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Großer Sport: Goldmedaillengewinner Jochen Wollmert (l.) tröstet nach dem Tischtennisfinale den unterlegenen Engländer William Bayley.

© dpa

Paralympics 2012: Wollmert holt zum dritten Mal Tischtennis-Gold

Der Weg zu Gold ist lang. Tischtennisspieler Jochen Wollmert ist ihn in London zum dritten Mal bis zum Ende gegangen. Doch die Konkurrenz aus dem eigenen Land ist dem Routinier schon auf den Fersen.

Der Weg aufs Treppchen ist kurz. Der Weg zur Goldmedaille ist dagegen lang. Jochen Wollmert, dreifacher Paralympics-Sieger in der Wettkampfklasse 7, ist ihn bereits zum dritten Mal gegangen. Und trotzdem gab es für ihn nach dem 3:1-Sieg über den Briten William Bayley kein Halten mehr: Von seinen Gefühlen übermannt schnappte er sich eine Deutschland-Fahne und drehte eine Ehrenrunde durch das Excel-Center. Gold ist eben doch kein Selbstläufer. Sogar Wollmert selbst hatte Zweifel an seinem Erfolg gehabt: "Es war zwar mein Wunsch, ins Finale zu kommen gegen den Lokalmatador, aber wenn man mir das vorher gesagt hätte, hätte ich nicht daran geglaubt. Es ist natürlich fantastisch gewesen, hier die Stimmung mitzunehmen."

Am Ende bejubelte das Publikum auch ihn – längst hatte er die Sympathien der rund 6.000 überwiegend britischen Zuschauer gewonnen. Denn wie schon im Halbfinale hatte der Team-Älteste nicht nur in sportlicher, sondern vor allem in menschlicher Hinsicht Größe gezeigt: Erneut verzichtete er auf einen umstrittenen Punktgewinn, was seine Niederlage im zweiten Satz einleitete.

Als Wollmert am Ende den Matchball zum 11:5 im dritten Satz versenkt hatte, zerplatzte für seinen Gegner Bayley ein Traum: Schluss, Aus, vorbei – Silber statt Gold beim ganz persönlichen Heimspiel für den Londoner. Bayley sank zu Boden und weinte bitterlich. Bevor sich Wollmert dem Feiern widmete, ging er zu seinem Kontrahenten, kniete neben ihm nieder und spendete Bayley unter dem tosenden Applaus der Zuschauer Trost.

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Schließlich kennt auch er das Gefühl Zweiter zu werden: 1996 und 2004 musste er sich mit Silber begnügen. Umso größer war nun die Genugtuung, die Goldmedaille verteidigt zu haben. Schon vor dem Endspiel hatte Wollmert zurückgeblickt: "Du musst halt gucken, dass du auf den Punkt fit bist. Ich glaube, ich habe es wieder geschafft. Es waren vier harte Jahre, in denen ich auch viel Verzicht üben musste, in denen mir auch viele ein Bein gestellt haben und ich mich trotzdem irgendwie durchgekämpft habe."

Dass am Ende die Erfahrung den Ausschlag zum Sieg über den 24-jährigen Briten gegeben hat, bezweifelt er allerdings: "Im Finale kann man vielleicht ein paar Punkte damit machen, aber dass man das Finale deshalb gewinnt, glaube ich nicht."

Schon vor dem Finaleinzug stand fest, dass Wollmerts grandiose Serie halten würde. Bei sechs Paralympics stand er jedes Mal im Einzel auf dem Treppchen – und dazu vier Mal mit dem Team. Zum zweiten Mal in Folge gewann er nun Gold.

Wie schon Wollmert 1992 bei seinem Debüt in Barcelona holte auch der 20-jährige Neuling Thomas Schmidberger am Sonntagvormittag Bronze. Im Gegensatz zu Wollmert hatte der Debütant aber eine herbe Enttäuschung zu verkraften. Als Weltranglistenzweiter zählte er naturgemäß zu den Favoriten auf eine Goldmedaille, die er durch eine deutliche wie unnötige 0:3-Halbfinalniederlage gegen den Serben Zlatko Kesler verpasste. Umso überzeugender war dann sein 3:1-Erfolg über den Franzosen Florian Merrien im kleinen Finale. Ein versöhnlicher Abschied für den querschnittsgelähmten Rollstuhlfahrer, der als große deutsche Nachwuchshoffnung gilt.

Die Fußstapfen von Jochen Wollmert sind groß. Aber Schmidberger ist ja auch noch 9 Jahre jünger als der Routinier bei seiner ersten Teilnahme. Dass er 2016 in Rio noch einmal an den Start geht, will Wollmert nicht ausschließen. Wenn alles nach Plan läuft, ist auch Schmidberger wieder dabei. Sein Ziel wird dann die Goldmedaille sein. Jochen Wollmert ist ein Vorbild und gleichzeitig eine Warnung: Der Weg zu Gold ist lang. Umso schöner das Gefühl, wenn man ihn erfolgreich gegangen ist und die Bundeshymne hört. Wollmert: "Es läuft einem ein Schauer kalt den Rücken runter und man hat Tränen in den Augen."

Benjamin Scholz

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