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Klinsmann

© dpa

Pro/Contra: Klinsmann muss weg, sofort!

Die desaströse 0:4-Niederlage hat eine heftige Debatte um die Zukunft des Bayerntrainers ausgelöst. Die Bayern brauchen Jürgen Klinsmann auch nach dem Debakel in Barcelona, sagen die einen. Oder sollte der Anheizer und Sprücheklopfer sofort zurücktreten? Ein Pro und Kontra.

PRO: Der FC Bayern sollte seinen Trainer nicht feuern

Von Steffen Dobbert

Der Kollege grinste heute hämisch. Die Redakteurin gegenüber spottete. Es war Schadenfreude über Jürgen Klinsmanns Niederlage. Die Redaktion war sich einig: Der öffentliche Druck sei zu stark. "Klinsmann muss endlich gehen!" Aber muss man nicht zunächst eine Frage beantworten: Was oder wem nützt es, wenn Klinsmann gefeuert wird?

Viele würden sich sicher freuen, wenn der Trainer aufgäbe. Nur: Dem FC Bayern und damit dem deutschen Fußball wäre damit nicht geholfen.

Die Vereinsführung um den Manager Uli Hoeneß hat Mut bewiesen, als sie Klinsmann eingestellt haben. Hoeneß hat gemeinsam mit dem Trainer ein Konzept entwickelt. Gemeinsam wollen sie den erfolgreichsten deutschen Verein international konkurrenzfähig machen.  

Nach zwei schlechten Spielen innerhalb von fünf Tagen darf nun nicht an diesem Vorhaben gezweifelt werden. Wenn die Münchner sich verbessern wollen, müssen sie Rückschläge verkraften können. Wenn sie zu Europas Spitze gehören wollen, brauchen sie ein langfristiges Konzept und einen Trainer der es umsetzt.

Der Verein braucht diesen Umbruch. Und der braucht Zeit. Für den Wandel müssen sich die Münchner ein Übergangsjahr in dem es Kritik und Niederlagen gibt, erlauben können.

Mark van Bommel hat nach dem Debakel in Barcelona die Situation treffend analysiert: "Wir haben einfach nicht das Niveau!", sagte er. Bis auf ein paar wenige Spieler fehlen dem Klub Akteure, die auf internationalem Niveau mithalten können. Aber: Spieler werden gehen, Spieler werden kommen. Jürgen Klinsmann hat das längst geplant. Er hat das Leistungszentrum in München entwickelt. Für seine Vision vom FC Bayern hat er sich einiges einfallen lassen – und gemeinsam mit Hoeneß viel Vereinsgeld investiert. Was soll passieren, wenn der Trainer jetzt geht? Huub Stevens wird der neue Visionär? Otto Rahhagel kommt zurück? Oder macht es Franz Beckenbauer wieder selbst?

Was in der abstrusen aktuellen Debatte oft untergeht: Der FC Bayern ist mit bestimmten Zielen in die Saison gestartet, eines lautete: Viertelfinale der Champions League. Dieses Ziel hat Klinsmann trotz des Debakels gegen Barcelona erreicht. Und auch wenn es vielen die Schadenfreude mindert: Lediglich drei Punkte beträgt der Vorsprung des VfL Wolfsburg. Theoretisch könnten die Bayern schon am Ostersamstag Tabellenführer der Bundesliga werden.

CONTRA: Klinsmann muss weg, sofort
Von Michael Schlieben

Wer gestern Karl-Heinz Rummenigge gesehen hat, wusste: Jürgen Klinsmann hat keine Zukunft mehr bei den Bayern. Nicht einmal, dass Klinsmann übermorgen beim Bundesligaspiel gegen Frankfurt noch auf der Bank sitzt, wollte der Vorstandschef bestätigen, der in München "Killer-Kalle" genannt wird wegen seiner knallharten Personalpolitik.

Die erfolgsverwöhnten Bayern-Bosse sind von Klinsmann abgerückt. Verwunderlich ist das nicht, schließlich ist der Klub nicht nur aus der Champions League ausgeschieden. Mit der derzeitigen Leistung werden sie sich in der Bundesliga, wo sie momentan Platz vier belegen, kaum erneut für die Königsklasse qualifizieren.

Die Spieler glauben ebenfalls nicht mehr an den Trainer. Der Torwart Michael Rensing, den Klinsmann gestern überraschend und zu diesem Zeitpunkt völlig unnötig ausgetauscht hatte, kritisierte Auf- und Einstellung der Mannschaft. Man habe sogar Glück gehabt, nicht zweistellig verloren zu haben, sagte er hinterher. Auch der – vom Trainer mal degradierte, mal gelobte - Kapitän Mark van Bommel verhehlt seit Wochen schon kaum, dass er Klinsmann für einen Amateur hält, der keine Ahnung von Taktik und Mannschaftsführung hat.

Zwischen Mannschaft und Chefetage ist da noch einer, der inzwischen nicht mehr an Klinsmann zu glauben scheint: er selbst.

Klinsmann, der Anheizer und Sprücheklopfer, hat sein Pulver verschossen. Gestern nach dem Spiel schwieg er zunächst, schwänzte ein vereinbartes Interview. Menschlich mag das nach so einer Klatsche nachvollziehbar sein. Letztlich aber war das eine Bankrotterklärung für einen, der sich immer gern als Visionär und Botschafter feiern ließ.

Die Sätze, mit denen er angetreten war, hat er schon längst zurücknehmen müssen: Er wollte die Spieler jeden Tag etwas besser machen. Er wollte moderner, offensiver, frischer und frecher spielen lassen. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Es würde auch lächerlich wirken, angesichts der traurigen Wirklichkeit.

Nach der verheerenden Niederlage am Wochenende gegen Wolfsburg verballerte Klinsmann rhetorisch seine letzten beiden Schüsse. Erstens hörte er auf, sich hinter die Mannschaft zu stellen. Wer jetzt nicht mitziehe, könne sich zur nächsten Saison einen neuen Verein suchen. Vergebens: In Barcelona gab es überhaupt kein Aufbäumen mehr, keine erkennbare taktische Grundordnung. Klinsmanns Elf spielte hektisch und fahrig, eher gegen, als für den Trainer.

Zweitens kommt hinzu, dass Klinsmann sich selbst ein Ultimatum gestellt hat. In einem Interview sagte er, dass seine Leistung als Trainer in diesem Jahr vor allem an der Champions Leauge zu messen sei. Klinsmann wusste, anders als in der Liga hatte sich sein Team hier (wenn auch gegen zweitklassige Gegner) bisher leidlich geschlagen. Seit gestern steht es aber auch hier 0:4 gegen ihn.

Die Visionen sind nun vorbei. Deshalb schwieg er gestern. Heute meldete er sich mit einer dürren Pressemitteilung. Darin der Satz: "Es ist fünf vor zwölf". So etwas sagen Politiker, kurz bevor sie zurücktreten.

(ZEIT ONLINE)

Michael Schlieben, Steffen Dobbert

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