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Sport: Pierre Littbarski: Assistent für die gute Laune

Es gibt Tage, da ist es noch nicht mal hell, und trotzdem fühlen sie sich schon schlecht an. Du merkst plötzlich, dies könnte dein letzter Arbeitstag in der Firma sein.

Es gibt Tage, da ist es noch nicht mal hell, und trotzdem fühlen sie sich schon schlecht an. Du merkst plötzlich, dies könnte dein letzter Arbeitstag in der Firma sein. Pierre Littbarski ist mitten in der Nacht aufgestanden. Die paar Schritte in der kleinen Wohnung von Yokohama zum Computer, reingeclickt in die Bundesliga. Nach der Überschrift "Bayern München - Bayer Leverkusen 2:0" brauchte er gar nicht weiterzulesen. Raus aus dem Internet, wieder ins Bett. Richtig geklappt hat es mit dem weiterschlafen auch nicht mehr, und als der Trainer des künftigen japanischen Zweitligisten FC Yokohama dann im Kawasaki-Stadion stand, da merkte er, dass mit seinen Spielern Ähnliches passiert war.

Ein Trainer kommt nicht mehr ran an seine Mannschaft. Der emotionale Schlusspunkt in der Beziehung zwischen einem prominenten Chef und den eher biederen Kickern eines Klubs, der noch nicht mal einen Trainingsplatz besitzt; das einzig stabile Domizil des Wanderzirkus scheint der große Mannschaftsbus zu sein, auch ein älteres Modell. Doch obwohl es sich beim Yokohama FC fast ausschließlich um ältere Spieler handelt, die von J-League-Klubs entlassen worden sind, haben diese ausrangierten Profis zweimal hintereinander den Titel in der dritten japanischen Liga gewonnen.

Weitere Meisterschaften wird kaum einer dieser Spieler mehr feiern. Auch wenn Manager Okudera, der ehemalige Bundesligaspieler beim 1. FC Köln und Werder Bremen, die Vision vom Platz fünf in der neuen Runde vertritt und im Jahr danach vom Aufstieg in die J-League träumt. Doch erst einmal braucht er einen neuen Trainer, und der muss Japaner sein und darf auch nicht eine halbe Million im Jahr kosten wie sein alter Kumpel Littbarski.

Die zwei Jahre mit dem alten Weltmeister waren ein Abenteuer, doch seit Littbarski mit dem Kopf schon in Leverkusen ist, ist auch in ihren Köpfen diese schöne Epoche vorbei. Nach sieben Jahren Nippon wird Litti-san, wie sie ihn in Japan nennen, wieder ein Fremder. "Dieses Angebot aus Leverkusen konnte man nicht ausschlagen," sagt er. Aber er möchte auch dankbar sein. Und erzählt, dass in den Vertrag zwischen dem Fußball-Champion Pierre Littbarski und dem Fußball-Konzern aus Leverkusen auch ein Paragraf über die Partnerschaft von Yokohama FC und Bayer stehen soll. Außerdem wird er seinen japanischen Freunden als Berater des Klubs erhalten bleiben.

Wie der lustigste Dribbler der deutschen Fußball-Geschichte nun ab Januar die "rechte Hand von Berti Vogts" (Sportchef Rudi Völler) spielen soll, erschließt sich Littbarski noch nicht im Detail. Der erste Assistent in Bayers Trainerstab will sich in den nächsten zweieinhalb Jahren darum bemühen, auch Kumpel und Mittler zu sein. Mit Littbarski können die Spieler unbefangener umgehen als mit Berti Vogts. Doch diese Assistenten-Rolle will er nicht auf Dauer spielen.

Das Leben in Fernost hat ihn ausgeglichener gemacht. "Es wäre schlecht, wenn ich mit vierzig meine innere Balance noch nicht gefunden hätte." Er hat seine zweite Frau hier gefunden, und geschäftlich kartet er nicht mehr nach. Wenn er sich früher von seinem Manager Norbert Weis getrennt hätte, würde er als steinreicher und gemachter Mann heimkehren. Ein bisschen mehr Kenntnis von der japanischen Harmonie-Lehre, und Littbarski wäre nicht nur eineinhalb Jahre lang der Topverdiener und Werbestar der J-League gewesen. Littbarski nennt einfach den Namen jenes Mannes nicht mehr, der sich ohne Ahnung von den asiatischen Gepflogenheiten mit der Nippon Connection angelegt hat.

Die Gelassenheit, die sich Littbarski im Land des Lächelns angeeignet hat, erstreckt sich auch auf jenes neue Heer an Gegnern, die sich der Neue von Bayer automatisch mit diesem Job zugezogen hat. Dass nun die Ehrentafel für den Weltmeister Littbarski am Müngersdorfer Stadion verschwinden soll, weil der alte Liebling der FC-Fans nun beim Feind überm Rhein arbeitet, findet Littbarski etwas kleingeistig. "Wenn die das wollen, sollen sie es wegmachen." Er selbst sei nie ein großer Pokalsammler gewesen, und der Hass halte in diesem Geschäft bekanntlich auch nicht lange. Littbarski: "Wenn sich nun der Reiner Calmund und der Uli Hoeneß schon wieder vertragen können, werde ich auch mit dem 1. FC Köln wieder auf einen grünen Zweig kommen."

Martin Hägele

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