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Philipp Kohlschreiber

© AFP

Philipp Kohlschreiber: Geläutert gewonnen

Philipp Kohlschreiber sieht sich nicht mehr als den großen Star – und startet gut in die US Open.

Der Jubel fiel verhaltener aus, als man es von Philipp Kohlschreiber erwartet hätte. Als er den Matchball gegen Mariano Zabaleta verwandelt hatte, winkte er nur kurz den Zuschauern auf Nebenplatz Nummer elf zu, bedankte sich fast artig für deren Unterstützung. Keine geballte Faust, kein martialischer Schrei, nichts von alledem, was für den 23-Jährigen sonst eher typisch ist. Kohlschreiber war mit einem souveränen 6:2, 6:2, 6:4 gegen den Argentinier in die US Open gestartet, Grund genug eigentlich für einen wie ihn, um sich ausgiebig feiern zu lassen und sich im eigenen Ruhm zu sonnen. Doch der junge Mann, dessen „große Klappe“, wie er sie selbst bezeichnet, stets polarisiert hat, ist nun wieder auf Normalmaß zusammengeschrumpft. Vom Glauben, ein ganz Großer zu sein, dem er nach seinem Sieg in München im Mai verfallen war, scheint Kohlschreiber inzwischen kuriert zu sein.

Sein erster Auftritt in New York zeigte diesen Wandel bereits deutlich. Konsequent und konzentriert zog Kohlschreiber sein druckvolles Spiel von der Grundlinie durch, dominierte die Partie bis zur Mitte des dritten Satzes, als er Zabaleta nach einem Rebreak kurzzeitig ins Spiel kommen ließ. Gefährdet war sein Sieg aber zu keiner Zeit. „Es war gut, dass ich am Ende noch mal beißen musste. Ich wusste, dass ich es schaffen kann, wenn ich kämpfe“, sagte Kohlschreiber und zeigte erstmals Einsicht: „Ich hatte nach München wohl doch zu hohe Erwartungen. Ich dachte, ich könnte jetzt jeden schlagen. Aber damit lag ich falsch.“

Verkrampft sei er gewesen, der hohe Druck, den er sich selbst auferlegt hatte, habe ihn gelähmt. Schwache Leistungen und frühe Niederlagen waren die Folge, besonders bei den Grand-Slam-Turnieren in Paris und Wimbledon enttäuschte Kohlschreiber. Er habe eben schon auf das Viertelfinale geschielt und den Gegner der ersten Runde daher gar nicht richtig ernst genommen, gab er zu. Prompt erreichte er in Paris nur mit Mühe Runde zwei, in London scheiterte in der ersten Runde an Florent Serra.

„Ich hatte zuletzt wirklich eine schlechte Phase“, gestand Kohlschreiber und scheint die richtigen Schlüsse daraus gezogen zu haben. Die Zeiten, in denen er die Schuld für sein Scheitern bei allen anderen, nur nicht bei sich selbst suchte, sind offenbar vorbei. Bei den US Open will Kohlschreiber daher einen „schönen Abschluss“ der Grand-Slam-Serie schaffen, die in Australien mit einem Nadal- Duell auf Augenhöhe viel versprechend begonnen hatte. „Da war ich noch ganz locker. Dahin muss ich jetzt wieder kommen“, sagte er, doch ob ihm das am Freitag in der zweiten Runde wieder gelingen wird, ist fraglich. Und das nicht nur, weil Kohlschreiber in vier Anläufen in Flushing Meadows nie über die zweite Runde hinweg kam. Vielmehr aber, da sein Gegner Michail Juschni heißt.

Der Russe ist an Position elf gesetzt, im letzten Jahr spielte er bei den US Open das Turnier seines Lebens. Er bezwang auf dem Weg ins Halbfinale Rafael Nadal und scheiterte dort erst an Andy Roddick. Seither konnte Juschni diese starke Form halten und wurde nicht, wie schon so oft in seiner Karriere, von langwierigen Verletzungen zurückgeworfen. Der bereits als ewiges Talent verschriene Juschni hat es seinen Kritikern gezeigt, und das ist es, was er seinem Freund und Trainingspartner Kohlschreiber noch voraus hat. „Das wird eine ganz wichtige Partie für mich“, stellte Kohlschreiber klar: „Ich weiß, dass ich mich beweisen muss.“

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