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Sport: Protest im Gefängnis

Eine Leipzigerin kämpft gegen einen Dopingforscher

Berlin - Die Tochter wird nicht in den Gerichtssaal kommen. „Das wäre zu viel Aufregung für sie“, sagt Claudia Iyiaagan-Bohse, die Mutter. Schlimm genug für die Tochter, dass die Mutter schon einmal im Frauengefängnis Chemnitz saß. Allerdings freiwillig. Und heute könnte die nächste freiwillige Haftstrafe anstehen. Claudia Iyiaagan-Bohse muss vor dem Oberlandesgericht Dresden nur ihre Berufungsverhandlung verlieren.

Materiell geht es bis jetzt um 1000 Euro Gerichts- und Anwaltskosten. Die schuldet die frühere Sportlehrerin der Staatskasse und Professor Winfried Schäker. Aber für Claudia Iyiaagan-Bohse aus Leipzig, 58, geht es um Aufklärung. Um die Vergangenheit des Winfried Schäker, wohnhaft in Leipzig. „Ich war ein politischer Häftling, und ich werde möglicherweise wieder einer sein“, sagt sie. „Aber er ist der wahre Täter.“

Winfried Schäker arbeitete in der DDR in einem geheimen Labor in Leipzig. Nach einem Gerichtsurteil darf man sagen, „dass er an der Verbesserung der Darreichungsformenakzeptanz von Dopingsubstanzen bei den Sportlern gearbeitet hat.“ Und er war im Dezember 2004 Vorsitzender eines Vereins, der sich für die Städtepartnerschaft Leipzigs mit Addis Abeba einsetzte. Schäker war nach der Wende mehrere Jahre an der Universität von Addis Abeba. Im Dezember 2004 stieß Claudia Iyiaagan-Bohse auf Schäker. Sie ist mit einem Nigerianer verheiratet, ihr gefiel das Projekt. Sie wollte mehr über Schäker erfahren. Im Internet stieß sie auf Schäkers Vergangenheit und auf den Satz: „Schäker reicherte Kaugummis und Zahnpasta mit anabolen Steroiden an, um sie doping-unwilligen Athleten verabreichen zu können.“ Claudia Iyiaagan-Bohse war zu DDR-Zeiten „nie politisch verfolgt“, aber dieser Satz empörte sie. Als der Stadtrat von Leipzig über die Städtepartnerschaft entschied, verteilte sie Infoblätter mit dem Satz über Schäker. Die Politiker sollten wissen, wer sich da engagierte. Schäker wehrte sich mit einer einstweiligen Verfügung, die das Landgericht Leipzig erließ. Denn in einem Detail war der Satz falsch. Schäker reicherte Kaugummis in Wirklichkeit mit Neuropeptiden an, und er gab Dopingmittel nie selber an Athleten. Das erklärte er in einer eidesstattlichen Versicherung: „Ich habe prinzipiell keine Dopingmittel an Athleten verabreicht.“ Iyiaagan-Bohse sollte die Kosten zahlen. Die weigerte sich, „aus politischen Gründen“, weil Schäkers Dopingvergangenheit erwiesen sei.

Am 8. April 2005 wurde sie in Haft genommen. Während sie in Chemnitz saß, empörten sich mehrere Prominente, darunter die frühere Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley, gegen Schäker und seine Rolle im Verein. Der frühere Dopingforscher trat aus dem Verein aus, Iyiaagan-Bohse kam aus dem Gefängnis. Ihr Anwalt Michael Lehner hatte Widerspruch eingelegt. Doch das Landgericht Leipzig gab Schäker Recht. Deshalb zieht Lehner jetzt vor das Oberlandesgericht. Wenn Claudia Iyiaagan-Bohse verlieren sollte, will sie erneut ins Gefängnis gehen. Zufrieden ist sie erst, wenn sie ihr Ziel erreicht hat: „Der Schäker soll zahlen. Alles.“

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