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Sport: Passt

Herthas Verteidiger Arne Friedrich ist schneller Nationalspieler geworden als Wolfgang Overath und Franz Beckenbauer

Von Stefan Hermanns

Berlin. Der Anzug der deutschen Fußball-Nationalmannschaft war ein bisschen zu groß für Arne Friedrich. Aber für solche Fälle ist der Deutsche Fußball-Bund (DFB) natürlich bestens vorbereitet. Ein Schneider war eigens ins Quartier der Nationalmannschaft nach Berlin bestellt worden, er vermaß die Neulinge wie den Verteidiger von Hertha BSC, kürzte und straffte, und als Friedrich dann mit dem DFB-Tross nach Sofia aufbrach, saß der offizielle Ausgeh-Anzug so, wie er sitzen sollte.

Man könnte diese kleine Geschichte von Arne Friedrichs erstem Einsatz mit der Nationalelf durchaus als symbolisch werten. Gerade mal zwei Bundesligaspiele hat der 23 Jahre alte Verteidiger für Hertha BSC bestritten, davor war er ein halbes Jahr lang verletzt und davor weitere anderthalb Jahre beim Zweitligisten Arminia Bielefeld angestellt. Noch nie ist jemand schneller in die Nationalmannschaft berufen worden als Friedrich. Der Kölner Wolfgang Overath brauchte fünf Bundesligaspiele bis zu seinem Debüt, Franz Beckenbauer sogar sechs. Beide wurden später Weltmeister.

Die Nationalmannschaft sei wohl noch eine Nummer zu groß für Friedrich, haben manche gedacht, als er vor einer Woche in den Kader für das Testspiel gegen Bulgarien berufen worden war. Dann aber hat es doch gepasst. Dabei hatte Friedrich selbst nach seinem Debüt in Sofia gesagt: „Für mich ging in dieser Woche alles ein bisschen zu schnell.“ Als er zur Pause für Christoph Metzelder eingewechselt wurde, war davon allerdings wenig zu merken. „Arne Friedrich hat eine tolle zweite Halbzeit gespielt“, sagte Teamchef Rudi Völler, „von einem Leichtsinnsfehler zum Schluss einmal abgesehen.“ Der Herthaner fiel beim 2:2 gegen Bulgarien auch deshalb positiv auf, weil die anderen jungen Spieler, vor allem Paul Freier und Daniel Bierofka, einige Probleme mit ihren Nerven hatten und deshalb, wie Völler sagte, „nicht ihre wahre Leistung abrufen konnten“.

Friedrich hingegen spielte nüchtern und abgeklärt, genau so, wie es seinem ostwestfälischen Naturell entspricht. Dass er in der Dreierkette auf der ungewohnten linken Seite eingesetzt wurde, „ist eigentlich wurscht“, sagt er. „Das ist genau das Gleiche wie auf der rechten Seite.“ Und als Friedrich nach knapp einer Stunde mit einem Fernschuss aus gut 25 Metern den Ausgleich zum 2:2 erzielte, schüttelte er nur ein bisschen den Kopf, anstatt wie wild über den Platz zu rennen und ausgelassen zu jubeln. Das Tor wurde später ohnehin Carsten Jancker zugeschrieben, der seinen Oberschenkel in die Flugbahn des Balles gehalten und sie so entscheidend verändert hatte. Friedrich protestierte nicht: Torschütze oder nicht – „das seh’ ich nicht als entscheidend an“.

Arne Friedrich ist Herthas 24. deutscher Nationalspieler, seitdem Willi Tänzer 1908 beim 2:3 gegen Österreich in der DFB-Elf debütierte. Es war zugleich Tänzers letztes Länderspiel. Für Herthas Nationalspieler ist eine derart kurze Karriere nicht ungewöhnlich. Auch Herbert Hirth, Fritz Schulz, Otto Jungtow, Willi Kirsei, Willi Völker, Ernst Müller, Emil Krause, Helmut Faeder, Volkmar Groß, Arno Steffenhagen und Uwe Kliemann bestritten nur ein Länderspiel.

Arne Friedrich hingegen hat bessere Perspektiven. Dieter Hoeneß, Herthas Manager, hat schon vor der Saison gesagt, dass der Neuzugang aus Bielefeld 2006 zum Weltmeisterschaftskader gehören werde. Friedrich selbst würde so etwas nie über sich sagen. Er sieht sich nach seinem Debüt ja auch „überhaupt noch nicht als richtiger Nationalspieler“, und dass die internationale Karriere in diesem Tempo weitergeht, glaubt er ebenfalls nicht: „Man muss berücksichtigen, dass viele verletzte Spieler zurückkehren.“

Man muss aber auch berücksichtigen, dass Friedrich mit zunehmendem Alter nicht unbedingt schlechter werden wird. In der vergangenen Woche hat er Stärken an sich festgestellt, die ihm früher verborgen geblieben waren. Im Bundesligaspiel gegen Stuttgart erzielte er ein Tor, jetzt gegen Bulgarien eigentlich auch. „In der Vergangenheit war ich eigentlich selten vorne“, sagt er. „Vielleicht sollte ich das öfter machen.“

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