen

Um die ostdeutschen Sportvereine ist es insgesamt schlecht bestellt. Sie leiden unter fehlenden Sponsoren – und immer noch unter den Auswirkungen der DDR-Sportpolitik.

Es hätte auch schlimmer kommen können für Sachsen. Im Gegensatz zu Sachsen-Anhalt ging 2012 immerhin eine Deutsche Meisterschaft an den Freistaat – und zwar an die Sitzballer der SG Leipzig Plauen. Während sich in Berlin diverse Titelträger tummeln und sich der Großteil der Gewinner ansonsten auf den Westen Deutschlands verteilt, sieht es in den neuen Bundesländern ziemlich mau aus, wenn man nach Titeln im Mannschaftssport des vergangen Jahres schaut.

Karsten Döring ist Präsident des 2000 gegründeten Thüringer HC. Der Frauen-Handball-Bundesligist hat dieses Jahr zum dritten Mal in Folge die deutsche Meisterschaft gewonnen, Döring nennt ihn das „Flaggschiff des thüringischen Mannschaftssports“, aber auch einen Ausreißer. „Wir spielen in der Spitze. Danach kommt lange nichts.“ Manche Klubs müssen sogar Insolvenz beantragen, so wie kürzlich der Frankfurter HC, der Deutsche Meister von 2004. Schuld daran seien die „materiellen Gegebenheiten", erklärt Döring und meint damit die schwierige Finanzsituation vieler Vereine im Osten. Den Erfolg des Thüringer HC führt er nicht zuletzt darauf zurück, dass die Region den Sport unterstütze, auch finanziell. „Würde sich unser Budget ausschließlich aus staatlichen Fördertöpfen zusammensetzen, wir würden nicht einmal eine Woche überleben“, mutmaßt Döring.

Die Mannschaftssportarten in Deutschland finanzieren sich größtenteils durch private Sponsoren. Dabei scheint es einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Leistungskraft des Standortes und sportlichem Erfolg zu geben. In entsprechenden Bundesländerrankings belegen die neuen Bundesländer die hinteren, Bayern und Baden-Württemberg die vorderen Plätze. Abgesehen von Nordrhein-Westfalen und Berlin geht die Formel „wirtschaftlicher Wohlstand gleich sportlicher Erfolg“ also auf.

Zwar sind auch in den neuen Bundesländern finanzstarke Unternehmen und damit potenzielle Sponsoren vorhanden. Davon merken die meisten Vereine jedoch recht wenig. Michael Eisel, Präsident des Zweitligisten VC Bitterfeld-Wolfen, kann ein Lied davon singen. Obwohl die Volleyballer die Saison auf dem vierten Tabellenplatz beendet haben, käme ein Aufstieg unter den derzeitigen Voraussetzungen nicht in Frage. „Wir könnten es uns schlichtweg nicht leisten.“ Für den Aufstieg in die Bundesliga müsste Bitterfeld-Wolfen hauptamtliche Mitarbeiter einstellen, für die der Verein gegenwärtig kein Geld hat – und das trotz eines Industrie-Parks mit mehr als 60 Firmen vor der Haustür. Die direkte Ligakonkurrenz aus Schöneiche hat für die bevorstehende Saison keine Lizenz beantragt, „aus wirtschaftlichen Gründen“, wie es auf der Vereinshomepage heißt.

Thomas Popiesch, Eishockey-Trainer der Dresdener Eislöwen, vermutet, dass der SED-„Leistungssportbeschluss“ von 1969 immer noch nachwirkt. Ausgewählte Disziplinen wurden im Hinblick auf die Olympischen Spiele 1972 in München besonders gefördert, Eishockey und Basketball, als „amerikanische“ Sportarten in der Öffentlichkeit ohnehin weniger präsent, verschwanden dagegen in der Versenkung. Nach der Wiedervereinigung hätten sich viele Vereine mit der neuen Situation außerdem schwer getan: „Es gab zu viel Geld, aber keine Lernphase, damit richtig umzugehen.“

Wie die ostdeutschen Klubs versuchen, konkurrenzfähig zu sein

Heute fehlt dieses Geld oder landet woanders. „Die Wende liegt mittlerweile 23 Jahre zurück, aber der Osten hinkt im Sponsoring immer noch hinter her“, bilanziert Eisel. Mittelständische Unternehmen im Westen seien öfter bereit, einen Anteil des erwirtschafteten Gewinns in Form von Sponsoring an die Region zurückzugeben. Unternehmen wie etwa Volkswagen oder Bayer seien zwar finanzkräftig, aber im Osten nicht investitionsfreudig. „Viele Firmen haben ihren Stammsitz im Westen und engagieren sich dort anstatt im Osten“, kritisiert Eisel.

Ulf Tippelt, Generalsekretär des Landessportbundes Sachsen, bestätigt diese Einschätzung. Während Vereine im Westen namhafte Sponsoren akquirieren könnten, seien ihre Kontrahenten im Osten auf mittelständische Unternehmen angewiesen. Das Problem ist: Die gibt es kaum. Den Druck, neue Sponsoren an Land zu ziehen, verspürt auch der Basketball Club Weißenfels, der sich inzwischen aus Marketinggründen Mitteldeutscher BC nennt. Um Sponsoren aufzutun, wird der Verein in der Saisonvorbereitung deshalb zwei Testspiele in Leipzig absolvieren.

Im Fußball verfügen selbst Vereine aus unteren Spielklassen zwar über einen höheren Etat, doch im Vergleich mit den etablierten Klubs aus dem Westen ist das immer noch ziemlich wenig. Eine Ausnahme ist der Drittligist RB Leipzig, den der österreichische Hauptsponsor Red Bull vollständig alimentiert. „Leipzig ist auf den ersten Blick eine prosperierende Stadt“, sagt RB-Geschäftsführer Ulrich Wolter. „Aber ihre Wirtschaftsleistung liegt hinter der von Duisburg.“ Vorbehalte gegenüber der Vereinspolitik wiegelt Wolter ab. Es sei doch wünschenswert, dass sich ein talentierter Nachwuchsspieler zukünftig anstatt für Bayer Leverkusen für RB Leipzig entscheide.

Um trotz geringerer Sponsoreneinnahmen konkurrenzfähig zu sein und dem Abwandern von Talenten entgegenzuwirken, setzen ostdeutsche Vereine mittlerweile verstärkt auf die Jugendarbeit. Sie festigen dadurch ihre Bedeutung als „Talentschmiede für ganz Deutschland“, wie Ulf Tippelt betont. Während der Mitteldeutsche BC in Weißenfels mit Sportschulen und Unternehmen kooperiert, bietet der Thüringer HC seinen Handballerinnen ein Komplettpaket an. „Wir stellen Sportinternat und Stipendien und kümmern uns um Schule, Nachhilfe-Unterricht und den Studienplatz“, erläutert Karsten Döring das Konzept.

Thomas Popiesch hingegen glaubt, dass die neuen Bundesländer künftig vor allem in Randsportarten national punkten werden. Er könnte Recht haben. Auch 2013 ging die Deutscher Meisterschaft im Sitzball an die SG Leipzig Plauen.

Johanna Behre

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