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Premier League: Keine Zeit für Besinnlichkeit

Ballacks Chelsea siegt am Boxing Day mit 2:0.

In der schnellsten Liga der Welt bleibt keine Zeit für die innere Einkehr, Weihnachten ist am 26. Dezember schon wieder vorbei. Natürlich wird am Boxing Day, dem Tag, an dem früher Lebensmittelpakete (boxes) an Arme verteilt wurden, schon wieder Fußball gespielt. Die Stadien sind traditionell voll, die Stimmung ist aber eher höflich. Auch an der Stamford Bridge kam vor dem 2:0-Pflichtsieg des FC Chelsea gegen Aufsteiger (und bald wohl wieder Absteiger) West Bromwich Albion kaum Lautstärke auf. „Seid ihr da?“, fragte der Stadionsprecher rhetorisch; viele der 41 437 Besucher konnten oder wollten sich nicht zu einer Antwort aufraffen.

Das Spiel war allerdings auch nicht wirklich spannend: West Bromwich, das Team von Trainer Tony Mowbray, schien trotz Chelseas wenig meisterlicher Heimform in dieser Saison am Freitag nicht an seine Chance zu glauben. Ein paar Stammspieler wurden sogar geschont. Die Blues kamen so ohne größere Anstrengungen zu ihren Toren. Didier Drogba sprang nach drei Minuten aus dem Stand höher als sein Gegenspieler und köpfte den Ball zum 1:0 neben den langen Pfosten; ein paar Weitschüsse von Michael Ballack später lupfte Kollege Frank Lampard den Ball kurz vor der Pause nonchalant über Torhüter Scott Carson ins Netz.

In der zweiten Hälfte tat sich in West-London nicht mehr viel. Chelsea wollte im Strafraum der Gäste bevorzugt mit Hackentricks und Lupfern zum Erfolg kommen, West Bromwich verwaltete enthusiastisch den Rückstand. Ballack sah nach einem Schubser noch die einzige Gelbe Karte. Als der Schiedsrichter das sonst in allen Belangen harmlose Spielchen abpfiff, durften die Blauen sich für ein paar Stunden als Weihnachtsmeister fühlen. Bis der FC Liverpool die Bolton Wanderers 3:0 besiegt hatte, damit wieder die Spitzenposition in der Premier League übernahm.

Um den Fans während der Feiertage unnötige Reisestrapazen zu ersparen, werden am Boxing Day nach Möglichkeit Nachbarschaftsduelle angesetzt. Der für die Spielpaarungen zuständige Computer erweist auf diese Weise auch der Historie seine Referenz: Schon im Mittelalter wurden an religiösen Feiertagen feuchtfröhliche Kämpfe zwischen benachbarten Städten und Dörfern ausgetragen, in denen Bälle bewegt wurden. Diesen regellosen folk football muss man sich als organisierte Massenkeilerei vorstellen. „Wir haben es hier nicht mit freundschaftlichem Sport oder Freizeit zu tun, sondern mit einer blutigen, mörderischen Praxis“, schrieb 1578 der Puritaner Philip Stubbs entrüstet. Wer 400 Jahre später die Premier League sieht, wird feststellen, dass sich nicht viel geändert hat. Der 19. Spieltag gilt als Runde der verrückten Spiele und zahlreichen Treffer. Am 26. Dezember 1963 fielen in der ersten Liga gar 66 Tore. Vor zwölf Monaten trennten sich Chelsea und Aston Villa an der Stamford Bridge nach drei Roten Karten 4:4-Unentschieden. So viel Gegenwehr war von West Bromwich gestern nicht zu erwarten.

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