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Das fällt in seinen Beritt. Lukas Sdrenka treibt den Ball bei der Deutschen Meisterschaft gekonnt voran.

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Polo in Berlin: Lachs, Champagner und Pferdemist

Thomas Winter gilt als bester Polospieler Deutschlands. Der Profi erklärt, warum es nichts Schöneres als seinen Sport gibt.

Das Maifeld am Berliner Olympiastadion besitzt an diesem Wochenende zwei ungleiche Seiten. Auf der einen spenden weiße Zelte und Sonnenschirme Schatten, die Damen tragen Sommerkleider, die Herren helle Hosen, es gibt Lachs und Champagner. Auf der anderen Seite riecht es nach Pferdemist.

Thomas Winter scheint dieser Geruch nicht zu stören. Der Poloprofi sitzt im geöffneten Kofferraum seines Kombis, vor seinen Füßen liegt eine hellbraune St.-Pauli-Decke für seine Stiefel und Schläger parat. Das erste Spiel des Tages bei den Deutschen Polomeisterschaften hat Winters Team „Champagne Lanson“ 4:3 gewonnen, am Ende landet es auf Rang vier. Das Turnier, bei dem auch der Schauspieler Heino Ferch teilnimmt, gewinnt überraschend das junge „Eltec“-Team.

Thomas Winter gilt als bester Polospieler Deutschlands. Geboren in Tansania, aufgewachsen in Sambia, sitzt er mit fünf Jahren zum ersten Mal auf dem Rücken eines Pferdes. Seine Leidenschaft für den elitären Sport bezeichnet er als „familienbedingt“. Sein Vater hat es ihm beigebracht. „Ich war bei den Pfadfindern, habe Fußball und Hockey gespielt, irgendwann war mir das alles zu langweilig“, erzählt Winter und lacht dabei. „Die Kombination aus Reitsport, Ballsport und Teamsport, und dass es draußen passiert, macht für mich den Reiz beim Polo aus.“

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Vor zwölf Jahren hat er sein Hobby zum Beruf gemacht. Seine Laufbahn zeigt, dass es die richtige Entscheidung war. In allen drei Spielklassen hat Thomas Winter mehrere deutsche Meistertitel gewonnen. Als Kapitän der deutschen Polo-Auswahl wurde er Vize-Europameister. Über einen Erfolg muss er noch heute schmunzeln: 2003 holte Winter den Weltmeistertitel im Elefantenpolo. Seine Entscheidung, Profi zu werden, bereut er auch überhaupt nicht. „Mit 60 Sachen über ein Feld zu galoppieren, ist ein berauschendes Gefühl“, sagt er, „es gibt nichts Schöneres.“

Meistens spielt Winter als Libero, baut das Spiel von hinten auf und versucht die Angriffe der anderen Mannschaft durch geschickten Stellungsritt abzufangen. Die Teams, die aus vier Spielern bestehen, kommunizieren durch Zurufe auf Englisch, Deutsch und Spanisch. Drei von vier Wochenenden pro Monat verbringt Winter bei derartigen Turnieren. Er pendelt zwischen Hamburg-Osdorf, Phöben bei Werder in Brandenburg, Argentinien, Mexiko, Thailand und den USA. Eine Liga gibt es nicht. Die Wettkämpfe werden von Mai bis September ausgetragen, die sich regelmäßig neu formierenden Teams können bestenfalls im Vorfeld gemeinsam trainieren. Pro Wettkampf nimmt Thomas Winter sechs Pferde mit. Er versucht so, die Belastung für die Tiere zu minimieren.

Ein Polospiel ist in vier siebenminütige Viertel eingeteilt. „Für das erste Viertel wähle ich mein sicherstes Pferd, für das zweite ein weniger erfahrenes, für das dritte mein bestes und für das letzte Viertel wieder ein sicheres Tier“, erklärt Winter. „Ein Polopferd muss schnell und wendig sein, leicht zu stoppen und cool im Kopf.“ Seine besten Jahre hat es zwischen dem achten und zwölften Lebensjahr.

Thomas Winter muss es wissen. Er hat viele Pferde geritten, die meisten von ihnen selbst ausgebildet. Aber keines sei an seine Stute Prima herangekommen. „Sie hat manchmal Sachen gemacht, bevor ich sie mir überlegt hatte. Ihre und meine Beine waren eins.“ Vor ein paar Jahren ist Prima im Alter von 25 Jahren gestorben. Winter bedauert, dass er keine Fohlen von ihr hat. „So eine wie sie, die gibt es sowieso nicht noch mal. Prima war ein Überpferd.“ Nach dem Tod hat er sich aus ihrem schwarzen Schweif ein Armband flechten lassen. „Ich war selbst überrascht, wie gut das aussieht.“ Er trägt es jeden Tag.

Winter ist nach eigener Schätzung schon „tausendmal vom Pferd gefallen“. Abgesehen von einem gebrochenen Arm, den er sich nach einem Zusammenstoß mit einem anderen Spieler zugezogen hat, sind seine Stürze bisher glimpflich ausgegangen. Die Spieler tragen Handschuhe, Knieschoner und Helme, manche sogar Mundschutz. Winter legt viel Wert auf Sicherheit. In der Polo-Szene ist der 44-Jährige für seine Ausrüstung bekannt, die er sich vom Eishockey abgeschaut hat. Früher habe er auch schon mal draufgängerisch gespielt. Doch die Zeiten seien vorbei. „Je älter ich werde, desto weniger Risiko gehe ich ein.“ Ohnehin steht für Winter die Sicherheit des Pferdes im Vordergrund. „Sie ist das höchste Gebot im Polo.“ Wenn das Wetter nicht stimmt oder ein Tier gestürzt ist, wird das Spiel unterbrochen oder sogar beendet.

Nach dem zweiten Spiel strömen Zuschauer auf das Feld. Kinder spielen Fangen, Hunde flitzen über den Rasen. Was so locker aussieht, ist gewollt. Die Besucher werden über die Lautsprecher freundlich dazu aufgerufen, die Erdstücke mit ihren Füßen festzutreten. Unterstützt werden sie von einer Walze und drei jungen Männern, die mit Schaufeln Sand in die Löcher streuen. Aus der Anlage dröhnt Elektro-Pop aus Miami. Für einen Augenblick herrscht Volksfeststimmung. Thomas Winter kennt den Ablauf. Das Drumherum. Er nimmt es gelassen. Er ist längst wieder bei seinen Pferden.

Johanna Behre

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