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Aus und vorbei. Der Traum vom Titel in der Champions League hat sich für Pep Guardiola mit dem FC Bayern nicht erfüllt.

© dpa

Pep Guardiola und der FC Bayern München: Was bleibt sind Emotionen, nicht die Zahlen

Ist Trainer Pep Guardiola beim FC Bayern gescheitert, weil er die Champions League mit dem Klub nicht gewonnen hat? Eine Analyse.

Guardiolas totaler Kontrollwahn tötet den Fußball, nimmt ihm auf jeden Fall sein Wesen. Denn das Wesen des Fußballs ist [...] Anarchie: der einzige Grund, warum man zum Spiel hingeht, ist, weil man vorher nicht weiß, wie es laufen wird und wie es am Ende ausgeht. [...] Mal ehrlich: Zuschauen, wie eine gut geölte Maschine läuft - ist das auf Dauer wirklich spannend?

schreibt NutzerIn soldier

Es gehört zum Wesen Pep Guardiolas, nicht in Gänze von sich überzeugt zu sein. Ein Zweifler, dieser 45 Jahre alte Katalane. Ob er denn gescheitert sei, wurde der Trainer des FC Bayern München nach dem dritten Halbfinalaus in der Champions League unter seiner Führung gefragt. „Vielleicht“ antwortete Guardiola und schaute dabei so, als hätte er noch keine Antwort darauf gefunden.

Gut möglich, dass er in diesem Moment die Wucht der deutschen Vokabel „gescheitert“ unterschätzte, so kurz nach dem rauschenden 2:1-Sieg gegen Atletico Madrid, der nach dem 0:1 aus dem Hinspiel doch nicht zum Weiterkommen reichte. Gescheitert klingt nach Versagen, nach Endzeitstimmung, nach der Unmöglichkeit, eine andere Betrachtungsweise zuzulassen. Ein surreales Wort nach einem mitreißenden Spiel, für das der FC Bayern viel Lob bekam und Atleticos Finaleinzug vielen wie eine Laune der Natur erschien.

Gescheitert ist Pep Guardiola in München nicht, kann er gar nicht sein, das belegen die Zahlen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird er in Kürze zum dritten Mal die deutsche Meisterschaft gewinnen, den DFB-Pokal womöglich zum zweiten Mal und drei Halbfinalteilnahmen in Folge in der Champions League hatte zuletzt vor ihm nur Ottmar Hitzfeld geschafft, von 1999 bis 2001. Einige Spieler wurden tatsächlich noch besser. Jerome Boateng entwickelte sich unter Guardiolas Anleitung zur absoluten Weltklasse und Philipp Lahm erfand sich im gehobenen Fußballeralter als defensiver Mittelfeldspieler noch einmal neu.   

Nicht zu vergessen all die Rekorde. In der Bundesliga gewann Bayern in der Saison 2013/14 19 Spiele infolge und krönte sich schon im März zum Meister – so früh wie keine andere Mannschaft zuvor. Zehn Siege zum Auftakt, eine ungeschlagene Hinrunde - alles neue Bestmarken. Guardiolas Bayern waren ein Drache und der Bundesliga fehlte der Siegfried. Für Vereine wie Bremen oder Darmstadt bestand die Saison nur noch aus 33 Spielen, das eine in München schenkten sie freiwillig ab. Spieler holten sich vorher lieber eine fünfte oder zehnte gelbe Karte. Nach dem Motto: was macht es schon, ob wir 0:4 oder 0:8 verlieren. Wichtig ist für uns woanders. Nie zuvor erlebte Deutschland eine Dominanz wie die des FC Bayern in den vergangenen drei Jahren.

Schlecht für Guardiola, dass die Debatte um sein Werk nicht von Zahlen geprägt ist, sondern von Emotionen. Und die waren seine Sache nicht. Werden es auch nie werden. Echte Zuneigung entwickelte sich nie zwischen dem Fußballtrainer aus Katalonien und seinem Gastland. Beim FC Bayern riefen die Zuschauer selten seinen Namen oder verlangten nach ihm bei Feierlichkeiten. Guardiola gab sich immer kühl und distanziert, ein Vulkan nur während der 90 Minuten an der Seitenlinie. München war für ihn lediglich eine Station, der erste Versuch, seine Vision vom perfekten Kurzpassspiel in die Welt hinauszutragen. Manchester wird folgen und es dürfte für Guardiola und seinen neuen Arbeitgeber City ein Segen sein, dass der Verein in diesem Jahr weder Meister wurde noch die Champions League gewann.

