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Sport: Preisklasse Porsche

Für Pferde wird viel Geld gezahlt – aber auch nicht immer

Baden-Baden. Die Zahlen fliegen im Stakkato durch die Auktionshalle. John O’Kelly jongliert mit den Zahlen, erst stößt er ein tiefes, lang gezogenes „Aaaah“ aus, dann singt er „twenty-twenely-twenely-twenty“, bis er schließlich mit hoher Stimme „thousand“ hinzufügt. 20 000 Euro also.

Die Pferde stapfen wie auf einem Laufsteg vor ihm her. Nur selten unterbricht ein Wiehern die Ziffernkolonnen, als wolle sich das angebotene Pferd über das geringe Kaufgebot beschweren. Erscheint O’Kelly der Preis tatsächlich zu niedrig, setzt der Auktionator einen frechen Spruch hintendran. Dann hebt ein Bieter kurz die Hand, und die rot leuchtende Summe auf der Anzeigetafel zählt eine Zahl vor den drei Nullen nach oben. So geht das die ganze Zeit in Baden-Baden, bei der wichtigsten Jährlingsauktion Deutschlands. Dort wird der Galoppnachwuchs versteigert.

Doch die Interessenten sind nur schwer zu begeistern an diesem Samstag. Bei den ersten 35 Angeboten müssen die beiden deutschen Auktionatoren Daniel Delius und Klaÿs Göntzsche bei jedem zweiten Pferd resigniert feststellen: „Zum ersten, zum zweiten und … und … Nein, dafür geht er leider nicht weg.“ Es ist schlechte Ware. Die wirtschaftliche Lage schlägt auch beim Luxusgut Pferd durch. Die Angebote finden keine Käufer mehr. Schnäppchen gibt es bei der wichtigsten deutschen Auktion nicht. Die Gestüte verkaufen nicht um jeden Preis.

Doch dann kommen die Pferde mit erfolgsversprechenderem Stammbaum. Einjährige Pferde, die für 20 000, 30 000 oder gar 40 000 Euro von Gestüten, Einzelpersonen oder Besitzergemeinschaften ersteigert werden. Ein echter Wettstreit zwischen zwei Bietern kommt aber nur selten zustande.

Bei der Nummer 62 fliegt der Hammer bei 64 000 Euro aufs Holz. Der junge Hengst schreckt vom dumpfen Schlag zurück. Er ist verkauft und wird aus der Tür geführt. Einen Namen hat er noch nicht. Das bleibt dem neuen Besitzer überlassen. Bekannt ist nur die Herkunft des Pferdes. Monsun heißt sein Vater, einer der erfolgreichsten deutschen Hengste. Das muss reichen, um ein Tier im Gegenwert eines Mercedes-Benz SL oder eines Porsche Boxster zu kaufen. Hohe Preise für Jährlinge sind eine Wette auf die Zukunft.

So ist es auch bei Directa Dancer. Als der Hengst mit der Katalognummer 117 in die Arena geführt wird, geht ein Raunen durch die Menge. Das satte Braun seines Fells hebt sich schön vom hellen Sandboden ab. Doch nicht wegen der Farbe ist das Pferd begehrt. Der Jährling aus dem Stall Directa ist das Topangebot dieser Auktion. Er ist ein Halbbruder von Dai Jin, und der hat vor wenigen Wochen das Deutsche Derby gewonnen. Das erhöht die Hoffnung auf eine ähnliche Karriere und damit natürlich auch den Preis.

Bei 140 000 Euro beginnt das Gebot. Doch bei dieser Summe will keiner mitbieten. Auktionator Göntzsche geht auf 100 000 Euro runter, dann auf 90 000. Da ruft einer seiner Helfer: „Hier!“ Sie nehmen mit dem Bieter Kontakt auf, wenn der Auktionator das nicht selbst tut. Einige hundert Fachleute sitzen im Halbkreis um das Auktionspodium. Viele Agenten, Gestütsvertreter, Trainer, auch normale Leute, die sich nach einer Ergänzung für ihr kostspieliges Hobby umsehen.

Auf 130 000 Euro kann Göntzsche den Preis hochtreiben, dann ist Schluss. Doch der Hammer fällt nicht. Er darf das Pferd für diesen Betrag nicht verkaufen. Der Besitzer hat ein höheres Limit gesetzt. „Der Stall wollte den Hengst wohl lieber selbst behalten“, sagt ein Mann. Pferde dürfen erst in einem Rennen starten, wenn sie einmal auf einer Auktion angeboten worden sind. Deshalb werden die Pferde pro forma angeboten, und damit nichts schief geht, heben die Besitzer das Angebot auf ein unrealistisches Limit an. Wenn das Pferd dann doch verkauft wird, war es immerhin ein gutes Geschäft. Die Deutschen tun sich mit dem Verkauf der eigenen Zucht etwas schwer, in England etwa ist dies die beste Einnahmequelle. Auf hohe Rennpreise wird weniger spekuliert.

Das höchste Gebot, das jemals auf einer deutschen Auktion erzielt wurde, lag vor drei Jahren bei über 400 000 Euro. Doch das Geld für Agneta wurde nie gezahlt. Der Agent ist nach dem Verkauf untergetaucht.

Auf der gestrigen Auktion gingen die Pferde für deutlich weniger Geld weg. Etliche Zuschläge lagen unter 20 000 Euro. Daniel Delius hatte mehr erwartet, deshalb ließ er sich sogar zu dem Spruch verleiten: „20 000 Euro sind doch kein Geld!“ In der Auktionshalle geht die Relation zu großen Summen leicht verloren. Eines der 264 Pferde ging dann doch für 130 000 Euro weg: Manduro. Er hat so viel gekostet wie ein kleines Reihenhaus.

Ingo Wolff

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