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Pfiffe gegen Vettel: Muhammad Ali auf Rädern

Sebastian Vettels Überlegenheit in der Formel 1 hat längst historische Dimensionen erreicht - dennoch schlägt ihm Unmut entgegen. Zum wiederholten Mal wird er auf dem Podest ausgebuht - das kritisiert selbst die Konkurrenz.

Die originellste Beschreibung für Sebastian Vettels Überlegenheit in dieser Nacht in Singapur fand eine Radioreporterin. „Sebastian hätte an der Box anhalten, eine Runde auf dem großen Riesenrad drehen und dann erst wieder einsteigen können – und er hätte trotzdem gewonnen“, meldete sie nach Brasilien. Die Formel-1-Konkurrenz nimmt die Dominanz des Red-Bull-Piloten dagegen nur noch mit einer Mischung aus Staunen und Entsetzen war. Nach dem dritten Sieg im Stadtstaat hintereinander und dem insgesamt 33. seiner Karriere gibt es kaum noch jemanden im Fahrerlager, der den vierten Titelgewinn des Deutschen in Folge anzweifelt.

Der ärgste Konkurrent Ferrari ist inzwischen so demoralisiert, dass er die Weiterentwicklung des aktuellen Autos einstellt. „Jetzt ist klar, dass wir 99 Prozent unserer Energie auf das Projekt für 2014 konzentrieren werden, weil es genauso kompliziert wie wichtig ist“, wurde Teamchef Stefano Domenicali am Montag auf der Internetseite des Teams zitiert. Nur Fernando Alonso will zumindest offiziell „weiterkämpfen, aber ich gebe zu, dass wir wohl schon die Mithilfe des Defektteufels bei Sebastian brauchen“. Bei 60 Punkten Rückstand und nur noch sechs Rennen eine realistische Einschätzung. Schon in zwei Rennen könnte Vettel wieder Weltmeister sein.

Der frühere Formel-1-Pilot Christian Danner bemüht bereits historische Dimensionen, um Vettels Leistung einzuordnen. „Es gab immer Zeiten in der Formel 1, in denen Kombination aus Fahrer und Auto einfach zu 100 Prozent zusammengepasst haben.“ Bei Michael Schumacher sei das so gewesen, auch bei Ayrton Senna und Alain Prost bei McLaren. Doch der Grad der Überlegenheit Vettels erstaunte auch Danner. „Wenn man die Realität sieht, ist Sebastian hier in Singapur innerhalb von 15 Runden 30 Sekunden weggefahren. Eine derartige Überlegenheit gab es selbst zu Schumachers wildesten Zeiten nicht.“

Dass das nicht nur am Auto, sondern auch am Fahrer liegt, zeigt Mark Webber, der im zweiten Red Bull nicht annähernd an die Leistungen Vettels herankommt. Womöglich ist das Auto ein bisschen mehr auf den Fahrstil des Weltmeisters zugeschnitten, aber auch das macht den Unterschied zu einem guten Piloten aus: Der Top-Fahrer macht sich das Auto so, wie er es haben will. Das war bei Schumacher oder Senna nicht anders.

Dass Vettel bei der Siegerehrung auch angesichts drohender Langeweile wieder – vor allem von Ferrari-Fans – ausgepfiffen wurde, nahm er selbst zwar ganz locker. „Die sind anscheinend mit einem Bus von Strecke zu Strecke unterwegs“, sagte er. Doch selbst bei der Konkurrenz regt sich allmählich Unmut über dieses Verhalten. Mercedes-Pilot Nico Rosberg schimpfte: „Das ist absolut unfair.“ Dessen Chef Niki Lauda sagte: „Vettel braucht sich doch für nichts zu entschuldigen. Red Bull und Vettel sind im Moment nun mal die Besten – und wir anderen müssen unsere Hausaufgaben machen, um sie wieder schlagen zu können.“

Auch Vettels Teamchef ärgerte sich. „Sebastian ist heute ein unglaubliches Rennen gefahren“, ereiferte sich Christian Horner. „Er ist ein großartiger Junge, er hat einen tollen Sinn für Humor. Und er hat am Ende des Tages ein großes Herz.“ Warum dann also die Pfiffe? Horners Erklärung: „Es ist so bei Seriensiegern, wie bei den Leuten, die Muhammad Ali verlieren sehen wollten. Das ist auch momentan der Fall – die Leute wollen sehen, wer Sebastian schlägt.“ Dass Vettel die Pfiffe und Buhrufe wirklich nichts ausmachen, glaubt Horner nicht so ganz: „Schließlich ist auch er nur ein Mensch. Wenn man sich das Herz aus der Brust gefahren hat und dann dort oben so eine Reaktion miterlebt, ist das für mich nicht fair. Er hat breite Schultern, aber wie jeder andere hat auch er Gefühle.“

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