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Sprinter Bolt of Jamaica arrives for news conference in Berlin

© Reuters

Präsentation: Jamaika feiert und bremst sich

Sprintfavorit Usain Bolt gibt sich vor dem WM-Start entspannt - sein Verband muss dagegen eine Sperre und seine Dopingpolitik rechtfertigen.

Berlin - Wie könnte hier denn Ärger reinkommen, in den Yaam-Club am Ostbahnhof mit all den bunt besprühten Wänden und dieser ferieninselhaften Stimmung? Und nun schaut auch noch Usain Bolt vorbei mit einer Schaumstoff-Attrappe seiner Arme auf dem Rücken, die in den Himmel zeigt, wie er es so gerne vor und nach den Rennen macht. Nein, hier gibt es jetzt nur ein gutes Gefühl, vermittelt von Usain Bolt, dem schnellsten Mann der Welt. „Ich bin bereit“, sagt der Jamaikaner, ein, zwei, drei, viermal und dass er sich keinen Druck auferlege für das Duell über 100 Meter am Sonntag gegen den Amerikaner Tyson Gay. Er will Weltmeister werden, „eine bestimmte Zeit kann ich mir in der nächsten Saison vornehmen, wenn es keine Meisterschaft gibt“.

Der Athlet Bolt wirkt gerade sorgenfrei, dabei startet er doch für einen Verband, der gerade eine Schlagzeile nach der nächsten produziert, die meisten davon unerfreulich. Doch dazu, teilt der Veranstalter von Bolts Auftritt im Yaam mit, werde sich der Jamaikanische Leichtathletik-Verband (JAAA) später selbst äußern.

Das tut er auch ein paar Stunden später in einem Hotel. Es dämmert bereits, der Raum ist gut besetzt mit Journalisten, es geht schließlich um den Verband mit den schnellsten Läufern der Welt. Doch die JAAA hatte kurz vor der WM sechs Läufer aus dem Team geworfen, darunter keine geringeren als Asafa Powell, ehemaliger Weltrekordhalter über 100 Meter, und Shelly-Ann Fraser, Olympiasiegerin über 100 Meter. Sie hatten ihr eigenes Trainingscamp aufgeschlagen, anstatt sich mit der Mannschaft zu treffen.

„Wir haben unsere Regeln“, begründet JAAA-Präsident Howard Arias die Entscheidung seines Verbands. Die JAAA hätte dem Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) schließlich vorher gesagt, dass sie mit allen Athleten in Herzogenaurach seien, damit die Dopingkontrolleure sie finden könnten. Arias erzählt das sichtlich entspannt, denn er hat die Sperre wieder aufgehoben – auf Wunsch von Lamine Diack, dem Präsidenten der IAAF. Diack hatte ihn gebeten, sich doch einmal das ganze Bild der internationalen Leichtathletik anzuschauen, und da sehe es nun mal nicht so gut aus, wenn einige der schnellsten Läufer der Welt wegen eines eigenen Trainingslagers nicht bei der WM mitmachen dürften. Das sah auch Arias ein. „Wir haben unsere Entscheidung überdacht.“ Anschließend habe Diack sogar noch die jamaikanische Mannschaft in ihrem Hotel besucht, um ihr den ganzen Entscheidungsprozess selbst zu erklären.

Das Bild des jamaikanischen Verbands kann auf jeden Fall gerade nicht Schritt halten mit dem Tempo seiner Läufer. Hinter den Kulissen rumort es gewaltig. Vor allem zwischen dem Verband und Trainer Stephen Francis mit seiner Gruppe um Powell und Fraser. „Das ist wie mit zwei Clans. Francis hasst den Verband, und der Verband hasst ihn“, sagt ein Beteiligter. Dieser Streit ist in den vergangenen Tagen eskaliert. Francis bereitete sich mit seiner Trainingsgruppe in Italien vor, der andere Teil der jamaikanischen Mannschaft eben in Herzogenaurach. Ein Aspekt des Streits war auch, dass Athleten aus Francis’ Gruppe beim Sportartikelausrüster Nike unter Vertrag stehen, der jamaikanische Verband und Olympiasieger Usain Bolt dagegen bei Puma. Das Training fand am Firmensitz von Puma statt.

Gerade Powell drohte aus diesem Streit als Verlierer hervorzugehen, dabei soll sich bei dieser Weltmeisterschaft doch für ihn einiges zum Guten wenden. Dass Rennen auch Kopfsache ist, davon kann Asafa Powell einiges erzählen. Bis zum vergangenen Jahr war er der schnellste Mann der Welt, er hielt den Weltrekord über 100 Meter mit 9,72 Sekunden. Doch solche Bestzeiten stellte er vor allem dann auf, wenn kein starker Gegner neben ihm lief. Bei diesen Weltmeisterschaften will er nun endlich beides zeigen, dass er nicht nur gegen die Uhr gewinnen kann, sondern auch gegen andere – und seine erste Einzelmedaille holen. Der Pastorensohn Powell, 26 Jahre alt, gilt als der nette Sprinter von nebenan. Doch der Streit dürfte seine Nerven gereizt haben.

Mit dem Aufenthalt in Italien hat sich die Trainingsgruppe um Powell allerdings nicht verdächtig gemacht, das wollte IAAF-Sprecher Nick Davies am Donnerstag klarstellen: „Wir wussten, wo sie sich aufhalten.“ Der Kontrolleur konnte also kommen.

Da ist schließlich eine weitere aktuelle Geschichte aus der jamaikanischen Mannschaft. Fünf Athleten waren mit der Substanz Methylhexaneamin erwischt wurden – und stehen trotzdem im WM-Aufgebot. Das hat noch einmal zum schlechten Ruf beigetragen, den Jamaika bei der Dopingbekämpfung ohnehin hat. „Wir warten nun auf Unterlagen der jamaikanischen Anti-Doping-Agentur“, sagt Davies. Diese Agentur gibt es jetzt immerhin. Und dafür hat offenbar eine resolute Dame gesorgt, die mit Bolt im Yaam-Club aufgetaucht ist, Olivia Grange, die Sportministerin ihres Landes. „Wir haben im vergangenen Jahr eine Anti-Doping-Agentur gegründet und ein Gesetz gegen Doping erlassen“, sagt sie. Es gebe auch Wettkampfkontrollen, die dann in Melbourne analysiert werden. Wie könnte sie auch eine schlechte Nachricht verkünden an diesem ferienhaften Ort.

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