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Premier-League: Triumph des Dinosauriers

Alex Ferguson gewinnt mit Manchester United seinen zehnten Titel in England.

Das unsägliche Ritual der Bierdusche ist zum Glück noch nicht auf die Insel vorgedrungen, aber Weinliebhaber Alex Ferguson hätte sowieso nichts zu befürchten gehabt: In seinem 22. Jahr als Trainer von Manchester United traut sich niemand, den Schotten nass zu machen. Allein der liebe Gott durfte sich am Sonntag den Spaß erlauben, dem 66-Jährigen zur Feier des Tages eine kleine Kopfwäsche zu verpassen. Platzregen, Blitz und Donner im JJB-Stadion von Wigan Athletic konnten den zehnten Premier-League-Titel von Sir Alex und den 17. in der Vereinsgeschichte von United am Ende jedoch ebenso wenig verhindern wie Michael Ballacks FC Chelsea. Tore von Cristiano Ronaldo (33.) und Ryan Giggs (80.) sicherten Manchester die Meisterschaft mit zwei Punkten Vorsprung vor den Chelsea, das zu Hause gegen die Bolton Wanderers nur zu einem 1:1 kam.

Punktgleich waren die beiden Teams ins Saisonfinale gegangen; United, der Meister des Vorjahres, hatte den Vorteil der besseren Tordifferenz. Beim Stand von 0:0 an der Stamford Bridge brandete einmal heftiger Jubel in London auf, als die Nachricht von Manchesters Rückstand die Runde machte. Schnell stellte sich aber heraus, dass Lokalrivale Manchester City, nicht United, gerade sein Spiel verlor. Ronaldos kühl verwandelter Elfmeter beruhigte noch vor der Pause die Nerven des Tabellenführers. Dann wechselte Ferguson den 34-jährigen Giggs ein, der zehn Minuten vor Schluss alle restlichen Zweifel vertrieb. „Er hat das beste Gleichgewicht auf dem tiefen Geläuf“, erklärte Sir Alex später, als würde er über eines seiner Rennpferde referieren. Für den Waliser Flügelstürmer war es der 758. Einsatz im Trikot der Roten, damit stellte er die Bestmarke von Weltmeister Sir Bobby Charlton ein. Und zehn englische Meisterschaften hat vor ihm noch kein Spieler erreicht. „Fantastisch, dass gerade Ryan das entscheidende Tor schießt, vielleicht war es Schicksal“, sagte Ferguson. Am Ende verlief der letzte Spieltag wie die gesamte Saison: Chelsea kam sehr nahe heran, aber zu keiner Zeit an United vorbei.

Ferguson, der noch vor ein paar Jahren als Trainer-Dinosaurier verschrien war, hat sich unter dem Eindruck von Chelseas Aufstieg zur Großmacht neu erfunden: Er ließ als einziger in der Liga ohne echten Mittelstürmer angreifen, United überfiel die Gegner blitzartig aus der Tiefe. Der in dieser Saison unübertreffliche Cristiano Ronaldo, ein nomineller Mittelfeldspieler, schoss allein 31 Ligatore. Insgesamt erzielte United 80 Treffer.

Die im Sommer mit Neuzugängen im Wert von 100 Millionen intelligent verstärkte Elf war auch in der Defensive herausragend. In 38 Partien blieb man 21 Mal ohne Gegentor. Einen souveräneren Innenverteidiger als Nemanja Vidic sucht man derzeit auf der Welt vergeblich. Der 26-jährige Serbe wird seinen Leistungszenit zusammen mit anderen Leistungsträgern wie Carlos Tévez, 24, Wayne Rooney und Ronaldo (beide 23) erst in den nächsten Jahren erreichen; diese glänzenden Perspektiven trösten über 75 Millionen Euro Verlust im abgelaufenen Geschäftsjahr hinweg. Für Ferguson ist es so nur eine Frage Zeit, bis man Liverpool, den englischen Rekordmeister mit 18 Titeln, überholt.

Zuerst steht jedoch das Champions League-Finale am 21. Mai in Moskau auf dem Programm. Chelsea sinnt auf Rache, Ferguson sieht sich psychologisch im Vorteil. „Wir können jetzt beschwingt ins Endspiel hüpfen“, sagte er mit kindlicher Freude, „bei einer Niederlage (in der Meisterschaft) hätten wir Probleme bekommen.“ Der Übervater der grandiosen Elf erlaubte sich im Augenblick des Triumphs ein wenig Bescheidenheit. „Ich bin stolz, so lange (im Amt) überlebt zu haben“, sagte Sir Alex bewegt, „aber es war einfacher für mich, weil ich bei so einem tollen Verein arbeite.“ Einen Rücktritt nach Saisonende schloss er aus, denn diese Vorstellung macht selbst dem furchtlosen Ritter Ihrer Majestät Angst. „Meine Frau würde mich doch um sieben Uhr früh aus dem Haus jagen“, sagte er, „sie ist sehr respekteinflößend, müssen Sie wissen.“

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