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Sport: Perfekt geschminkte Eleganz

Die Rhythmische Sportgymnastik macht aus Mädchen schon Erwachsene

Berlin - Von weitem sieht Karolina Raskina beinahe erwachsen aus. Die Haltung, der Ausdruck und das Lächeln sind schon fast perfekt für den Auftritt im großen Rampenlicht. Nur bei näherem Hinsehen erkennt man noch die kindlichen Gesichtszüge und, wenn sie lächelt, die Zahnspange.

Die 15-Jährige wurde erst vor wenigen Tagen zum Berlin Masters der Rhythmischen Sportgymnastik eingeladen, das an diesem Wochenende in der Max-Schmeling-Halle stattfindet. Durch eine Viruserkrankung der derzeit besten deutschen Gymnastin Johanna Gabor bekommt Karolina Raskina ihre Chance. Obwohl sie noch zu jung ist, um in der Wettkampfkonkurrenz zu starten, will ihr der Deutsche Turner-Bund (DTB) die Möglichkeit geben, im Erwachsenenbereich Erfahrungen zu sammeln. Bei ihrem letzten internationalen Auftritt feierte sie mit einem überraschenden sechsten Platz bei den Junioren-Europameisterschaften 2006 ihren bislang größten Erfolg.

Ob sie den extremen Anforderungen der Rhythmischen Sportgymnastik gerecht werden kann, wird sich vom nächsten Jahr an zeigen, wenn sie offiziell ihr Seniorenprogramm aufführen darf. Perfekte Körperbeherrschung brauchen die Mädchen, sie müssen turnen können, Ballettelemente tanzen, die verschiedenen Geräte beherrschen und musikalisch sein – denn es kommt auf das perfekte Zusammenspiel an, wenn sie auf der 13 mal 13 Meter großen Gymnastikfläche bestehen wollen.

„Oft scheitern die Mädchen am Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenbereich“, sagt DTB-Teamchefin Birgit Guhr. Das ist eines der großen Probleme der Sportgymnastik in Deutschland. Denn dass sich Karolina Raskina nun über ihren Auftritt in Berlin freuen kann, zeigt auch die mangelnde Breite des Kaders: „Hier gibt es pro Jahrgang vielleicht ein oder zwei gute Mädchen“, sagt Guhr, „das sieht in Osteuropa ganz anders aus.“ Was sich auch in der Weltspitze widerspiegelt: Bei den Weltmeisterschaften vor drei Wochen in Griechenland gingen sechs Goldmedaillen an die Russinnen Vera Sessina und Olga Kapranowa, die derzeit den Sport dominieren. Auch beim Berlin Masters sind sie die Topfavoritinnen.

„Unsere Mädchen haben keine Chancen, international eine Medaille zu gewinnen“, bedauert Guhr. Bei der WM in Griechenland verpassten sie sogar die Olympiaqualifikation. In Peking werden somit erstmals seit 24 Jahren keine deutschen Gymnastinnen starten. „Die Osteuropäerinnen haben eine ganz andere Bewegungsweite als unsere Mädchen, das sehen selbst Laien.“ Was insbesondere durch viel härteres Training erreicht werde, das so in Deutschland nicht möglich und – wegen des Drills – auch nicht erwünscht ist. Der Sport beklagt auch hierzulande zu wenige Zuschauer.

Die schwierige Außendarstellung der Rhythmischen Sportgymnastik hat nicht nur sportliche Gründe. „Durch das komplizierte Bewertungssystem kann kaum ein Zuschauer einschätzen, wer gewinnt“, sagt Guhr. Durch die Einführung einer komplizierten Bewertungsskala sollte der öffentlichen Kritik an der subjektiven Bewertung durch zahlreiche Kampfrichterinnen ein Ende gesetzt werden. Nun wird aber oft eine perfekt durchgeführte elegante Übung schlechter bewertet als eine fehlerhafte, die einen höheren Schwierigkeitsgrad hat. Für Zuschauer wirkt das unbefriedigend.

Hinzu kommt, dass Sportlerinnen wie Karolina Raskina sehr jung sind, sich aber perfekt geschminkt und leicht bekleidet auf der Turnfläche präsentieren, um gute Noten für den künstlerischen Wert zu bekommen. „Es ist so elegant und weiblich, man lernt den richtigen Ausdruck“, sagt Raskina, die das positiv wertet. Das perfekte Erscheinungsbild der Mädchen wirkt zuweilen aber künstlich.

Durch die hohe körperliche Belastung und die Verletzungsgefahr dauert eine Karriere selten länger als bis zum Alter von 20 Jahren. Mit ein bisschen Glück hat Karolina Raskina noch ein paar Jahre vor sich. Bisher hatte sie keine schlimmeren Verletzungen, auch wenn sie ständig verspannt ist und oft Rückenschmerzen hat. „Aber das gehört zu meinem Sport dazu“, sagt sie.

Einmal will Karolina Raskina auch an den Olympischen Spielen teilnehmen. Gestern in der Berliner Max-Schmeling-Halle erhielt sie immerhin viel Beifall, heute darf sie noch einmal auf die Gymnastikfläche. Auch ohne Teilnahme am eigentlichen Wettkampf will sie den rund 3000 erwarteten Zuschauern zeigen, wie Deutschlands Gymnastikzukunft aussehen könnte.

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