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Sport: Pöbelnd nach oben

Mario Basler fällt beim DFB-Trainerlehrgang mit seiner flapsigen Art auf – gelangweilt lässt er Lektionen über sich ergehen, um in die Bundesliga zu kommen

Er kommt als Letzter auf den Platz, um 8 Uhr 31, gerade noch pünktlich. Mario Basler grummelt. Helmut Rahner, einst harter Verteidiger in Uerdingen und Nürnberg, grätscht längst fröhlich beim Aufwärmen, Michael Rummenigge steht mit verschränkten Armen an der Seite, blickt wie ein alter Lehrmeister. Seit vier Wochen treffen sich viermal in der Woche morgens 26 ehemalige Fußballprofis, Amateurtrainer und Sportwissenschaftler auf einem unscheinbaren Fußballplatz in Köln-Junkersdorf. Alle wollen die Fußballlehrer-Lizenz erwerben, die höchste, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) vergibt. Nur mit ihr dürfen Trainer Erstligisten trainieren. Und dorthin will auch Mario Basler.

Heute hat DFB-Trainer Erich Rutemöller die Regie an den 37 Jahre alten Schüler Marco Kurz vergeben, der bereits die zweite Mannschaft von 1860 München trainiert. Der frühere Spieler bei 1860 und Schalke verteilt Leibchen, zeigt das Verschieben der Defensive. Nur Ingo Anderbrügge und Michael Rummenigge, beide mit 43 Jahren die Ältesten des Kurses, bekommen mal Ärger.

Basler ist immer noch der beste Mann auf dem Platz. Ein Musterschüler ist er nicht. Der frühere Bundesligaspieler von Werder Bremen, Bayern München und Kaiserslautern pöbelt und flachst, lacht und schießt die Bälle auf den Fotografen an der Seite: „Früher hätte ich den getroffen.“ Basler will Trainer werden, weil er ja nicht den ganzen Tag zu Hause, in Wattenheim in der Vorderpfalz, sitzen könne. „Ich habe ja nichts anderes gelernt“, sagt er. Der Profifußball hat ihm fast 20 Jahre lang Spaß gemacht, jetzt will er es ein bis anderthalb Jahre lang als Trainer versuchen. Wenn es damit nicht klappt, will er ins Beratergeschäft wechseln, zu seinem Schwager Roger Wittmann, einem der Größten der Branche.

Für sein Ziel muss Basler hart arbeiten. Sechs Monate dauert der Lehrgang, der zu einem großen Teil im Seminarraum 107 der Kölner Sporthochschule stattfindet. Rutemöller hat die Schüler bereits vor Kursbeginn im November in vier Gruppen eingeteilt: Abwehr, Angriff, System und Standards. Sie besuchten Spiele, und heute zeigt die Gruppe „Abwehr“ zum Abschluss ihre Power-Point-Präsentation. Basler wäre lieber häufiger auf dem Platz. „Kein Fußballer mag die Theorie“, sagt der 38-Jährige. Lehrer Rutemöller weiß, dass für viele die Theorie ein „notwendiges Übel“ ist. „Aber zum Ende des Lehrgangs werden sie hoffentlich erkannt haben, dass sie dazugehört“, sagt Rutemöller, der mit zehn anderen – Psychologen, Medizinern und Sportwissenschaftlern – den Lehrgang durchführt.

Andere Teilnehmer diskutieren auch abends noch über Mittelfeldrauten und hängende Spitzen, 17 von ihnen wohnen unter der Woche im Gästehaus der Sporthochschule. Mario Basler wohnt im Hotel. Der frühere Mittelfeldspieler ist anders geblieben, fühlt sich immer noch als Fußballer. Als Spieler hatte er Erfolg, wurde Europameister, Torschützenkönig, Deutscher Meister und Pokalsieger. Er liebte sich als „Enfant terrible“, attackierte Kameramänner und freute sich, wenn andere ihn hassten. Er war anderthalb Jahre lang Trainer von Jahn Regensburg in der Regionalliga Süd. Seit 2006 ist er Präsident und Spielertrainer beim Heimatklub ATSV Wattenheim in der Bezirksklasse. Bei einem Hallenturnier handelte er sich eine Sperre ein, weil er sich über den Schiedsrichter beschwerte und die ganze Mannschaft vom Platz schickte.

Für die Bundesliga braucht er den Fußballlehrer-Schein, dafür muss er auch zu Hause pauken. Das sei „das Schlimmste“. Das obligatorische Praktikum am Ende des Lehrgangs will er bei Ralf Rangnick bei der TSG Hoffenheim machen. Auch in Schalke und Hannover will er kurz vorbeischauen. Sein Traumverein bleibt der 1. FC Kaiserslautern. Aber auch einen guten Regionalligisten würde er trainieren. Regensburg nennt er „für den Einstieg sehr schön“. Ideal sei ein Klub wie Hoffenheim, „auf Rosen gebettet, mit einem starken Mann im Rücken“, dem SAP-Gründer Dietmar Hopp. Vor mächtigen Vereinsbossen hat er keine Angst – auch nicht beim FC Bayern. „Aber das dauert, bis ich so weit bin.“

Seine Art will er beibehalten. Auch Rutemöller betont, dass es wichtig sei, die „eigene Persönlichkeit durchzusetzen“. „Sie hat mir auch viel gebracht“, sagt Basler und nennt den Werbevertrag mit einer Brauerei. Nur dass ihn noch nie eine Zigarettenfirma angesprochen habe, wundere ihn. Heiser und doch laut bestellt er in der Mittagspause beim Kellner eine neue Schachtel. Angst vor ähnlich extrovertierten Spielertypen, wie er einer war, hat er nicht. Schließlich sei er mit den Trainern immer gut zurechtgekommen. Otto Rehhagel, Ottmar Hitzfeld, Giovanni Trapattoni, auch der Bremer Aad de Moos – Basler schwärmt von seinen Trainern, die allesamt nicht so autoritär gewesen seien wie ihr Ruf. „Eine lange Leine geht nur mit Leistung“, sagt er. So will er das auch handhaben.

Heute muss er auf Marco Kurz und Co. hören. Das scheint ihm schwerer zu fallen. Basler kommt als Letzter zur Präsentation. Vorne sitzt Michael Rummenigge im rosa Hemd. Basler setzt sich in die letzte Reihe. Er trägt ein DFB-Trikot, brüllt irgendwas von „Mannschaftskasse“ und wartet aufs Wochenende – wenn Wattenheim wieder spielt.

Stefan Tillmann[Köln]

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