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Das war sein zweiter Streich: Ottmar Hitzfeld nach dem Triumph mit den Bayern gegen Valencia.

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Ottmar Hitzfeld im Interview: "Das ist der Clasico der Neuzeit"

Ottmar Hitzfeld gewann als Trainer mit Dortmund und den Bayern die Champions League. Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht er über neue Machtverhältnisse im europäischen Fußball und über seine Sympathien für seine beiden ehemaligen Klubs.

Herr Hitzfeld, Borussia Dortmund und Bayern München stehen im Finale der Champions League. Die Bayern siegten 7:0 in zwei Spielen gegen Barcelona. Hätten Sie das für möglich gehalten?
Das ist eine gewaltige Explosion im internationalen Fußball. Es spricht für sich, wenn man 3:0 im ausverkauften Camp Nou gewinnt, bei der zuletzt besten Mannschaft der Welt. Wir haben in diesen Spielen eine Wachablösung im internationalen Fußball gesehen. Barça hat die letzten Jahre dominiert. Aber sie haben sich müde gespielt, und wohl auch den Hunger verloren. Jetzt etabliert sich Bayern als Topmannschaft Nummer eins in Europa.

Woran machen Sie das fest?
Bayern steht jetzt zum dritten Mal in vier Jahren im Champions-League-Finale. Sie können sich einen Transfer von 30, 40 oder 50 Millionen leisten. Ich sehe die Bayern als Favoriten für die nächsten Jahre. Sie haben eine hervorragende Mannschaft, einen hervorragenden Kader. Und er wird mit Götze und Guardiola ja noch einmal verstärkt.

Aber für den neuen Trainer Josep Guardiola wird es nicht so einfach, wenn Bayern dieses Jahr alle drei Titel abräumt.
Natürlich ist das nicht so einfach. Auf der anderen Seite spricht das für die Qualität des Vereins. Guardiola übernimmt einen Verein, der intakt ist und grandiose Perspektiven hat. Und die Mannschaft umkrempeln muss er nicht, er muss nur die äußerst erfolgreiche Arbeit von Jupp Heynckes fortführen.

Können Sie sich vorstellen, dass Jupp Heynckes zum FC Barcelona wechselt?
Mit den Erfolgen dieser Saison und nach dem Auftritt in Barcelona kann sich Jupp Heynckes die Vereine in ganz Europa wahrscheinlich aussuchen. Barça hatte null Chancen, das ist das Werk von Jupp Heynckes. Natürlich macht ihn das speziell für sie interessant. Ich habe allerdings keine Ahnung, was er will.

Lesen Sie auf der nächsten, wen Ottmar Hitzfeld im Finale favorisiert und warum.

Die Bayern sind hungrig geworden - und der Hunger ist noch lange nicht gestillt

Wer ist im Finale der Favorit?
Bayern ist Favorit, für sie spricht die Erfahrung in wichtigen internationalen Spielen. Aber es ist ein Duell auf Augenhöhe. Zuletzt hat zwar Bayern einmal 1:0 gewonnen, aber zuvor hat Dortmund eine ganze Reihe wichtiger Spiele gegen Bayern gewonnen. In meinem Finale damals mit Dortmund gegen Juventus waren wir auch nicht Favorit und haben es geschafft. So ein Spiel entscheidet die Tagesform, die Nervenstärke und wer in Führung geht.

Was spricht denn rein sachlich für Dortmund? Die größere Leidenschaft?

Die Leidenschaft ist bei beiden Mannschaften auf einem sehr hohen Niveau. Bei den Bayern war es in den vergangenen beiden Spielzeiten nicht so, aber sie sind viel hungriger geworden. Und der Hunger ist noch lange nicht gestillt.

Hat das vor allem etwas mit dem verlorenen Finale im vergangenen Jahr zu tun?
Das hat was mit diesem Finale, aber auch den verpassten Meisterschaften zu tun. Wenn es keine Titel gibt, schrillen bei Bayern die Alarmglocken. Dann investieren sie. Genau das zeichnet die Bayern aus. Man handelt und tritt in Aktion. Diese Mentalität ist das Werk von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge.

