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Und drüber. Carsten-Otto Nagel und Corradina bewältigen ein Hindernis. Foto: dpa

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Sport: Pferd des Lebens

Springreiter Nagel holt mit Corradina EM-Silber

Dass Carsten-Otto Nagel wenig sagt, und wenn dann leise, heißt nicht, dass der Springreiter aus dem holsteinischen Wedel nicht weiß, was er will. Bei den letzten drei Championaten hat Nagel als bester deutscher Reiter abgeschnitten und insgesamt fünf Medaillen gewonnen – das tut dem Selbstbewusstsein jedes Sportlers gut. Auch der Fehler im letzten Umlauf der Europameisterschaft in Madrid am vergangenen Sonntag, der ihn seinen ersten Einzeltitel kostete und ihn auf den Silberplatz zurückwarf, tat dem keinen Abbruch. „Wir sind jung, wir schaffen das noch“, sagte der Mann, der in drei Tagen 49 Jahre alt wird. Er meinte natürlich Einzelgold in der Zukunft.

Carsten-Otto Nagel kommt wie so viele Spitzenreiter aus einer Bauernfamilie, in der Pferde zum Alltag gehörten. Bereits als Zwölfjähriger gewann er sein erstes schweres Springen, war auf ländlichen Turnieren erfolgreich und irgendwann auch national und international. 1999 gehörte er zum ersten Mal zum deutschen Springreiterteam bei der Europameisterschaft in Hickstead, lieferte aber mit L’Eperon das Streichergebnis. Zweimal konnte Carsten-Otto Nagel sich auf die Siegerliste des Deutschen Springderbys setzen, 1999 mit Wiener Wirbel, 2010 mit Lex Lugar. Seit 1992 reitet er für den Stall Moorhof, der gehört dem Kaffee-Erben Michael Herz und diese Konstellation brachte Nagel in die glückliche Lage, den Einsatz seiner Pferde planen zu können, ohne sich um die nächste Haferrechnung kümmern zu müssen.

Das kam vor allem Corradina zugute, der heute 13-jährigen Schimmelstute. Die verschaffte dem Reiter den Durchbruch in die internationale Spitze. Es heißt, jeder Reiter habe nur ein ganz großes Pferd im Leben. Es gibt zwar Gegenbeispiele von Reitern, die mehrere überragende Pferde im Laufe ihrer Karriere unterm Sattel hatten, aber auf viele trifft es zu: Hans Günter Winkler hatte Halla, Fritz Thiedemann Meteor. Und Nagel hat Corradina. Die beiden bilden ein perfektes Paar. „Ich muss nicht viel kämpfen, sie ist sehr umgänglich und zufrieden“, sagte Nagel am Sonntag, „Corradina hätte es verdient gehabt, ganz oben zu stehen. Sie war meiner Meinung nach das beste Pferd hier.“ Jeder Einsatz von Corradina wird sorgfältig überlegt, jede Überanstrengung vermieden, der Höhepunkt ist immer das jeweilige Championat, also Welt- und Europameisterschaften sowie Olympische Spiele. Dem muss sich alles andere, auch die Möglichkeit, hohes Preisgeld auf anderen Turnieren zu gewinnen, unterordnen.

Schon 2008 stand Carsten-Otto Nagel mit Corradina auf der Liste des damaligen Bundestrainers Kurt Gravemeier, aber nur als Reservist. Dafür, da waren sich Reiter Carsten-Otto Nagel und Pferdebesitzer Michael Herz einig, war ihnen die hochtalentierte Stute zu schade, vor allem angesichts der langen Flugreise und des schwül-warmen Wetters in Hongkong, das die frühzeitig angereisten deutschen Pferde sechs Wochen lang ertragen mussten. Gravemeier trat nach dem glücklosen Auftritt der Deutschen in Hongkong zurück, sein Nachfolger Otto Becker holte Nagel ins Team für die folgende Europameisterschaft.

Becker hat von Anfang an nur nach Leistung nominiert, nicht nach alten Meriten. Jedem eine Chance zu geben, der sie verdient hat, war seine Devise. „Da hat sich einiges geändert“, befand Carsten-Otto Nagel vor zwei Jahren in Windsor. Auch seinen Stammplatz, den er mittlerweile erobert hat, wird er im nächsten Jahr wieder durch gute Leistungen bestätigen müssen. Aber wenn sein Pferd gesund ist, wird das deutsche Olympiateam nicht ohne Carsten-Otto Nagel auskommen.

Hans-Erik Schmidt[Madrid]

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