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Paralympics: Kleines Handbuch der Stereotype

"Einige Körperbehinderte sind isoliert, unsozial und introspektiv": Die Anweisungen für Paralympics-Helfer sorgen mit beleidigenden Stereotypen für einigen Wirbel.

Vieles ist unfreiwillig lustig im Trainingshandbuch für die 100 000 Helfer bei den Olympischen Spielen in Peking. Zum Beispiel die Anweisung zum Händeschütteln: „Strecke den Arm auf natürliche Weise nach vorne, mit einem Sechziggradwinkel zwischen Körper und Arm. Die Handfläche sollte nach oben zeigen, der Daumen von den anderen Fingern getrennt sein.“ Der Händedruck solle drei bis fünf Sekunden dauern. Zudem empfiehlt das Buch für gesellschaftliche Anlässe einen Abstand zum Gegenüber von 1,20 bis 3,60 Meter. Doch es gibt auch Anweisungen, die weniger witzig sind.

Auf rund 20 Seiten enthält das offizielle Übungshandbuch für Olympiahelfer beleidigende Stereotype über paralympische Athleten. „Beispielsweise sind einige Körperbehinderte isoliert, unsozial und introspektiv, sie sprechen normalerweise nicht freiwillig mit Leuten“, heißt es darin. „Sie können eigensinnig und kontrollierend sein.“ Oder: „Manchmal sind sie übermäßig empfindlich, vor allem wenn sie verkrüppelt oder behindert genannt werden.“ Der Direktor der Paralympischen Spiele, die vom 6. bis 17. Septemberin Peking stattfinden, nennt Gründe für den seltsamen Text. „Es liegt wohl am kulturellen Unterschied und einer Fehlübersetzung“, sagt Zhang Qiuping.

„Das ist nicht der richtige Ton“, sagt Steffi Klein, Sprecherin des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), „es ist nicht der Standard der Sprache, den wir haben und den wir benutzen wollen.“ Gegenwärtig versucht das IPC mit dem Pekinger Organisationskomitee Bocog herauszufinden, wo der Fehler lag. Die Veröffentlichungen des Pekinger Organisationskomitees der Paralympischen Spiele hätten allesamt ein gutes Niveau, sagt Klein. Das Handbuch aber ist vom „Bocog Volunteer Department“ herausgegeben worden. „Die Intention des Handbuchs ist eine gute Sache“, sagt Klein, „nur die Umsetzung ist nicht gelungen.“

Die beanstandeten Seiten standen gestern bereits nicht mehr auf Englisch zur Verfügung, doch eine chinesische Version ist weiterhin online. „Mit nahezu den gleichen Stereotypen“, wie die Nachrichtenagentur AP bemerkt. Ist der seltsame Ton im Handbuch ein Zeichen dafür, dass die gesellschaftliche Gleichberechtigung für Chinas 83 Millionen behinderte Menschen weiterhin ungenügend ist? „Das glaube ich nicht“, sagt Steffi Klein, „wir haben in den letzten sieben Jahren in China erhebliche Fortschritte erlebt, das Pekinger Organisationskomitee liefert sehr viele positive Beispiele.“ Sämtliche Veranstaltungsstätten sind behindertengerecht ausgebaut, auch die Große Mauer und die Verbotene Stadt können inzwischen von Rollstuhlfahrern befahren werden.

Womöglich aber ist das westliche Konzept der Political Correctness in China noch nicht sehr ausgeprägt. Dabei versucht die Regierung, mit Erziehungs- und Zivilisierungskampagnen einen guten Eindruck bei den ausländischen Besuchern zu hinterlassen. Das missglückte Handbuch dürfte die Imagekampagne zurückwerfen. Ein weiterer Satz darin lautet: „Die Helfer sollten ihre Hilfe auf der Basis von Gleichheit und beiderseitigem Respekt anbieten.“ An diese Empfehlung hätte sich der Autor besser halten sollen.

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