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Künftig in Lederhose. Portugals Renato Sanches spielt demnächst für den FC Bayern.

© REUTERS

Portugal bei der EM: Cristiano Ronaldos Erben übernehmen

Ein Jahrzehnt lang hat sich in Portugals Team alles auf den Star konzentriert. Ein Generationswechsel ist nötig. Zwei Hoffnungsträger spielen künftig in der Bundesliga.

Es ist ein bisschen untergegangen, dass Cristiano Ronaldo seit Dienstag Rekord-Nationalspieler seines Landes ist. In den vergangenen Tagen debattierte Portugal mehr über die nicht ganz zufriedenstellende Ouvertüre seiner Mannschaft bei der Europameisterschaft und die nicht ganz passenden Aussagen seines stürmenden Weltstars über den Gegner Island, der es kaum würdig sei, gegen ihn zu spielen. Dabei hatten die kleinen Isländer in Saint-Etienne immerhin ein 1:1 gegen den ewigen Geheimfavoriten erkämpft. Für den eitlen Ronaldo war es das 127. Länderspiel, er zog dabei mit dem großen Luis Figo gleich.

Am selben Abend verlor er aber auch einen Rekord, nämlich den des jüngsten portugiesischen EM-Spielers. Das ist seit Dienstag Renato Sanches, die 35 Millionen Euro schwere Neuerwerbung des FC Bayern München. Sanches war 18 Jahre und 301 Tage alt, als er in der Schlussphase auf den Platz stürmte und zu richten versuchte, was nicht mehr zu richten war – auch, weil Cristiano Ronaldo sich bei seinen zehn Torannäherungen nicht so anstellte, dass es seinem Selbstanspruch genügen würde. Fernando Santos mag davon nichts mehr hören. „Portugal ist nicht nur Ronaldo“, sprach der portugiesische Trainer, er wirkte einigermaßen genervt, weil ihm jeden Tag dieselben Fragen gestellt werden. „Cristiano ist der beste Spieler der Welt und für unser Team ganz entscheidend. Aber dieses Team besteht nicht nur aus ihm.“

Renato Sanches strotzt vor Selbstvertrauen

Santos weiß, dass die Reduzierung der Selecção auf Ronaldo dieser so wenig hilft wie Ronaldo. Höchste Zeit, dass ein Neuer kommt. Zum Beispiel Renato Sanches.

Vor dem Abschied aus der Heimat ist er mit seinem Klub Benfica Lissabon noch Portugiesischer Meister geworden und hat im Viertelfinale der Champions League schon mal bei seinem künftigen Klub vorgespielt. Mit seiner Rastafrisur und seinen Tempoläufen erinnert er ein wenig an den Schalker Leroy Sané. Nur dass der Stil des Portugiesen eher physisch denn technisch geprägt ist. Seine Präsenz auf dem Platz korrespondiert mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein. „Ich bin bereit zu spielen“, sagt Sanches vor dem zweiten Vorrundenspiel der Gruppe F am Samstag im Pariser Prinzenpark gegen Österreich. „Und ich bin bereit, gut zu spielen. Wenn ich eine Chance bekomme, werde ich mein Bestes geben.“

Trainer Santos hat schon angedeutet, es werde ein paar Veränderungen geben, und die Dynamik des Renato Sanches könnte dem gemächlichen Spiel seiner Mannschaft ganz gut tun. Portugal stagniert, spätestens seit 2006, als sich nach dem Rücktritt von Luis Figo alles auf Ronaldo fokussierte. Spieler wie Joao Moutinho oder Nani haben die in sie gesetzten Erwartungen nie erfüllt. Ricardo Quaresma ist mit seinen 32 Jahren längst über den Zenit hinaus und darüber hinaus ein Muster an Unbeständigkeit. In der Verteidigung führt der 36 Jahre alte Ricardo Carvalho das Wort. Nie war die Zeit für einen Generationswechsel so reif wie jetzt.

Guerreiro ist schon am Establishment vorbeigezogen

Ist Fernando Santos bereit, diesen Umbruch zu vollziehen? Im zentralen Mittelfeld bietet sich Renato Sanches als Alternative zu Joao Moutinho an. Raphael Guerreiro ist am Establishment schon vorbeigezogen. Der 22-Jährige verteidigte gegen Island 90 Minuten lang auf der linken Seite und erfreute seinen künftigen Arbeitgeber Borussia Dortmund mit einer ansprechenden Leistung. Für Guerreiro wird es im Prinzenpark eine Art Heimspiel – er ist im Pariser Umland als Sohn einer Französin und eines Portugiesen geboren und hat bisher ausschließlich für französische Klubs gespielt, zuletzt für den Erstligisten FC Lorient. Seine Akquise war Borussia Dortmund geschätzt zwölf Millionen Euro wert.

Raphael Guerreiro war einer der Besten der portugiesischen Mannschaft, die im vergangenen Jahr bei der U-21-Europameisterschaft in Tschechien bis ins Finale kam – und im Halbfinale die Deutschen mit 5:0 vom Platz schoss. Neben ihm haben es auch die Offensivkräfte William Carvalho, Joao Mario und Rafael Silva in den Kader für Frankreich geschafft. Guerreiro spielte am Dienstag beim 1:1 gegen Island durch, Mario war immerhin 75 Minuten dabei, die beiden anderen saßen auf der Bank. Der Generationswechsel rückt näher.

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