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PINGPONG in Peking PINGPONG in Peking: 100 000 schöne Seiten Friedhard Teuffel verabschiedet sich von freundlichen Olympischen Spielen Beckham und André Heller Benedikt Voigt verabschiedet sich von unwirklichen Olympischen Spielen

Falls wir es noch nicht losgeworden sind: Diese Olympischen Spiele hatten auch eine schöne Seite. Das heißt, eigentlich waren es 100 000 schöne Seiten.

Falls wir es noch nicht losgeworden sind: Diese Olympischen Spiele hatten auch eine schöne Seite. Das heißt, eigentlich waren es 100 000 schöne Seiten. So viele freiwillige Helfer gab es. In ihren blau-weißen Hemden waren sie überall zu finden. Sie haben uns jedes Mal zu dritt oder viert am Eingang den Weg ins Pressezentrum gewiesen, als beträten wir einen wunderbaren Süßwarenladen. Sie haben uns aus Busfahrplänen vorgelesen. Uns chinesische Schriftzeichen auf Zettel geschrieben, damit der Taxifahrer wusste, wohin er uns bringen sollte. Und die Raumtemperatur erhöht, wenn die Lüftungsanlage uns zu vereisen drohte.

Ein uns unbekannter Kollege aus Deutschland hat einmal im Hotel genervt reagiert, als sie ihn durch die Sicherheitsschleuse baten. Er wollte nicht durchgehen. Seinen Rucksack wollte er auch nicht durchleuchten lassen. Er hat mit den Augen gerollt und sie angeknurrt. Sie haben ihn angelächelt und gesagt: „Thank you for your cooperation.“ Ein anderer Kollege hatte sein Diktiergerät verloren. 120 Euro hatte es gekostet. In Gedanken machte er sich auf den Weg zum nächsten Kaufhaus, um ein neues zu kaufen. Ein letztes Mal lief er am Infoschalter vorbei. Dort wurde ihm lächelnd sein Diktiergerät überreicht, abgegeben hatte es eine freiwillige Helferin.

Einen dritten Kollegen haben sie kurz irritiert, als sie ihn an der Sicherheitsschleuse baten, zum Beweis der Ungefährlichkeit einen Schluck aus seiner Kontaktlinsenflüssigkeit zu trinken. Schließlich durfte er doch so passieren, durchgewinkt hat ihn ein Helfer mit Brille. Die freiwilligen Helfer umweht keine Dopingdebatte. Sie waren das Beste, was diese Spiele zu bieten hatten. Der Sonnenschein im Dunst von Peking. Natürlich dürfen wir das eigentlich nicht schreiben. Wir müssen schreiben, dass sie alle abgerichtet waren. Uns einzulullen, dass wir uns wohl fühlen und nicht berichten, dass die Kommunistische Partei korrupt ist und Olympia ein Bluff. Aber so kurz vor dem Abschied können wir das vielleicht einmal außen vor lassen.

Irgendetwas muss mit dem Wahrnehmungsvermögen des Olympiareporters nicht stimmen. Als er am Sonntagmorgen um kurz vor sechs Uhr aus dem Deutschen Haus auf die Liangmaqiao-Straße trat, hatte er ein Déjà-vu-Erlebnis. Ihm kam es vor, als hätte er das alles vor acht Wochen nach dem Endspiel der Fußball-Europameisterschaft schon einmal gesehen. Kein Chinese befindet sich auf der Straße, dafür deutsche Fans mit deutschen Fahnen, die am Straßenrand sitzen und übermüdet nach einem Taxi winken. Einige deutsche Hockey-Fans singen noch ein letztes Mal: „Olé, olé, olé, super Deutschland, super Deutschland.“ Peking, an diesem Morgen eine deutsche Stadt?

Und dann dieses Basketballendspiel. Ein Blick auf den Videowürfel zeigt 61:69 – zur Halbzeit? Normalerweise sind so viele Punkte das Endergebnis. Ein Münchner Kollege ruft begeistert an: „Das ist das beste Basketballspiel, das ich je gesehen habe.“ Der Olympiareporter sieht einen 17-jährigen Spanier, der es mit den NBA-Stars Jason Kidd und Chris Paul aufnimmt – und sich immer wieder durchsetzt. Er sieht Rudy Fernandez, der sich fünfmal durch die Beine dribbelt und dann einen Dreier trifft – gegen Kobe Bryant, den besten Basketballer der Welt. Und plötzlich chinesische Zuschauer, die zum ersten Mal in 17 Tagen nicht mehr das ewige „Jiayou“ rufen. Stattdessen hört man: „Xibanya“ – Spanien. Der Kollege von der Zeitung „Arizona Republic“ schüttelt nur noch fassungslos den Kopf, als Spanien kurz vor dem Ende noch einmal auf vier Punkte herankommt: „Unfassbar, dieses Spiel ist unwirklich.“ Und was macht eigentlich David Beckham unter den Zuschauern?

Am Morgen war der Olympiareporter aufgewacht und hatte den Fernseher angemacht. Es lief das Volleyballfinale zwischen Brasilien und den USA. Ein Volleyballer hieß Ball, ein anderer Marcelinho. Das Seltsamste aber war jener Name, der auf der Trikotrückseite des langen blonden Brasilianers vermerkt war: André Heller. Wird Zeit, dass die Spiele vorüber sind.

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