zum Hauptinhalt
Hinter der Binde.

© REUTERS

Sport: Posterboy ohne Medaille

Ganz Großbritannien lag THOMAS DALEY zu Füßen. Das Wunderkind sollte der Nation mit seinem Partner Peter Waterfield eine Medaille bescheren. Doch das Duo patzte beim Turmspringen.

Beide stützten ihre Hände am Beckenrand ab. Bevor sie sich aus dem Wasser hievten, wollte der Ältere dem Jüngeren noch etwas sagen. „Sorry“, sagte Peter Waterfield, der 31-Jährige, zu Thomas Daley, dem 18-Jährigen. Dann zogen sie sich aus dem Becken.

Ein noble Geste, Waterfield nahm alle Schuld auf sich. Später erzählte er von dieser Entschuldigung. Thomas Daley, teilte er damit mit, trifft keine Schuld. Dass die Wasserspringer Peter Waterfield und Thomas Daley ihren vierten Sprung vom Turm verpatzten, dass sie damit eine Medaille verpassten, vielleicht sogar Gold, weil sie ja in Führung gelegen hatten, dass 17 500 Zuschauer enttäuscht aufschrien, als die beiden im Wasser verschwanden, dass sie am Ende nur Vierte wurden im Synchronspringen, alles die Schuld von Peter Waterfield aus London. Der Familienvater stellte sich vor seinen Partner, wie er seinen Sohn geschützt hätte.

Nett von ihm, aber Daley relativierte gleich Waterfields Rolle. „Wir gewinnen als Team, wir verlieren als Team. Ich habe auch einen Fehler gemacht“, sagte er. Am Ende, als an der Anzeigetafel riesengroß das Endergebnis aufleuchtete, Sieg für die Chinesen Cao/Zhang, da ging das britische Duo zu den Tribünen und winkte dankbar ins Publikum. Das Publikum klatschte ebenso dankbar zurück. Einer, der stehend applaudierte, war David Cameron.

Der Premierminister beim Wasserspringen, das zeigt den Stellenwert, den dieser Wettkampf für die Briten hatte. Peter Waterfield, das ist der Gentleman, aber er spielt nur die Rolle des Partners, der im Notfall zur Seite stehen muss. Den Hype aber löst Thomas Daley aus. Dieser 18-Jährige mit dem Gesicht eines

Teenie-Pop-Stars.

Sportlich sind Waterfield/Daley nichts anderes als zwei Medaillenhoffnungen. Die Briten haben mindestens zwei Dutzend davon, Wasserspringer sind da nichts Besonderes. Aber Daley ist der Athlet, der die Gefühle einer ganzen Nation weckt, Millionen haben ihn ins Herz geschlossen, weil er durch seine Geschichte herausragt.

Daley, der Kindstar. Als 14-Jähriger stand er im britischen Olympiateam von 2008, das jüngste Mitglied der Mannschaft. Monate zuvor hatte er die EM gewonnen, damit begann der Hype. Vom „neuen Wunderkind des britischen Sports“, schrieben Zeitungen, ein Fernsehteam filmte seine Olympia-Vorbereitungen, Jugendmagazine erschienen mit Postern des Jungstars.

In Peking belegte er im Einzel im Turmspringen Platz sieben, beim Synchronspringen, damals mit Blake Aldrige, Rang acht. Ein paar Monate später wurde Daley jüngster Weltmeister aller Zeiten im Turmspringen, der Rummel um ihn nahm zu.

Jedes Detail seiner Familiengeschichte geriet zum medialen Stoff. Sein Vater Rob kündigte seinen Job, um seinen Sohn zu allen Wettkämpfen zu begleiten. Selbst eine Operation verschob Rob Daley, um keinen Wettkampf zu verpassen. Bei der OP wurde 2006 ein Tumor im Gehirn entfernt, aber der Krebs wucherte weiter. Thomas Daley sprach über die Krankheit, so konnte die ganze Nation Anteil am Schicksal des Vaters und seinen Sohnes nehmen. Der größte Wunsch von Rob Daley war es, den Sohn bei den Spielen in London zu erleben. Er schaffte es nicht mehr. Rob Daley starb im Frühjahr 2011. Der trauernde Sohn belegte kurz danach, mühsam konzentriert, bei der WM Platz fünf im Einzel und Platz sechs im Synchronspringen.

Am Montag saß die Familie von Thomas Daley auf der Tribüne und fieberte mit, im Geiste saß der tote Vater neben ihnen. Er hatte von Olympiagold geträumt, wie der Sohn auch. Thomas Daley sagte: „Ich bin sehr traurig, dass ich meiner Familie keine Medaille schenken konnte.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false