Die Steuer-Affäre um Uli Hoeneß scheint der sportlichen Leistung nicht zu schaden.
Das schärft die Sinne. Der Verein steht noch mehr unter Druck, alle sind noch enger zusammengerückt. Sie versuchen, Uli Hoeneß zu helfen. Und das schaffen sie mit solch grandiosen Leistungen wie gegen Barça am besten

Dieses Thema ist ja zuletzt auch durch den Transfer von Mario Götze und den möglichen Wechsel von Robert Lewandowski zu den Bayern in den Hintergrund getreten. Werden die beiden im Finale gehemmt sein?
Genau das Gegenteil ist der Fall, das ist noch mal eine Extramotivation. Man will sich erfolgreich verabschieden und ein Denkmal setzen. Wenn du als Champions-League-Sieger zu deinem neuen Verein gehst, ist dein Renommee besser als wenn du als Verlierer kommst.

Ist das Duell Bayern gegen Dortmund ein Clasico wie der zwischen Real und Barça?
Das ist ganz klar der Clasico der Neuzeit, spätestens mit diesem Finale. Dortmund war zuletzt zweimal Deutscher Meister, Bayern ist Rekordmeister. Und mit den Einnahmen der Champions League in diesem Jahr wird sich das festigen. Jürgen Klopp macht einen fantastischen Job. Er ist der Baumeister des Erfolgs. Außerdem hat Dortmund in den letzten Jahren mit weniger Geld als die Bayern schon Supertransfers gemacht. Man muss sich mal überlegen, welche Spieler sie in den letzten Jahren abgeben mussten und erfolgreich ersetzt haben.

Mit den Bayern haben Sie 2001 als Champions-League-Sieger den letzten internationalen Fußball-Titel nach Deutschland geholt. Zuvor hatten Sie 1997 schon mit Dortmund gewonnen. Kommen bei Ihnen in diesen Tagen öfter Bilder aus diesen Tagen hoch?
Schon wenn ich die Musik vor dem Spiel höre, kommen die Bilder hoch, und natürlich wird man jetzt permanent danach gefragt. Besonders erinnere ich mich an die Glücksmomente, als wir dann gewonnen hatten. So ein Finale ist ja speziell für Trainer und Spieler auch mit Druck verbunden. Wenn man ins Finale einzieht, will man auch als Sieger vom Platz. Es gibt nichts Schlimmeres, als ein Finale zu verlieren. Da ist es besser, gar nicht im Endspiel gewesen zu sein.

Man muss die richtigen Worte finden

Was könnten die beiden Trainer denn vor dem Finale zur Ausgangsposition sagen?
Jürgen Klopp könnte sagen: Wir haben die einmalige Chance, etwas Großes zu schaffen. Wir haben schon jetzt mehr erreicht, als wir jemals geträumt haben. Sie können den Schwung mitnehmen und die Sensation schaffen. Jupp Heynckes könnte sagen: Wir haben zweimal zuletzt das Finale verloren, jetzt gehört der Pott uns.

Wie wichtig ist die Ansprache eines Trainers vor dem Finale?
Man muss vor so einem großen Spiel die richtigen Worte finden. Die Mannschaft eher bremsen, denn die Motivation ist sowieso riesig. Man muss sie auch auf Situationen vorbereiten, wenn es nicht so läuft. Man kennt ja seine Spieler und muss sie einzeln ansprechen. Aber man muss sich vor so einem Finale auch nicht erfinden – am Ende ist es auch nur ein Spiel.

Haben Sie einen Tipp, wie es ausgeht?
Ich mag nicht, ich bin neutral. Beide Vereine sind mir ans Herz gewachsen. Die Situation ist doch ein Traum für den deutschen Fußball. Es ist höchste Zeit, dass ein deutscher Verein die Champions League gewinnt. Und zumindest das ist ja sicher.

Wo sehen Sie die Gründe für den Aufschwung des deutschen Fußballs?
Deutschland hat eine enorme Entwicklung gemacht. Dabei profitiert man auch von den DFB-Jugendzentren. Die deutsche Nationalmannschaft spielt Kombinationsfußball auf höchstem Niveau.

Reicht das, um auch auf Nationalmannschaftsebene endlich einen Titel zu holen?
Natürlich werden diese Erfolge in der Champions League Auswirkungen haben. Die Spieler nehmen das Selbstvertrauen und das Selbstverständnis aus diesen Spielen gegen Barça und Real mit. Sie haben die bislang besten Mannschaften der Welt ausgeschaltet. So wird auch die deutsche Nationalmannschaft mit breiter Brust gegen Spanien antreten und auch dort auf die Wachablösung drängen. Deutschland hat beste Chancen auf einen großen Titel.

Lars Becker

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