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Sport: Prügeln am dritten Ort

Was Hooligans aus Polen in Brandenburg machen

Berlin - Die Hooligans trugen noch verschwitzte Pullover, als sie den Waldweg zurück zur Autobahn A 12 fuhren. Jeder hatte einen Mundschutz dabei, damit die Zähne heil blieben, und Quarzsandhandschuhe, um die Wucht des Faustschlags zu erhöhen. Doch der Sonntagabend lief nicht wie gewünscht – und das lag vor allem an etwa hundert Polizisten, die das Versteck entdeckt hatten. Dass 53 polnische Hooligans aus dem Umfeld des Klubs Lech Poznan nach Brandenburg gereist sind, um sich mit einer ähnlich hohen Zahl deutscher Schläger im Wald bei Briesen zu prügeln, wird bald auch das Bundesinnenministerium beschäftigen. Ende März findet in Berlin die Sicherheitskonferenz mit den Anrainerstaaten und Teilnehmerländern der Fußball-WM 2006 statt.

Hooligans gehen zwar in Stadien und gehören zum Stadionumfeld, der Sport ist ihnen aber letztlich egal. In der Vergangenheit haben sie ihre Aktivitäten – wie jetzt in Brandenburg – immer mehr vom Stadion weg verlegt; die Polizei spricht dabei von „Drittortauseinandersetzungen“.

Immer wieder haben Ermittler davor gewarnt, die Hooligan-Problematik klein zu reden. Erstens könne man die etwa 3000 deutschen Hooligans während der WM nicht des Landes verweisen. Außerdem würden Gewalttäter aus Osteuropa relativ problemlos einreisen können, weil die Grenzbeamten nicht über genügend Informationen hinsichtlich der dortigen Szene verfügen und deshalb die Einreise schwer verhindern könnten.

Auch der Hooligan-Forscher Gunter A. Pilz von der Universität Hannover warnt vor einer Verharmlosung der Szene. Zwar dürfe „kein Horroszenario“ gemalt werden, sagte er, doch die polnische Szene sei „äußerst brutal und ähnlich gut strukturiert wie die Mafia“. Normale Fans würden in polnischen Stadien „massiv eingeschüchtert, bedroht, erpresst und schwer verletzt“. In den Stadien Osteuropas gebe es einen „rechtsfreien Raum“, was auch deutsche Hooligans bei Länderspielen in Slowenien und der Slowakei ausgenutzt hatten. Die deutsche Szene könne man aber nicht mit der polnischen vergleichen, sagt Pilz. Während die Deutschen aus dem Bürgertum stammten und den Reiz im Verbotenen sehen würden oder sich im sportlichen Wettkampf messen wollten, kämen polnische Schläger aus der sozialen Unterschicht. Sie würden durch ihr Handeln ihr Selbstwertgefühl steigern und schreckten vor Waffengewalt nicht zurück, so Pilz.

Doch auch die deutsche Szene ist laut Pilz mittlerweile „ähnlich in kriminellen Türsteher- und Rockerszenen verankert wie in östlichen Ländern“. Das sehe man in Regionen und Städten wie Berlin, Dresden oder Leipzig, „die besonders attraktiv sind für deutsche Hooligans“. Genau diese Szenen gehören zur so genannten „Nordostfraktion“, die sich in Brandenburg prügelte. Dass die Zahl der Hooligans größer ist, zeigte der Nachmittag nur einige hundert Kilometer entfernt: Da wurden zeitgleich bei einem Amateurspiel in Leipzig 18 Polizisten durch Hooligans verletzt.

André Görke

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