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Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlecht gekleidete Trainer. Auf das Klima in England ist Klopp bestens vorbereitet. Foto: dpa/Gambarini

© picture alliance / dpa

Premier League: Passt Jürgen Klopp wirklich zum FC Liverpool?

Jürgen Klopps Wechsel in die Premier League scheint beschlossene Sache – auf den Trainer würde beim FC Liverpool aber auch einiges zukommen.

An den Ufern des Mersey kennt die Aufregung keine Grenzen. Nach einem 1:1-Unentschieden im Stadtderby gegen den FC Everton am Sonntag wurde Brendan Rodgers als Trainer des FC Liverpool entlassen. Seitdem gibt es nur ein Thema im englischen Fußball-Kosmos: Wer wird Rodgers’ Nachfolger als Trainer des 18-maligen Englischen Meisters? Ein Name ist dabei in aller Munde: Jürgen Klopp. Laut aktuellen Berichten aus England soll der frühere Trainer von Borussia Dortmund bereits mit dem FC Liverpool verhandeln. Bis Freitag, heißt es, könnte ein Vertrag zustande kommen. Carlo Ancelotti, vermeintlicher Hauptkonkurrent Klopps um den Trainerjob beim FC Liverpool, hat ein sofortiges Engagement nahezu ausgeschlossen. Er wolle sich noch ein wenig Erholung gönnen und erst in der kommenden Saison wieder arbeiten, sagte Ancelotti am späten Dienstagabend.

Der Weg für Klopp nach Liverpool scheint also frei. Doch würde ein Engagement in England auch für beide Seiten Sinn ergeben?

Die Marke Jürgen Klopp passt zumindest in der Theorie perfekt zur englischen Vorstellung eines Fußballtrainers. Klopp ist ein Charakterkopf. Er ist ein Motivator. Als Fußballpraktiker setzt er eher auf Energie und Emotionen als auf Akribie und Wissenschaft. Als selbstbewusste Persönlichkeit scheut er sich nicht vor großen Sprüchen und bedient die Presse großzügig mit seinen Bonmots. In der verrückten Welt der englischen Fußballberichterstattung sind solche Figuren Gold wert.

Auf Klopp warten in der Praxis einige Herausforderungen

Auch die Liaison zwischen dem Gefühlsmenschen Klopp und dem FC Liverpool würde Sinn ergeben. Die Roten sind quasi der BVB der Premier League, ein Klub für Fußballromantiker mit leidenschaftlichen Anhängern, die sich in letzter Zeit vergebens nach altem Glanz sehnen. Die Situation ähnelt ein bisschen der bei Klopps Ankunft in Dortmund 2008. In der Praxis aber muss es sich noch zeigen, ob Klopp wirklich so problemlos in die Premier League passt. Denn auf den Fußballtrainer Klopp warten in England einige Herausforderungen.

Zum Beispiel die, dass in der sagenhaft reichen Premier League das Arbeitsfeld Transferpolitik eine ganz andere Dimension hat als in Deutschland. Daran ist letztlich auch Brendan Rodgers gescheitert. Trotz Ausgaben von mehr als 300 Millionen Euro in drei Jahren für neue Spieler holte Liverpool keinen Titel. Daran war Rodgers nicht alleine Schuld. In Liverpool gibt es ein berüchtigtes Transfer-Gremium, in dem gemeinsam über die Einkäufe entschieden wird. Dabei muss sich der Trainer allerdings eher mit US-amerikanischen Investoren auseinandersetzen als mit lokalen Fußballfachmännern.

Das Liverpooler Modell ist eine Ausnahme in der Premier League. In England hat der Trainer traditionell die absolute Macht, auch in Transferfragen. Einen Sportdirektor nach deutschem Vorbild gibt es bei kaum einem Klub. Viele Fans erhoffen sich nun von einem starken Mann wie Klopp, dass die Macht des Trainers an der Anfield Road wieder gestärkt wird. Auch im „Independent“ hieß es, dass Liverpool „Klopps neue Ideen mit voller Akzeptanz annehmen müsste“, wenn man mit dem deutschen Trainer erfolgreich sein wolle. Man übersieht bei aller Verehrung für Klopp in England aber gerne, dass er zu seiner Dortmunder Zeit immer sehr eng mit Sportdirektor und Geschäftsführer zusammengearbeitet hat. Dortmunds Erfolg war keine One-Man-Show, sondern das Ergebnis des Dreigestirns Klopp, Zorc und Watzke.

Auch auf dem Spielfeld passt Klopps ultraschneller Umschaltfußball auf den ersten Blick wie maßgeschneidert in den temporeichen englischen Fußball. Aber das erhöhte Erschöpfungspotenzial des physisch anspruchsvollen Kloppschen Spiels hat man schon letztes Jahr in Dortmund gesehen. Mit 38 Ligaspieltagen und drei Pokalwettbewerben wäre diese Gefahr in England noch größer.

Die Sprachbarriere dagegen sollte Jürgen Klopp von allen Problemen am leichtesten überwinden können. Die Zuneigung der Engländer beruht ja vor allem auf der Fähigkeit des Deutschen, auch in einer fremden Sprache sein Talent für Aphorismen ausleben zu können. Als er im Frühling 2013 nach dem fulminanten Halbfinalsieg in der Champions League gegen Real Madrid seine ersten großen Interviews auf Englisch gab, wurde er quasi über Nacht zum Fanliebling in England. Vor allem seine Sprüche über Dortmund als „Robin Hood“ des europäischen Fußballs und die Beschreibung seiner bevorzugten Spielweise als „Heavy-Metal-Football“ haben Eindruck hinterlassen.

"Er muss schnell die Sprache lernen"

Zwar ging in seinem Schulenglisch ein bisschen seiner berühmten Schlagfertigkeit verloren. Die mittelgroßen Vokabellücken überspielte er aber überaus charmant. Seine Fußballpause wird Klopp wohl auch zur Verbesserung seiner Sprachkenntnisse genutzt haben, wenn es ihm ernst ist mit dem Abenteuer England. Allzu perfektes Englisch braucht er aber gar nicht. „Er muss schnell die Sprache lernen. Und damit meine ich nicht Englisch, denn damit kommt er in Liverpool nicht weit“, sagte der ehemalige FC-Profi Karl-Heinz Riedle im Magazin „11Freunde“ und spielte damit auf den Dialekt in der Hafenstadt an. Und in der Weltauswahl des FC Liverpool sind einheimische Spieler ohnehin in der Minderheit.

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