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© dpa

Ostermaier über Klinsmann: Bayern München: Eine Hoffnung verloren

Der Dramatiker und Bayern-Fan Albert Ostermaier schreibt über Klinsmanns Scheitern, die vorgetäuschte Wirklichkeit im Umfeld des Trainers und wieso mit Louis van Gaal alles besser werden könnte.

Ich bin mit dem zweiten Platz zufrieden. Selbst ich als Fan finde, dass die Bayern den Titel aus der Dramaturgie der Saison heraus nicht verdient hätten. Denn in dieser Saison sollte es doch um etwas anderes gehen – um Hoffnung. Sie wurde enttäuscht.

Die Person Jürgen Klinsmann war verbunden mit der Hoffnung auf einen neuen Wind im Spiel der Bayern, dass sie unter ihm den Offensivfußball spielen, den die Fans sich immer erträumt haben. Es sollte etwas Neues entstehen, moderner Fußball, vielleicht sogar die Idee eines Gesamtkunstwerkes. Nur hatte die Mannschaft keine Idee von sich. Und das hat kein gutes Licht auf Klinsmann geworfen.

Er hat geglaubt, dass er all das schon kann, was er als Vision im Kopf hatte, dass er all das in der täglichen Arbeit umsetzen kann. Nur hatte er einen Kotrainer aus Mexiko, der nicht die Erfahrung in der Bundesliga hatte. So entstand da, wo früher in der Nationalmannschaft Joachim Löw war, eine Leerstelle. Man hat auf dem Platz gesehen: Da zerreißt sich keiner.

Ich glaube, dass Klinsmann bis zum Schluss ausgeblendet hat, dass das mit der Meisterschaft unter ihm nicht mehr hingehauen hätte. Er selbst hat mal vor dem „fake environment“ gewarnt. Und ich glaube, dass er genau das um sich herum aufgebaut hatte: einen Kontext, in dem alle Ja sagen, in dem eine vorgetäuschte Wirklichkeit entsteht. Hinzu kommt, dass Klinsmann jede Ironiefähigkeit abgeht.

Aber so weiß ich nicht, bei welchem Spieler man irgendeinen Fortschritt gesehen hätte, was Klinsmann als Anspruch formuliert hatte. Seinem Ideal hätte eine Klinsmann-Klonelf entsprochen. Aber bei Bayern spielen viele Profis, die sich nicht nach seinem Spiegel formen lassen. Luca Toni oder Franck Ribéry sind keine jungen, hungrigen Spieler, die lernbegierig sind, die verschiedene Sprachen können wollen. Die sind nur über Autorität und Respekt gewinnbar. Und dann ist es egal, in welcher Sprache du sie ansprichst.

Gerade fußballerisch hat Klinsmann die Autorität gefehlt. Auffällig war, dass die Bayern durch die Bank gegen Mannschaften verloren haben, die taktisch versiert waren, die reagiert haben auf die Stärken der Bayern.

Dass Klinsmann so schnell die Herzen und die Geduld der Fans verliert, liegt an seiner Geschichte: wie er Kahn gekillt hat, wie er Sepp Maier gekillt hat und wie er dann mit van Bommel und Müller-Wohlfahrt umgegangen ist. Das sind Leute, die für Bayern stehen, die für Kompetenz stehen. Diese Härte hat er dann, als es nicht lief, mit voller Wucht zurückbekommen.

Aber die Zeit mit Klinsmann war nicht völlig verkehrt: Es war richtig, dass der Verein sich in zentralen Punkten hat überdenken lassen. Der Verein hat erkannt, dass er sich einer Zeitenwende stellen muss. Das kann zusammen mit Louis van Gaal funktionieren. Der hat auch große Ansprüche, aber er hat auch wirklich ein Konzept von Fußball und trainiert entsprechend. Außerdem verbindet er das mit einer gewissen Autorität.

Was die Bayern jetzt brauchen, ist zu sagen: Das ist meine Vision von Fußball, und ich hole mir nicht einfach so gute Spieler, sondern genau die Spieler, die dafür nötig sind. So wie es Barcelona macht oder im kleineren auch Hoffenheim.

Albert Ostermaier ist Lyriker und Dramatiker. Gerade hatte im Berliner Ensemble sein neues Stück „Blaue Spiegel“ Premiere. Der gebürtige Münchner ist auch Torwart der Autoren-Nationalmannschaft. Sein Text wurde aufgezeichnet von Sebastian Krass.

Albert Ostermaier

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