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Sport: Play-offs der Psychologie

Eisbären und Ingolstadt reden sich vor dem Halbfinale stark

Berlin. Es gibt da eine Episode aus der Karriere des Pierre Pagé, an die sich der Trainer des EHC Eisbären mit Grauen erinnert. Es geschah im Frühjahr 1993. Pagé stand mit den Quebec Nordiques in den Play-offs der National Hockey League (NHL). Quebec führte in der Serie gegen Montreal schon 2:0. Da hatte Pagés Torwarttrainer eine Idee: Er studierte am Videorekorder ungewohnt ausgiebig das Spiel des gegnerischen Torwarts und kam zu einem interessanten Ergebnis. „Der Patrick Roy macht uns kein Problem mehr, ich kenne seine Schwächen.“ Ein anderes Problem war, dass Montreals Keeper Roy in den Medien alles über seine angeblichen Schwächen erfuhr. „Der Rest ist schnell erzählt“, sagt Pagé. „Roy war besonders motiviert. Montreal gewann vier Spiele gegen uns, wir schieden aus und Montreal wurde Meister.“

Diese Anekdote hat Pagé gelehrt, wie man es nicht machen sollte, sagt er. Insofern erstaunt es nicht, dass er über die Schwächen des ERC Ingolstadt nicht ausgiebig referiert. Heute starten die Eisbären (19.30 Uhr, Sportforum) in die nach dem Modus „Best of five“ gespielte Halbfinalserie der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Die Bayern haben im Viertelfinale überraschend die Nürnberg Ice Tigers bezwungen. Ein Umstand, der den Außenseiter mutig werden lässt. „Die Berliner sind wahrscheinlich die beste Mannschaft der DEL“, sagt Ingolstadts Trainer Ron Kennedy. „Das heißt natürlich nicht, dass wir uns nichts ausrechnen.“ Natürlich nicht. Schließlich sind die Eisbären ja nur „wahrscheinlich“ die bessere Mannschaft.

Ein kleiner rhetorischer Trick des Herrn Kennedy? „Das ist ein Ansatz psychologischer Kriegsführung“, sagt Pagé. Wie kann man sich davor schützen? „Indem man nicht zuhört oder zu viel davon liest. Manche meiner Spieler haben sich alle Artikel reingezogen, die sie kriegen konnten.“ Lesen bildet nicht immer, findet Pagé: „Uns ist zu viel Wohlwollen entgegengeschlagen nach den vier Siegen im Viertelfinale gegen Düsseldorf. Das ist schlecht, weil dich das weich werden lässt.“ Trotz Belesenheit, Pagés Spieler machen keinen verweichlichten Eindruck. „Wir haben die ganze Woche auf Ingolstadt hin trainiert“, sagt Kapitän Ricard Persson. „Wir schaffen das.“ Und sein Kollege Rob Leask meint: „Nürnberg hat in der Serie gegen Ingolstadt beste Torchancen ausgelassen. Es gibt keinen Grund, warum wir das auch so machen sollten.“

Selbstbewusstsein oder rhetorisches Getöse? „Die Anspannung ist groß, jeder steckt da sein Feld ab“, sagt Peter John Lee, Manager der Eisbären. „Verglichen mit dem, was ich schon erlebt habe, sind beide Seiten zurückhaltend.“ Ron Kennedy, von Juli 1996 bis Dezember 1997 Trainer der Eisbären, sei „viel ruhiger geworden“, sagt Lee. In seiner Berliner Zeit sei Kennedy noch „laut, aber fair gewesen“, berichtet Verteidiger Leask. Zu lauten Tönen besteht für Kennedy vor den Spielen gegen die Eisbären auch kein Grund. Schließlich hat er schon mehr erreicht als erwartet. Dass die Bayern mit ihrem destruktiven, defensiven Spiel in der Serie gegen Nürnberg neutrale Zuschauer gelangweilt haben, ist da kein Schönheitsfehler. „Berlin will unbedingt Meister werden“, sagt Kennedy. „Wir sind nicht unter Druck und müssen einfach nur clever spielen.“ Und dann haben sie ja noch ihren Torwart Jimmy Waite, der ihnen, wie Kennedy sagt, „fast immer eine Chance gibt, zu gewinnen“.

Fast immer? „Auch Waite hat seine Schwächen“, sagt Pagé. „Und natürlich haben wir einen Plan, wie wir Ingolstadt schlagen wollen“, sagt der Trainer der Eisbären. „Wie der aussieht? Geduld müssen wir haben, mehr werde ich natürlich nicht erzählen.“ Natürlich nicht. Zu viel zu erzählen ist nicht gut, das weiß Pagé spätestens, seit die Montreal Canadiens 1993 mit Roy im Tor Meister in der NHL wurden.

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