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Applaus und Vorhang. Felix Magath, Schalkes Regisseur und Intendant in Personalunion, empfängt den Beifall für seine Aufführung. Foto: ddp

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Platz zwei wird gefeiert: Magath und Schalke: Eine Schale süßer Tränen

Auf Schalke ist alles anders, hat es schon oft geheißen. Am vorletzten Bundesligaspieltag war wirklich vieles anders in diesem Fußballrevier der besonderen Art. Die Schalker feierten ihren Trainer Felix Magath, als hätte er den Titel geholt.

Nach dem 0:2 gegen Werder Bremen feierten Zigtausende die unterlegene Heimmannschaft, als hätte sie einen großen Titel gewonnen. Noch lange nach dem Schlusspfiff schwappte die Welle durch die Arena. Die Grenze zwischen Sieg und Niederlage war verschwommen, fast nicht mehr zu erkennen, kurz nachdem der Traum vom ersten Schalker Meisterschaftsgewinn nach 52 Jahren zu tiefgrauer Theorie geworden war – bei drei Punkten und 17 Toren Vorsprung für Tabellenführer Bayern München. Im Augenblick scheinbaren Scheiterns fühlte sich Schalke als Champion, weil die Mannschaft bei ihrem Marsch auf Platz zwei meisterhaft die Grenzen übertreten hatte, die ihnen Laien und Experten vor der Saison gesetzt hatten.

Nachdem die Spieler ihren Schlussapplaus schon ausgekostet hatten wie ein Ensemble von Schauspielern, welche das Publikum nach einer grandiosen Vorstellung nur ungern in die Garderobe entlässt, trat der Regisseur, an der Gelsenkirchener Fußball-Volksbühne zugleich Intendant, vor das Publikum. Lautstark herbeigerufen, hob Felix Magath die Hände, dass die weißen Manschetten aus der dunklen Anzugjacke hervorblitzten. Einem Triumphator gleich, dem das Volk freiwillig und vorbehaltlos huldigt, machte der Trainer sich auf zu einer Stadionrunde, wie es an solchen Tagen nur Titelträger zu tun pflegen. Der Mann, der vieles gewonnen, dieses Spiel aber verloren hatte, zeigte sich beeindruckt von dem tosenden, nicht enden wollenden Beifall, der ihm und seinen Spielern zuteil wurde. „Als Zweiter eine Ehrenrunde zu laufen ist auch für mich etwas Neues“, sagte Magath.

Auf dem Platz hatte seiner Elf gegen Bremen das spielerische Vermögen gefehlt, ihre kleine Chance zu wahren. Aber der Doppelpass mit den Fans gelang so eindrucksvoll wie selten in einer Stunde der Niederlage. Zumal Magath einen Schuldigen, auf die Saison gesehen sogar mehrere Schuldige, außerhalb der Schalker Reihen präsentieren konnte. Letztlich hätten dubiose Schiedsrichterentscheidungen den Ausschlag zu Ungunsten Schalkes gegeben, wenn es darauf ankam, sagte er. Der Ärger darüber habe ihn sogar daran gehindert, die Ehrenrunde in vollen Zügen zu genießen. Hier und da gab es auch Tränen, diesseits und jenseits des Rasengevierts. Aber anders als bei ähnlichen Anlässen, sprich zweiten Plätzen, hatten sie keinen bitteren, sondern einen eher süßlichen Geschmack. Dieses Scheitern im Kampf um die Meisterschale schmeckte Schalke wie ein Schluck aus dem Kelch der Freude.

Das beste Beispiel dafür lieferte Kevin Kuranyi, der lange geschmähte und erst im fünften Jahr verehrte Stürmerstar. Die Fans riefen lauthals seinen Namen, als wollten sie ihn halten oder ihm wenigstens das Gefühl geben, ihn ehrenhaft aus der Truppe zu entlassen, falls der Klub ihn nicht zum Bleiben bewegen kann in den Gesprächen, die demnächst geführt werden sollen. Bei Kuranyi mögen sich in die Tränen der Rührung die des (möglichen) Abschieds gemischt haben. So oder so fühlte es sich gut an für ihn. „Es war schön, weil ich mir in fünf Jahren alles erarbeiten musste, um so weit zu kommen, dass die Fans mich feiern. Dass sie mich so verabschieden aus einer Saison, das macht mich stolz“, sagte der 18-malige Torschütze dieser Saison. „Es gibt nicht viele Vereine, die solch eine Stimmung erzeugen können.“

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