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Porträt: "Geht nicht, gibt's nicht!"

Die 16-jährige Schülerin Anna Schaffelhuber aus Bayern gilt als die Nachwuchshoffnung im paralympischen Ski-Alpin-Team.

"Man tut, was man kann", meint Anna mit einem Lachen in der Stimme, das im Bruchteil einer Sekunde nachdenklichem Ernst weicht. "Man braucht völlige Konzentration auf das was man gerade tut, sonst macht's ja auch keinen Sinn." Es ist ein Freitagabend, besser gesagt zehn Uhr nachts, doch Anna Schaffelhuber ist trotz der langen Anreise ins Kaunertal und der Trainingsvorbesprechungen keine Müdigkeit anzumerken. Die 16-jährige Schülerin aus Bayern gilt in vielen Augen, als die Nachwuchshoffnung im paralympischen Ski-Alpin-Team. Allein im vergangenen Jahr hat sie in ihrer Startklasse (sitzend) zweimal einen Europacupsieg eingefahren.

Dies obwohl sie erst sehr spät mit ihrer Skikarriere begonnen hat. Vor zwei Jahren wurde sie von ihrer Skitrainerin aus Kindertagen überredet, an einem Lehrgang des Juniorenkaders teilzunehmen. "Dort hat es dann Klick gemacht.", sie strahlt während sie daran zurückdenkt: "Der Trainingsalltag, die Leute, das Gefühl von Skifahren und Gemeinschaft - es hat mich nicht mehr los gelassen." Seitdem definiert sich die Rollstuhlfahrerin mit den frechen roten Haaren auch über den Sport. Besonders da für sie der Sport immer auch die eigene Persönlichkeit widerspiegelt. So bezeichnet sie sich selbst als lustig, lebensfroh und ehrgeizig mit der Fähigkeit "sich wo nei zum beißen".

Skifahren bedeutet Freiheit

Auf die Frage, was das Skifahren für sie bedeutet, kommt die Antwort ohne das geringste Zögern hinausgeschossen: "Freiheit!" Nach einem kurzen Moment der Stille fügt sich noch erklärend hinzu: "Ich bin schon ein sehr aktiver Mensch. Aber mit dem Rollstuhl kann ich nicht einfach irgendein Felsending hinauf oder 10 Kilometer durch die Gegend fahren. Aber beim Skifahren kann ich überall herunterfahren. Ja, für mich bedeutet es Schnelligkeit und Freiheit!" Es ist auch der Gegensatz zum Alltäglichen, der den Reiz am alpinen Leistungssport ausmacht. Ihr Leben beschreibt sie daher als in zwei Welten aufgeteilt: Skifahren und die Zeit daheim, die hauptsächlich von der Schule in Anspruch genommen wird. "In der Schule kann ich vom Skifahren nichts brauchen und andersherum ist es genauso…gerade weil ich zu Schulzeiten auch immer sehr viel vor- oder nachlernen muss.", betont sie mit einer deutlichen Konsequenz in der Stimme.

Für ihren Traum vom Skifahren opfert sie sehr viel Zeit: Die Ferien werden in der Regel in Trainingslagern verbracht, mindestens jedes zweite Winterwochenende wird in die Berge gefahren. Aber auch Schultage fallen mehrfach aufgrund von Rennen oder zusätzlichem Training aus. Ebenso musste sie in anderen Hobbys, wie dem Wasserskifahren oder dem Reiten kürzer treten. Dennoch, und darauf legt sie besonderen Wert, unternimmt sie an jedem freiem Wochenende einen Abend lang etwas gemeinsam mit ihren Freunden. In ihrem näheren Umfeld hat sie das Gefühl als Leistungssportlerin anerkannt zu sein. Die Menschen sind begeistert und begegnen ihr mit Freude und Respekt.

Behindertensport geht in den Medien noch immer unter

"Leider", so merkt sie an und man kann einen Hauch von Enttäuschung bei ihr erkennen, "geht der Behindertensport in den Medien immer noch unter. Von den Sportverbänden aus legt man zwar großen Wert auf Gleichstellung, ganz besonders seit der Olympiade in Peking. Von den Medien wird dies jedoch nicht übertragen." Während der Einkleidung der Nominierten für die diesjährigen olympischen und paralympischen Winterspiele in der vergangenen Woche, wurde das für Anna sehr deutlich. Übrigens war es erst das zweite Mal in Deutschland, dass die Einkleidung für behinderte und nicht behinderte Sportler zum gleichen Zeitpunkt stattfand. Als mögliche Kandidatin war sie zusammen mit anderen behinderten Sportlern Teil der Präsentation. Doch bei der abendlichen Fernsehübertragung musste sie feststellen, dass die Anwesenheit von Vertreter des Behindertensports kaum erwähnt wurde.

In der Hoffnung, dass dies eines Tages besser wird, folgt Anna weiterhin ihrem Motto: "Lieber irrt sich mal ein Optimist, als dass ein Pessimist immer recht hat!" Und so sieht sie getreu diesem Leitspruch zuversichtlich in die Zukunft. Sie möchte im Sport weiterkommen, ist aber grundsätzlich immer offen für alles Neue, was auf sie zu gesegelt kommt. "Vielleicht werde ich nach einer hoffentlich guten Laufbahn mal Trainerin oder studiere internationales Recht. Mal schauen was kommt. Schließlich heißt es doch nicht umsonst: Geht nicht, gibt’ s nicht!"

Jetzt trainiert sie erst mal die nächste Woche im Kaunertal. Und wer weiß, vielleicht sehen wir sie in vier Monaten während der Paralympics auf dem Fernsehbildschirm wieder.

Leonie Arzberger

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