In München musste sich heute 45-Jährige stets an seinem Vorgänger Jupp Heynckes messen lassen, der das Triple, bestehend aus Champions League, Meisterschaft und DFB-Pokal gewann. Von Guardiola, der nach 14 von 19 möglichen Titeln mit dem FC Barcelona als begehrtester Trainer der Welt zu den Bayern kam, wurde mindestens das Gleiche erwartet. Dass Bayern dieses Kunststück eben nur unter Heynckes gelungen war – egal. Das Triple wurde zur Doktrin. Weniger galt als gescheitert. Wie schwer es ist, eine satte, mit Titeln überfressene Mannschaft wieder hungrig zu machen, wurde leicht außeracht gelassen.

Guardiola polarisierte - seine Spielweise und sein Handeln

Guardiola polarisierte - seine Spielweise und sein Handeln. Als nahezu perfekt anmutendes Trainerwesen nach München zu kommen, büßte er im Laufe der Zeit seine Makellosigkeit ein und machte sich angreifbar. Etwa, weil er emotionale Kräfte, die bei Vereinen wie dem FC Bayern wirken, einfach ignorierte oder wenig Empathie zeigte. Vereinsarzt Müller-Wohlfahrt hörte nach drei Jahrzehnten wegen eines Streits mit Guardiola entnervt auf, Spieler wie Mario Gomez oder Mario Mandzukic sortierte er aus. Letzteren suspendierte er trotz vieler Tore noch vor dem Pokalfinale. In seinen Vorstellungen war Guardiola immer strikt, ohne Fingerspitzengefühl. Man kann nur erahnen, wie viel Überwindungen es ihn gekostet haben muss, auf Thomas Müller zu setzen, den von seiner Spielanlage anarchischsten Fußballer, der Guardiola wohl je untergekommen ist.

An jenem Müller entzündete sich die jüngste Debatte. Guardiola hatte ihn beim Hinspiel in Madrid lange draußen gelassen, was als ein Grund für die Niederlage ausgemacht wurde. Müller könne immer ein Tor schießen, hieß es da. Im Rückspiel verschoss jener Müller einen Elfmeter, der bei erfolgreicher Ausführung wohl zum Weiterkommen genügt hätte. Trotzdem hatte sich Guardiola offensichtlich vertan, wie beim 0:4 gegen Real Madrid vor zwei Jahren. Von seinen Spielern forderte er immer höchste Flexibilität, zig-fach veränderte er während eines Spiels die Formation. In der Bundesliga ging das gut, in der Champions League sind taktische Fehler spätestens ab dem Halbfinale kaum noch korrigierbar. Dazu kommen Glück und Pech, unkontrollierbare Variablen des Spiels, auch im 21. Jahrhundert.

Vielleicht betrachtet es Guardiolas als größte Niederlage, dem Spiel sein anarchistisches Wesen nicht erfolgreich genommen zu haben. Wenn er gescheitert ist, dann in diesem Punkt. Schmerzhaft gerade jetzt, da er vom Chef-Anarcho Diego Simeone in die Schranken verwiesen wurde. Nichts Geringeres als die totale Kontrolle strebt Guardiola mit seinem Positionsspiel an, Ballbesitz um jeden Preis, aber diese Idee vertrug sich nicht mit der deutschen Fußballkultur. Sein Stil wurde als langweilig empfunden. Guardiola war sich dessen stets bewusst, er kannte die Vorliebe von Trainern und Fans für schnelles Umschalt- und Konterspiel“, noch vor dem Rückspiel gegen Atletico hatte er darüber geredet und zwei anderen Trainergrößen des FC Bayern geantwortet, die ihn kritisierten. „Hitzfeld und Trapattoni haben Titel gewonnen, aber ich habe eine andere Idee und Empfindungen. Ich vertrete eine Gegenkultur.“ Eine mit der er die Erfolge aus Barcelona nicht in Gänze wiederholen konnte.

Als Pep Guardiola dort seinen Abschied erklärte, sprach er: „Ich gehe jetzt, damit wir uns nicht wehtun, es ist an der Zeit.“ Der Satz ist vier Jahre alt, hat an seiner Aktualität aber nichts eingebüßt.

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