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Spiel mit Schlagseite. Sebastian Boenisch hat auf links große Probleme.

© dapd

Polens Abwehrspieler: Sebastian Boenisch: Pumpen auf links

Sebastian Boenisch spielt in der Bundesliga bei Werder Bremen. 2009 wurde er mit Deutschlands U21-Europameister. Jetzt läuft er für Polen auf – und steht in der Kritik.

Und schon wieder über rechts“, krakeelte Gerd Gottlob durch die Warschauer Schlussphase. Ein dezenter Hinweis, nicht zum ersten Mal. Unten auf dem Rasen mühten sich die Polen, den flinken Russen ein Remis abzutrotzen. Oben in seiner Sprecherkabine mühte sich Gottlob, auch dem letzten TV-Zuschauer begrifflich zu machen, wie gut die rechte polnische Seite ist. Und wie schwach im Vergleich dazu der linke Flügel. Bei keinem Team dieser EM tritt das Ungleichgewicht zwischen hier und da so stark zutage wie bei der Mannschaft von Franciszek Smuda. Rechts wirbelt die schwarz-gelbe Fraktion um Lukasz Piszczek und Jakub Blaszczykowski, links verteidigt Sebastian Boenisch. Ein undankbarer Job.

Gegen Russland hätte Boenisch in der siebten Minute fast die Führung besorgt. Einen Freistoß rammte er mit dem Knie auf das Tor, Wjatscheslaw Malafejew war auf dem Posten. Ein Treffer hätte die Art und Weise, wie Boenisch in den Medien wahrgenommen wird, zweifelsohne aufgewertet. So aber blieben nur zwei Flanken in Erinnerung, die ins Exil der Tartanbahn getrudelt waren, dazu ein leichtfertiger Ballverlust kurz vor dem Ende. „Sebastian“, schrie Smuda wütend in die Außenmikrofone. Sebastian pumpte. Sebastian sehnte den Abpfiff herbei. Ende, 1:1 gegen Russland, durch den Treffer von Blaszczykowski. Natürlich über rechts.

Die Thematik um das Leistungsgefälle auf den polnischen Flügeln erinnert rudimentär an die deutsche Gretchenfrage, wer auf der rechten Seite verteidigt, wenn Philipp Lahm links startet. Joachim Löw hat sich für Jerome Boateng entschieden. Anders als Boateng allerdings blieb Boenisch den Nachweis seiner Klasse schuldig. Im Eröffnungsmatch ließ er sich mehrfach überrennen.

Sebastian Boenisch ist beidfüßig, ein Kraftpaket. 86 Kilo auf 1,91 Meter. Er verfügt über den Körper eines Möbelpackers, und manchmal spielt er auch so. Klobig, schwer, Hauruckfußball. Dass der 25-Jährige nach einer Bundesliga-Saison mit Bremen, in der er verletzungsbedingt nur 125 Minuten zum Einsatz kam, in der polnischen Startelf steht, sagt weniger über ihn, aber viel über die Konkurrenz. In seiner Abwesenheit experimentierte Smuda mit Jakub Wawrzyniak von Legia Warschau auf der Position. Ohne Erfolg. Jetzt vertraut der Coach wieder dem Mann, der wie Lukas Podolski aus dem polnischen Gliwice stammt und zur Gattung der „gefärbten Füchse“ zählt. So nennen die Polen Profis, deren Wurzeln zwar östlich der Oder liegen, die aber im Ausland aufgezogen und ausgebildet wurden.

Sebastian Boenisch wuchs im Niederbergischen Land heran, in Heiligenhaus nahe Essen. 2009 holte Boenisch mit der deutschen U 21 den Europameistertitel. Während Mesut Özil, Jerome Boateng und Manuel Neuer den Sprung ins A-Team schafften, entschied sich Boenisch mangels Perspektive beim DFB für Polen, wo man ihn willkommen hieß. Es gab keine mediale Schelte wie gegen die französischstämmigen Ludovic Obraniak und Damien Perquis.

Boenisch spricht fließend Polnisch, und er trumpfte groß auf in seinen ersten Partien im rot-weißen Trikot. Mittlerweile ist die Begeisterung allerdings abgeebbt. Zwar spricht Boenisch immer noch fließend Polnisch, aber er spielt nicht mehr so stark.

Moritz Herrmann

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