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Sport: Pogo in Togo

Nachdem die Spieler keine Prämien erhielten und das Training boykottierten, hört Trainer Otto Pfister auf

Am Dienstagnachmittag muss Otto Pfister erst mal eine rauchen. Ob er etwas trinken wolle, fragt die Kellnerin. „Ein Bier wäre nicht schlecht.“ Also zieht Pfister abwechselnd an der Zigarette und nippt am Bier, aber dann verkomplizieren sich die Dinge, in Gestalt einer Bratwurst. „Na, Otto“, sagt Piet Hamberg, „so einen Kotrainer hattest du auch noch nicht, der dir sogar die Bratwurst bringt.“ Pfister nickt und raucht und trinkt und kaut und ist nicht ganz bei der Sache. Vielleicht ahnt der 68-Jährige Kölner schon, dass dieser Nachmittag im Bierzelt des FC Wangen sein letzter offizieller Auftritt als Trainer der Nationalmannschaft von Togo ist. Es vergehen drei weitere chaotische Tage, in den die Spieler zum Teil das Training boykottieren. Dann hat Otto Pfister genug. Am späten Freitagabend verlässt er das Mannschaftsquartier in Wangen im Allgäu. Kurz vor der WM-Premiere am Dienstag in Frankfurt gegen Südkorea versinkt Togos Fußball im Chaos.

Es geht um Geld, 50 000 Euro, die jeder Spieler für die erfolgreiche WM-Qualifikation erhalten sollte. Seit Mitte Mai warten sie darauf, dass der Verband seine Pflicht erfüllt. Vergeblich. Erst als die Meldung von Pfisters Rücktritt ihren Weg in die Hauptstadt Lomé findet, geraten die Dinge in Bewegung. Der Verband spricht von organisatorischen Problemen und davon, dass nunmehr alles geregelt sei. Premierminister Edem Kodjo und Sportminister Ayouta Ouyenga hätten sich auf den Weg ins Allgäu gemacht und würden noch am Samstagabend im Mannschaftsquartier erwartet. Der frühere Bundesligastürmer Bachirou Salou sagt, die Spieler wollten Pfister nach dem Training zum Weitermachen überreden. Zu spät. Pfister hat das Allgäu längst verlassen und ist zu seinem Wohnsitz in die Schweiz gereist. Zu einer Rückkehr ist er nicht bereit, „ich lasse mich nicht mehr verarschen“ (siehe Interview).

Bewegte Wochen liegen hinter der togoischen Nationalmannschaft. Es war eine seltsame Vorbereitung mit Schnee und Windpocken und Gegnern auf Spaßniveau. Gerade ein offizielles Länderspiel gab es in Europa, das Togo mit Mühe und Not 1:0 gegen Liechtenstein gewann. Da hatten sich die Spieler schon verweigert. Am vergangenen Sonntag haben sie erstmals das Training boykottiert, danach machten sie nur für das Freundschaftsspiel gegen den FC Wangen eine Ausnahme. „Da waren so viele liebevolle Menschen, die uns in Deutschland so nett empfangen haben“, sagt Pfister. „Da haben wir uns noch einmal zusammengerauft und gesagt: Kommt, wir spielen für die Menschen da draußen.“

Das Spiel in Wangen wird ein Abschied in Volksfeststimmung. Viele der etwa 7500 Zuschauer tragen gelbe Togo-Shirts. Nach dem Spiel, das Togo 4:0 gewinnt, kommt Daré Nibombé ins Zelt. Der Abwehrchef trägt noch das verschwitzte grüne Nationaltrikot und schaut ein wenig irritiert hinüber zu seinem Trainer, der da mit Zigarette, Bier und Bratwurst kämpft. Auch Nibombé ist unzufrieden mit der WM-Vorbereitung. „Wir wissen immer noch nicht, wo wir stehen. Ich hätte gern mal gegen einen anderen WM-Teilnehmer gespielt“, aber das hat der Verband nicht auf die Reihe bekommen. Pfister winkt ab. Er hat das Vorbereitungsprogramm von seinem Vorgänger Stephen Keshi geerbt. Der Nigerianer hatte Togo gegen die höher eingeschätzten Teams aus Senegal und Sambia erstmals zur WM geführt und war darauf zu Afrikas Trainer des Jahres gewählt worden. Dann aber kam der Africa-Cup, der Togo drei Vorrunden-Niederlagen und Keshi ein schweres Zerwürfnis mit seinem Star Emmanuel Adebayor vom FC Arsenal bescherte. Nach einer Prügelei im Mannschaftsbus war die WM für den Trainer bereits beendet, bevor sie richtig begonnen hatte. Das Chaos hat Methode in Togo.

Otto Pfister kennt das. Er arbeitet seit 1972 in Afrika, in Ländern wie Ruanda, Ghana und Obervolta. Ende Februar ist er in Togo eingesprungen und hat es locker angehen lassen. In Wangen sollen seine Spieler schon mal ein Bier getrunken haben, ein Fast-Food-Restaurant ist gleich um die Ecke vom Mannschaftshotel. Die Spieler schätzen seine lange Leine. Am Dienstag in Wangen haben sie zum letzten Mal gemeinsam der Nationalhymne gelauscht. Im Text heißt es: „Wir siegen oder wir sterben, aber mit Würde.“

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