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Sport: Passfälschungen im Profifußball: Torgefährliche Enkel

Das beste am Fußballprofi Claudio Pizarro ist sein Großvater. Nicht, weil der besonders gut Fußball spielen konnte, darüber gibt es ungenaue Angaben.

Das beste am Fußballprofi Claudio Pizarro ist sein Großvater. Nicht, weil der besonders gut Fußball spielen konnte, darüber gibt es ungenaue Angaben. Großvater Pizarro ist Italiener, und das macht seinen torgefährlichen Enkel besonders begehrt für reiche europäische Fußballvereine. Der italienische Opa macht aus Claudio einen EU-Bürger. Und als ein solcher belastet er nicht das Ausländerkontingent eines Vereins. Eigentlich, also von Geburt her, ist Claudio Pizarro Peruaner. Und ein guter Fußballer dazu. In Peru hielten sie ihn für den legitimen Nachfolger des legendären Teófilo Cubillas. Dort spielt Pizarro nun nicht mehr. Vor eineinhalb Jahren machte Werder Bremen das Rennen um den torgefährlichen Mann.

Nun ging es offenbar bei vielen Kollegen Pizarros nicht ganz so reibungslos zu. Der halbe europäische Spitzenfußball ist aufgescheucht. Seit einem halben Jahr mehren sich Meldungen, wonach vorzugsweise Spielern südamerikanischer Herkunft nachgewiesen werden konnte, sich einen zweiten Pass erschlichen zu haben. Grund dafür ist eine beispielsweise in Italien, Frankreich oder Spanien geltende rigide Ausländerregel. Nach dieser dürfen nur drei so genannte Nicht-EU-Ausländer gleichzeitig auf dem Platz stehen. Als Nicht-EU-Ausländer zählen nach dortigem Ermessen jene Spieler, die keine Staatsbürgerschaft eines der 15 EU-Staaten oder der zum erweiterten Wirtschaftsraum zählenden Länder Norwegen, Island und Liechtenstein haben. In südeuropäischen Ligen hat das wiederum dazu geführt, dass nicht nur Südamerikaner nach entsprechenden Vorfahren suchen, sondern auch Spieler aus europäischen Nicht-EU-Staaten wie Polen, Kroatien oder Russland.

In der Bundesliga ist bisher noch kein Fall bekannt, in dem ein Spieler mit einem gefälschten Pass gespielt hätte. Volker Nickchen von der Ligadirektion des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt am Main hält zwar einen solchen Fall nicht für ausgeschlossen, doch gebe es grundsätzlich weniger Veranlassung dazu. Denn der DFB unterscheidet nicht zwischen EU- und Nicht-EU-Bürgern, sondern nur zwischen Europäern und Nicht-Europäern. "Für uns gilt die Mitgliedschaft in der Europäischen Fußball-Union", sagt Nickchen. Derzeit verfügt die Uefa über 51 Mitgliedsverbände, darunter beispielsweise auch der israelische und georgische Verband, obwohl beide Länder geographisch zu Asien zählen. Ein Klub darf höchsstens drei Profis gleichzeitig einsetzen, die nicht aus diesen Ländern kommen. Durch diese milde Ausländer-Regel ist die Auswahl in der Bundesliga viel größer. Die drei Ausländerplätze sind bei weitem nicht so wertvoll wie etwa in Italien. Nickchen: "Borussia Dortmund beispielweise könnte mit elf Polen auflaufen. Trotzdem kann ich meine Hand natürlich nicht dafür ins Feuer legen, dass es bei uns keine Fälschungen gibt." Doch die Versuchung, sich auf illegalem Weg eine Spielgenehmigung für Deutschland zu beschaffen, hält sich in sehr viel überschaubarerem Rahmen als anderswo. Diese Regelung des DFB gilt seit 1995. Damals brachte der Europäische Gerichtshof mit dem Bosman-Urteil Bewegung in das starre Gefüge der Ablösesummen und Ausländer-Kontingente. Es ermöglichte die Freizügigkeit der fußballspielenden Arbeitnehmer in der EU. In Deutschland und anderen Ländern wurde es auf den gesamten Uefa-Bereich ausgedehnt.

In der vergangenen Woche erhielt aber auch der DFB Post von der Fifa. Der Fußball-Weltverband fordert darin alle nationalen Verbände auf, die Pässe von ausländischen Spielern mit doppelter Staatsbürgerschaft zu überprüfen. Der DFB schickte das Schreiben gleich weiter an die betroffenen Klubs. In der Ersten Bundesliga sind das elf Vereine (siehe Kasten). Ein entsprechendes Schreiben wird nun auch bei Werder Bremen eintreffen. "Wir verlassen uns natürlich auf die Papiere, die uns vorgelegt werden", sagt Werders Sportdirektor Klaus Allofs. Als er noch selbst spielte, war alles sehr viel einfacher - also schwieriger für die Spieler. In den großen europäischen Ligen durften damals jeweils nur zwei Ausländer spielen. "Ich halte die Reaktion sowohl der Fifa als auch des DFB für normal", sagt Allofs. "Bei Claudio Pizarro wussten wir logischerweise vorher, dass er italienische Vorfahren hatte und deswegen auch einen zweiten Pass hat."

Die gängige Praxis sieht derzeit so aus: Verpflichtet ein Bundesligist einen nicht-europäischen Spieler, der über eine zweite, das Ausländerkontingent nicht belastende Staatsbürgerschaft verfügt, muss er diese vorlegen. "Die Beweislast obliegt dem Verein", sagt Nickchen, "es ist weder unsere Aufgabe, noch verfügen wir über die Möglichkeiten, die Berechtigung der zweiten Staatsbürgerschaft zu überprüfen." Der DFB verlangt lediglich eine Kopie der entsprechenden Pässe. Der Verein hat sich zuvor mit der zuständigen Ausländerbehörde auseinanderzusetzen.

Etwas anders verhält es sich mit den so genannten Fußball-Deutschen. Diesen Status erlangt ein Spieler, der vor seiner Verpflichtung einige Jahre ununterbrochen in Deutschland gespielt hat oder aber mindestens drei Jahre im Nachwuchs eines deutschen Vereins aktiv war. Das jüngste Beispiel ist die Einbürgerung des Wolfsburgers Jonathan Akpoborie. Der gebürtige Nigerianer, der sogar für die Nationalmannschaft seines Landes spielte, erhielt auf seinen Wunsch hin die deutsche Staatsbürgerschaft, ohne die nigerianische aufzugeben. Akpoborie wird demnach dem Kontingent der deutschen Spieler zugeschrieben, was insofern interessant ist, als dass jeder Verein der Ersten und Zweiten Bundesliga mindestens zwölf Deutsche im Kader haben muss. Bei der Einbürgerung ist es generell so, dass Sportler und Künstler Ausnahmeregelungen genießen. Acht Jahre Mindestaufenthalt in Deutschland sind keine zwingende Voraussetzung. Für die deutsche Nationalmannschaft aber hätte Akpoborie nur dann spielen dürfen, wenn er nicht schon für ein anderes Land gespielt hätte.

Bremens Sportdirektor Allofs sieht der Entwicklung gelassen entgegen: "Wir haben keinen Grund, Claudio zu misstrauen." Dass er eigentlich nie gut Italienisch sprach, hat niemanden in Bremen gestört. Allofs: "Deutsch kann er mittlerweile viel besser."

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