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Im Sauseschritt. Haas benötigte für den Sieg über den Russen Michail Juschni nicht einmal 90 Minuten. In der Runde zuvor hatte er noch stundenlang mit dem US-Amerikaner John Isner gerungen und dreizehn Matchbälle gebraucht. Foto: Reuters

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Sport: Premiere im hohen Alter

Thomas Haas steht erstmals im Viertelfinale von Paris – dort wartet Djokovic, der Kohlschreiber bezwang.

Thomas Haas saß am Rednerpult in den Katakomben des Court Philippe Chatrier und blickte auf das Aufgebot an Journalisten und Kamerateams, das sich in den Konferenzsaal drängte. Haas mag es, im Mittelpunkt zu stehen. Und in diesen Tagen der French Open sind nun alle Augen auf den 35 Jahre alten Deutschen gerichtet. Denn mit einem souveränen 6:1, 6:1 und 6:3-Sieg über den Russen Michail Juschni war Haas erstmals ins Viertelfinale von Roland Garros eingezogen – als ältester Spieler seit 42 Jahren. Ob es ihm klar sei, dass er in Paris eine neue Altersbestmarke aufgestellt habe, wollte einer von ihm wissen. Haas grinste und reckte die Faust mit einem gespielt übertriebenen „Yes!“ in die Höhe. „Im Ernst“, sagte Haas, „es macht mich sehr stolz, der Älteste zu sein. Aber mehr noch, dass ich es hier zum ersten Mal so weit geschafft habe.“

Es gibt nicht mehr viele Ziele, denen Haas noch hinterher jagt. Doch es hatte ihn immer gestört, dass er beim wichtigsten Sandplatzturnier der Welt als einzigem der vier Grand-Slam-Events nie weiter als bis zum Achtelfinale gekommen war. Auf dem Sandbelag tat sich Haas von jeher am schwersten, und in der Runde zuvor wäre sein Traum beinahe jäh zerstört worden: Im Marathonmatch gegen den aufschlaggewaltigen John Isner, als Haas zwei Matchbälle abwehrte und erst seinen 13. selbst nutzte. Er überstand den fast fünfstündigen Krimi und hätte nun im Viertelfinale auf seinen Landsmann Philipp Kohlschreiber treffen können. Der Augsburger hatte den Weltranglistenersten Novak Djokovic mächtig geärgert, doch die große Sensation gelang Kohlschreiber nicht. Er unterlag dem Serben nach einer hochklassigen Leistung noch mit 6:4, 3:6, 4:6 und 4:6. „Ich habe mich gut präsentiert und dagegengehalten“ sagte Kohlschreiber zufrieden, „aber er hat die wichtigen Punkte gemacht und wurde am Ende immer besser.“

Kohlschreiber hatte etliche Chancen, gar 13 Breakbälle erspielte er sich gegen den wohl besten Defensivspieler der Welt, doch er konnte nur einen nutzen. Djokovic gab so den ersten Satz im Turnierverlauf ab und spielte längst nicht so souverän wie in den Runden zuvor. Es war einerseits dem frechen Spiel des Deutschen geschuldet, der Djokovic vor vier Jahren in der dritten Runde der French Open schon mal bezwungen hatte. Aber es lag wohl auch an der schwierigen Gemütsverfassung, in der sich Djokovic gerade befindet. Vor zwei Tagen erfuhr er vom Tod seiner Jugendtrainerin und Mentorin Jelena Gencic, das hatte ihn tief erschüttert. Sie hatte ihm zuletzt noch mit auf den Weg gegeben, er solle Roland Garros gewinnen. Es ist die einzige der vier großen Trophäen, die Djokovic noch fehlt. Nun liegt es an Haas, ihn davon abzubringen. Und kürzlich beim Masters in Miami ist Haas das mit einem furiosen Auftritt bereits gelungen. „Es ist sicher die größte Herausforderung, gegen Novak zu spielen“, sagte Haas, „aber ich bin bereit.“

Seit Michael Stich und Bernd Karbacher 1996 in Paris im Viertelfinale standen, hatte es kein deutscher Profi mehr so weit gebracht. Haas weiß, dass es für ihn wohl die letzte Chance ist. Und das nicht nur, weil ihn jeder ständig auf sein Alter anspricht. „Für viele scheint das ein Wunder zu sein“, sagte Haas, „aber André Agassi war auch mit 34, 35 Jahren noch sehr erfolgreich. Das hat mich immer angespornt.“ Dennoch war Haas froh, dass er seinen Akku gegen Juschni nach dem kräftezehrenden Match vor zwei Tagen gegen Isner schonen konnte. Nicht einmal anderthalb Stunden dauerte es, denn der Russe erwischte einen seiner schlechtesten Tage. Wie schlecht, kommentierte Juschni mit den neun wütenden Schlägen, mit denen er sein Racket an der Bank zertrümmerte. „Ich bin so dankbar, hier die Chance zu bekommen“, sagte Haas, „wer hätte vor zwei Jahren gedacht, dass ich hier stehen würde? Ich bestimmt nicht.“

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